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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.

I. Als ein staatsrechtliches Verhältniß. Wenn z. B.
in Rom ein Legat dem Kaiser hinterlassen war (Quod
principi relictum est
), so wurde das so ausgelegt, als
wäre nicht gerade der Kaiser zur Zeit der Abfassung des
Testaments gemeynt, sondern Jeder, der zur Zeit der Er-
werbung des Legats Kaiser seyn würde. Dieses war nun
eigentlich eine incerta persona, mithin ungültig: daß man
es dennoch schon in der älteren Zeit gelten ließ, erklärt
sich aus der auf die Person des Kaisers übertragenen
Exemtion des Fiscus von allen gewöhnlichen Beschrän-
kungen des Privatrechts (§ 101). Eben daher war es
auch anders bey einem der Kaiserin hinterlassenen Legat.
Dieses wurde nur bezogen auf die zur Zeit des Testa-
ments vorhandene Kaiserin, so daß es öfter als das dem
Kaiser gegebene gar nicht zur Ausführung kam: ohne
Zweifel deswegen, weil es, in jener freyeren Weise aus-
gelegt, durch das allgemeine Verbot der incerta persona
ungültig gewesen seyn würde (a). -- Ein ähnlicher Fall
kommt vor bey einem Fideicommiß, welches dem Priester
und den Dienern eines bestimmten Tempels eine Rente
anwies. Dieses wurde ausgelegt als eine jährliche Rente
auf ewige Zeiten, zahlbar an die jedesmal in jenen Func-
tionen stehenden Personen. Gegen das Verbot der incerta
persona
wurde es dadurch geschützt, daß man als eigent-
lichen Successor den Tempel selbst ansah, der zwar eine
juristische Person, aber als solche eine certa persona

(a) L. 56. 57 de leg. 2 (31. un.).
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.

I. Als ein ſtaatsrechtliches Verhältniß. Wenn z. B.
in Rom ein Legat dem Kaiſer hinterlaſſen war (Quod
principi relictum est
), ſo wurde das ſo ausgelegt, als
wäre nicht gerade der Kaiſer zur Zeit der Abfaſſung des
Teſtaments gemeynt, ſondern Jeder, der zur Zeit der Er-
werbung des Legats Kaiſer ſeyn würde. Dieſes war nun
eigentlich eine incerta persona, mithin ungültig: daß man
es dennoch ſchon in der älteren Zeit gelten ließ, erklärt
ſich aus der auf die Perſon des Kaiſers übertragenen
Exemtion des Fiscus von allen gewoͤhnlichen Beſchrän-
kungen des Privatrechts (§ 101). Eben daher war es
auch anders bey einem der Kaiſerin hinterlaſſenen Legat.
Dieſes wurde nur bezogen auf die zur Zeit des Teſta-
ments vorhandene Kaiſerin, ſo daß es öfter als das dem
Kaiſer gegebene gar nicht zur Ausführung kam: ohne
Zweifel deswegen, weil es, in jener freyeren Weiſe aus-
gelegt, durch das allgemeine Verbot der incerta persona
ungültig geweſen ſeyn würde (a). — Ein ähnlicher Fall
kommt vor bey einem Fideicommiß, welches dem Prieſter
und den Dienern eines beſtimmten Tempels eine Rente
anwies. Dieſes wurde ausgelegt als eine jährliche Rente
auf ewige Zeiten, zahlbar an die jedesmal in jenen Func-
tionen ſtehenden Perſonen. Gegen das Verbot der incerta
persona
wurde es dadurch geſchützt, daß man als eigent-
lichen Succeſſor den Tempel ſelbſt anſah, der zwar eine
juriſtiſche Perſon, aber als ſolche eine certa persona

(a) L. 56. 57 de leg. 2 (31. un.).
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[376/0390] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. I. Als ein ſtaatsrechtliches Verhältniß. Wenn z. B. in Rom ein Legat dem Kaiſer hinterlaſſen war (Quod principi relictum est), ſo wurde das ſo ausgelegt, als wäre nicht gerade der Kaiſer zur Zeit der Abfaſſung des Teſtaments gemeynt, ſondern Jeder, der zur Zeit der Er- werbung des Legats Kaiſer ſeyn würde. Dieſes war nun eigentlich eine incerta persona, mithin ungültig: daß man es dennoch ſchon in der älteren Zeit gelten ließ, erklärt ſich aus der auf die Perſon des Kaiſers übertragenen Exemtion des Fiscus von allen gewoͤhnlichen Beſchrän- kungen des Privatrechts (§ 101). Eben daher war es auch anders bey einem der Kaiſerin hinterlaſſenen Legat. Dieſes wurde nur bezogen auf die zur Zeit des Teſta- ments vorhandene Kaiſerin, ſo daß es öfter als das dem Kaiſer gegebene gar nicht zur Ausführung kam: ohne Zweifel deswegen, weil es, in jener freyeren Weiſe aus- gelegt, durch das allgemeine Verbot der incerta persona ungültig geweſen ſeyn würde (a). — Ein ähnlicher Fall kommt vor bey einem Fideicommiß, welches dem Prieſter und den Dienern eines beſtimmten Tempels eine Rente anwies. Dieſes wurde ausgelegt als eine jährliche Rente auf ewige Zeiten, zahlbar an die jedesmal in jenen Func- tionen ſtehenden Perſonen. Gegen das Verbot der incerta persona wurde es dadurch geſchützt, daß man als eigent- lichen Succeſſor den Tempel ſelbſt anſah, der zwar eine juriſtiſche Perſon, aber als ſolche eine certa persona (a) L. 56. 57 de leg. 2 (31. un.).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/390>, abgerufen am 15.06.2024.