Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen. §. 94. Juristische Personen. -- Rechte (Fortsetzung.) VI. Criminalrecht und Obligationen aus Delicten. Die Frage, ob juristische Personen Verbrechen begehen Mehrere haben die Frage aus dem Grunde verneint (a), Andere bejahen die Frage, indem sie von einer abso- (a) Dahin gehören von neueren Schriftstellern besonders Zacha- riae l. c. p. 88. Haubold l. c. C. 4 § 15. Feuerbach Crimi- nalrecht § 28 ed. 12. (b) Stieber zu Haubold opus-
cula Vol. 2 p. LXXIII. Müh- lenbruch I. §. 197. Sintenis de delictis et poenis universitatum Servestae 1825. Dieser letzte nimmt jedoch Verbrechen der Cor- porationen nur in den mit ihren wahren Zwecken zusammenhän- genden Geschäften an, z. B. wenn eine Stadt das Münzrecht hat, und dieses durch Beschluß von 2/3 ihrer Mitglieder zum Falschmün- zen misbraucht wird (p. 28. 32). Diese Einschränkung scheint ganz inconsequent, denn wenn über- Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. §. 94. Juriſtiſche Perſonen. — Rechte (Fortſetzung.) VI. Criminalrecht und Obligationen aus Delicten. Die Frage, ob juriſtiſche Perſonen Verbrechen begehen Mehrere haben die Frage aus dem Grunde verneint (a), Andere bejahen die Frage, indem ſie von einer abſo- (a) Dahin gehören von neueren Schriftſtellern beſonders Zacha- riae l. c. p. 88. Haubold l. c. C. 4 § 15. Feuerbach Crimi- nalrecht § 28 ed. 12. (b) Stieber zu Haubold opus-
cula Vol. 2 p. LXXIII. Müh- lenbruch I. §. 197. Sintenis de delictis et poenis universitatum Servestae 1825. Dieſer letzte nimmt jedoch Verbrechen der Cor- porationen nur in den mit ihren wahren Zwecken zuſammenhän- genden Geſchäften an, z. B. wenn eine Stadt das Münzrecht hat, und dieſes durch Beſchluß von ⅔ ihrer Mitglieder zum Falſchmün- zen misbraucht wird (p. 28. 32). Dieſe Einſchränkung ſcheint ganz inconſequent, denn wenn über- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0324" n="310"/> <fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Perſonen.</fw><lb/> <div n="3"> <head>§. 94.<lb/><hi rendition="#g">Juriſtiſche Perſonen. — Rechte</hi> (Fortſetzung.)</head><lb/> <div n="4"> <head><hi rendition="#aq">VI.</hi><hi rendition="#g">Criminalrecht und Obligationen aus<lb/> Delicten</hi>.</head><lb/> <p>Die Frage, ob juriſtiſche Perſonen Verbrechen begehen<lb/> und Strafen erleiden können, iſt von jeher ſehr beſtritten<lb/> geweſen.</p><lb/> <p>Mehrere haben die Frage aus dem Grunde verneint <note place="foot" n="(a)">Dahin gehören von neueren<lb/> Schriftſtellern beſonders <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Zacha-<lb/> riae</hi> l. c. p. 88. <hi rendition="#k">Haubold</hi> l. c.<lb/> C.</hi> 4 § 15. <hi rendition="#g">Feuerbach</hi> Crimi-<lb/> nalrecht § 28 <hi rendition="#aq">ed.</hi> 12.</note>,<lb/> weil die juriſtiſche Perſon nur ein künſtliches Daſeyn durch<lb/> Privilegium des Landesherrn habe, welches aber nur für<lb/> erlaubte Zwecke gegeben ſey; wenn ſie daher ein Verbre-<lb/> chen begehe, ſo ſey ſie in dieſem Augenblick gar nicht ju-<lb/> riſtiſche Perſon, könne alſo auch nicht als ſolche einer<lb/> Strafe unterworfen werden.</p><lb/> <p>Andere bejahen die Frage, indem ſie von einer abſo-<lb/> luten Rechts- und Willensfähigkeit der juriſtiſchen Perſon<lb/> ausgehen, welche für dieſen einzelnen Fall durch keine po-<lb/> ſitive Ausnahme beſchränkt ſey <note xml:id="seg2pn_59_1" next="#seg2pn_59_2" place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Stieber</hi></hi> zu <hi rendition="#aq">Haubold opus-<lb/> cula Vol. 2 p. LXXIII. <hi rendition="#k">Müh-<lb/> lenbruch</hi> I. §. 197. <hi rendition="#k">Sintenis</hi> de<lb/> delictis et poenis universitatum<lb/> Servestae</hi> 1825. Dieſer letzte<lb/> nimmt jedoch Verbrechen der Cor-<lb/> porationen nur in den mit ihren<lb/> wahren Zwecken zuſammenhän-<lb/> genden Geſchäften an, z. B. wenn<lb/> eine Stadt das Münzrecht hat,<lb/> und dieſes durch Beſchluß von ⅔<lb/> ihrer Mitglieder zum Falſchmün-<lb/> zen misbraucht wird (<hi rendition="#aq">p.</hi> 28. 32).<lb/> Dieſe Einſchränkung ſcheint ganz<lb/> inconſequent, denn wenn über-</note>. Freylich giebt man<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [310/0324]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
§. 94.
Juriſtiſche Perſonen. — Rechte (Fortſetzung.)
VI. Criminalrecht und Obligationen aus
Delicten.
Die Frage, ob juriſtiſche Perſonen Verbrechen begehen
und Strafen erleiden können, iſt von jeher ſehr beſtritten
geweſen.
Mehrere haben die Frage aus dem Grunde verneint (a),
weil die juriſtiſche Perſon nur ein künſtliches Daſeyn durch
Privilegium des Landesherrn habe, welches aber nur für
erlaubte Zwecke gegeben ſey; wenn ſie daher ein Verbre-
chen begehe, ſo ſey ſie in dieſem Augenblick gar nicht ju-
riſtiſche Perſon, könne alſo auch nicht als ſolche einer
Strafe unterworfen werden.
Andere bejahen die Frage, indem ſie von einer abſo-
luten Rechts- und Willensfähigkeit der juriſtiſchen Perſon
ausgehen, welche für dieſen einzelnen Fall durch keine po-
ſitive Ausnahme beſchränkt ſey (b). Freylich giebt man
(a) Dahin gehören von neueren
Schriftſtellern beſonders Zacha-
riae l. c. p. 88. Haubold l. c.
C. 4 § 15. Feuerbach Crimi-
nalrecht § 28 ed. 12.
(b) Stieber zu Haubold opus-
cula Vol. 2 p. LXXIII. Müh-
lenbruch I. §. 197. Sintenis de
delictis et poenis universitatum
Servestae 1825. Dieſer letzte
nimmt jedoch Verbrechen der Cor-
porationen nur in den mit ihren
wahren Zwecken zuſammenhän-
genden Geſchäften an, z. B. wenn
eine Stadt das Münzrecht hat,
und dieſes durch Beſchluß von ⅔
ihrer Mitglieder zum Falſchmün-
zen misbraucht wird (p. 28. 32).
Dieſe Einſchränkung ſcheint ganz
inconſequent, denn wenn über-
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