wo nur ein Vermögen angenommen werden soll. -- Eben so ist es nicht inconsequent (wie man wohl behauptet hat) anzunehmen, daß eine juristische Person zwar kein Ver- brechen begehen, wohl aber durch das Verbrechen eines Andern verletzt werden könne; denn zu dieser Verletzbar- keit ist schon das Daseyn eines Vermögens hinreichend, welches bey der juristischen Person keinen Zweifel hat: Denken und Wollen des Inhabers ist dabey gleichgültig. Ja selbst die gegen eine juristische Person mögliche In- jurie ist kein Einwurf, da diese nur an die verletzte Per- sönlichkeit, nicht gerade an die verletzte Empfindung, ge- knüpft ist.
Alles, was man als Verbrechen der juristischen Per- sonen ansieht, ist stets nur das Verbrechen ihrer Mitglie- der oder Vorsteher, also einzelner Menschen oder natürli- cher Personen; auch ist es dabey ganz gleichgültig, ob etwa das Corporationsverhältniß Beweggrund und Zweck des Verbrechens gewesen seyn mag. Wenn daher der Be- amte einer Stadt aus verkehrtem Eifer Geld stiehlt, um die Roth der Stadtkasse zu erleichtern, so ist darum nicht weniger er persönlich ein Dieb. Wollte man nun irgend ein Verbrechen an der juristischen Person bestrafen, so würde dadurch ein Grundprincip des Criminalrechts, die Identität des Verbrechers und des Bestraften, verletzt werden.
Der Irrthum Derjenigen, welche ein Verbrechen juri- stischer Personen für möglich halten, hat eine zwiefache
wo nur ein Vermögen angenommen werden ſoll. — Eben ſo iſt es nicht inconſequent (wie man wohl behauptet hat) anzunehmen, daß eine juriſtiſche Perſon zwar kein Ver- brechen begehen, wohl aber durch das Verbrechen eines Andern verletzt werden könne; denn zu dieſer Verletzbar- keit iſt ſchon das Daſeyn eines Vermögens hinreichend, welches bey der juriſtiſchen Perſon keinen Zweifel hat: Denken und Wollen des Inhabers iſt dabey gleichgültig. Ja ſelbſt die gegen eine juriſtiſche Perſon mögliche In- jurie iſt kein Einwurf, da dieſe nur an die verletzte Per- ſönlichkeit, nicht gerade an die verletzte Empfindung, ge- knüpft iſt.
Alles, was man als Verbrechen der juriſtiſchen Per- ſonen anſieht, iſt ſtets nur das Verbrechen ihrer Mitglie- der oder Vorſteher, alſo einzelner Menſchen oder natürli- cher Perſonen; auch iſt es dabey ganz gleichgültig, ob etwa das Corporationsverhältniß Beweggrund und Zweck des Verbrechens geweſen ſeyn mag. Wenn daher der Be- amte einer Stadt aus verkehrtem Eifer Geld ſtiehlt, um die Roth der Stadtkaſſe zu erleichtern, ſo iſt darum nicht weniger er perſönlich ein Dieb. Wollte man nun irgend ein Verbrechen an der juriſtiſchen Perſon beſtrafen, ſo würde dadurch ein Grundprincip des Criminalrechts, die Identität des Verbrechers und des Beſtraften, verletzt werden.
