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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
Wurzel. Die erste Wurzel besteht in der leeren Abstraction
einer absoluten Willensfähigkeit, die bey ihnen ganz ohne
Grund angenommen wird. Ihre fingirte Willensfähigkeit
gilt nur in den durch ihren Begriff bestimmten engen Grän-
zen, das heißt nur so weit sie nöthig ist, um sie an dem
Verkehr im Vermögen Theil nehmen zu lassen (§ 85);
dazu ist die Fähigkeit zu Verträgen, Traditionen u. s. w.
ganz unentbehrlich, das Begehen von Verbrechen ist dazu
so wenig nöthig, daß vielmehr der ganze Verkehr im Ver-
mögen weit fruchtbarer wäre, wenn gar keine Verbrechen
begangen würden. Die irrige Annahme einer absoluten
Rechts- und Willens-Fähigkeit läßt sich auch noch von
einer andern Seite anschaulich machen. Wäre sie wahr,
so müßte sie auch in der Erzeugung von Familienver-
hältnissen wirksam seyn; eine Zunft z. B. müßte durch
Adoption väterliche Gewalt über ein Krankenhaus erlan-
gen können. Daß dieses nicht möglich ist, folgt lediglich
daraus, daß das Familienverhältniß ganz außer den Grän-
zen des Gebiets liegt, für welches allein die Fiction der
juristischen Personen gemacht worden ist. -- Und hierin
liegt denn auch das wahre Element, welches dem oben
verworfenen, von manchen Schriftstellern für die richtige
Meynung angegebenen Grund zugeschrieben werden muß.
Die juristische Person (sagen Jene) kann deswegen kein
Verbrechen begehen, weil sie in der dazu nöthigen Thä-
tigkeit gar nicht mehr juristische Person ist. Das ist wahr,
aber nicht deswegen weil diese Thätigkeit unerlaubt, son-

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
Wurzel. Die erſte Wurzel beſteht in der leeren Abſtraction
einer abſoluten Willensfähigkeit, die bey ihnen ganz ohne
Grund angenommen wird. Ihre fingirte Willensfähigkeit
gilt nur in den durch ihren Begriff beſtimmten engen Grän-
zen, das heißt nur ſo weit ſie nöthig iſt, um ſie an dem
Verkehr im Vermögen Theil nehmen zu laſſen (§ 85);
dazu iſt die Fähigkeit zu Verträgen, Traditionen u. ſ. w.
ganz unentbehrlich, das Begehen von Verbrechen iſt dazu
ſo wenig nöthig, daß vielmehr der ganze Verkehr im Ver-
moͤgen weit fruchtbarer wäre, wenn gar keine Verbrechen
begangen würden. Die irrige Annahme einer abſoluten
Rechts- und Willens-Fähigkeit läßt ſich auch noch von
einer andern Seite anſchaulich machen. Wäre ſie wahr,
ſo müßte ſie auch in der Erzeugung von Familienver-
hältniſſen wirkſam ſeyn; eine Zunft z. B. müßte durch
Adoption väterliche Gewalt über ein Krankenhaus erlan-
gen können. Daß dieſes nicht möglich iſt, folgt lediglich
daraus, daß das Familienverhältniß ganz außer den Grän-
zen des Gebiets liegt, für welches allein die Fiction der
juriſtiſchen Perſonen gemacht worden iſt. — Und hierin
liegt denn auch das wahre Element, welches dem oben
verworfenen, von manchen Schriftſtellern für die richtige
Meynung angegebenen Grund zugeſchrieben werden muß.
Die juriſtiſche Perſon (ſagen Jene) kann deswegen kein
Verbrechen begehen, weil ſie in der dazu nöthigen Thä-
tigkeit gar nicht mehr juriſtiſche Perſon iſt. Das iſt wahr,
aber nicht deswegen weil dieſe Thätigkeit unerlaubt, ſon-

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[314/0328] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. Wurzel. Die erſte Wurzel beſteht in der leeren Abſtraction einer abſoluten Willensfähigkeit, die bey ihnen ganz ohne Grund angenommen wird. Ihre fingirte Willensfähigkeit gilt nur in den durch ihren Begriff beſtimmten engen Grän- zen, das heißt nur ſo weit ſie nöthig iſt, um ſie an dem Verkehr im Vermögen Theil nehmen zu laſſen (§ 85); dazu iſt die Fähigkeit zu Verträgen, Traditionen u. ſ. w. ganz unentbehrlich, das Begehen von Verbrechen iſt dazu ſo wenig nöthig, daß vielmehr der ganze Verkehr im Ver- moͤgen weit fruchtbarer wäre, wenn gar keine Verbrechen begangen würden. Die irrige Annahme einer abſoluten Rechts- und Willens-Fähigkeit läßt ſich auch noch von einer andern Seite anſchaulich machen. Wäre ſie wahr, ſo müßte ſie auch in der Erzeugung von Familienver- hältniſſen wirkſam ſeyn; eine Zunft z. B. müßte durch Adoption väterliche Gewalt über ein Krankenhaus erlan- gen können. Daß dieſes nicht möglich iſt, folgt lediglich daraus, daß das Familienverhältniß ganz außer den Grän- zen des Gebiets liegt, für welches allein die Fiction der juriſtiſchen Perſonen gemacht worden iſt. — Und hierin liegt denn auch das wahre Element, welches dem oben verworfenen, von manchen Schriftſtellern für die richtige Meynung angegebenen Grund zugeſchrieben werden muß. Die juriſtiſche Perſon (ſagen Jene) kann deswegen kein Verbrechen begehen, weil ſie in der dazu nöthigen Thä- tigkeit gar nicht mehr juriſtiſche Perſon iſt. Das iſt wahr, aber nicht deswegen weil dieſe Thätigkeit unerlaubt, ſon-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/328>, abgerufen am 21.11.2024.