Der Irrthum Derjenigen, welche ein Verbrechen juri- ſtiſcher Perſonen für möglich halten, hat eine zwiefache
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0327"n="313"/><fwplace="top"type="header">§. 94. Juriſtiſche Perſonen. Rechte. (Fortſetzung.)</fw><lb/>
wo nur ein Vermögen angenommen werden ſoll. — Eben<lb/>ſo iſt es nicht inconſequent (wie man wohl behauptet hat)<lb/>
anzunehmen, daß eine juriſtiſche Perſon zwar kein Ver-<lb/>
brechen begehen, wohl aber durch das Verbrechen eines<lb/>
Andern verletzt werden könne; denn zu dieſer Verletzbar-<lb/>
keit iſt ſchon das Daſeyn eines Vermögens hinreichend,<lb/>
welches bey der juriſtiſchen Perſon keinen Zweifel hat:<lb/>
Denken und Wollen des Inhabers iſt dabey gleichgültig.<lb/>
Ja ſelbſt die gegen eine juriſtiſche Perſon mögliche In-<lb/>
jurie iſt kein Einwurf, da dieſe nur an die verletzte Per-<lb/>ſönlichkeit, nicht gerade an die verletzte Empfindung, ge-<lb/>
knüpft iſt.</p><lb/><p>Alles, was man als Verbrechen der juriſtiſchen Per-<lb/>ſonen anſieht, iſt ſtets nur das Verbrechen ihrer Mitglie-<lb/>
der oder Vorſteher, alſo einzelner Menſchen oder natürli-<lb/>
cher Perſonen; auch iſt es dabey ganz gleichgültig, ob<lb/>
etwa das Corporationsverhältniß Beweggrund und Zweck<lb/>
des Verbrechens geweſen ſeyn mag. Wenn daher der Be-<lb/>
amte einer Stadt aus verkehrtem Eifer Geld ſtiehlt, um<lb/>
die Roth der Stadtkaſſe zu erleichtern, ſo iſt darum nicht<lb/>
weniger er perſönlich ein Dieb. Wollte man nun irgend<lb/>
ein Verbrechen an der juriſtiſchen Perſon beſtrafen, ſo<lb/>
würde dadurch ein Grundprincip des Criminalrechts, die<lb/>
Identität des Verbrechers und des Beſtraften, verletzt<lb/>
werden.</p><lb/><p>Der Irrthum Derjenigen, welche ein Verbrechen juri-<lb/>ſtiſcher Perſonen für möglich halten, hat eine zwiefache<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[313/0327]
§. 94. Juriſtiſche Perſonen. Rechte. (Fortſetzung.)
wo nur ein Vermögen angenommen werden ſoll. — Eben
ſo iſt es nicht inconſequent (wie man wohl behauptet hat)
anzunehmen, daß eine juriſtiſche Perſon zwar kein Ver-
brechen begehen, wohl aber durch das Verbrechen eines
Andern verletzt werden könne; denn zu dieſer Verletzbar-
keit iſt ſchon das Daſeyn eines Vermögens hinreichend,
welches bey der juriſtiſchen Perſon keinen Zweifel hat:
Denken und Wollen des Inhabers iſt dabey gleichgültig.
Ja ſelbſt die gegen eine juriſtiſche Perſon mögliche In-
jurie iſt kein Einwurf, da dieſe nur an die verletzte Per-
ſönlichkeit, nicht gerade an die verletzte Empfindung, ge-
knüpft iſt.
Alles, was man als Verbrechen der juriſtiſchen Per-
ſonen anſieht, iſt ſtets nur das Verbrechen ihrer Mitglie-
der oder Vorſteher, alſo einzelner Menſchen oder natürli-
cher Perſonen; auch iſt es dabey ganz gleichgültig, ob
etwa das Corporationsverhältniß Beweggrund und Zweck
des Verbrechens geweſen ſeyn mag. Wenn daher der Be-
amte einer Stadt aus verkehrtem Eifer Geld ſtiehlt, um
die Roth der Stadtkaſſe zu erleichtern, ſo iſt darum nicht
weniger er perſönlich ein Dieb. Wollte man nun irgend
ein Verbrechen an der juriſtiſchen Perſon beſtrafen, ſo
würde dadurch ein Grundprincip des Criminalrechts, die
Identität des Verbrechers und des Beſtraften, verletzt
werden.
Der Irrthum Derjenigen, welche ein Verbrechen juri-
ſtiſcher Perſonen für möglich halten, hat eine zwiefache
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/327>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.