Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Vitalität. der bedeutende Umfang des angenommenen Zeitraums.Zwar kann unter dessen Schutz manches wirklich unehe- liche Kind die Rechte eines ehelichen erlangen; allein theils ist die Gefahr eines entgegengesetzten Unrechts an sich wichtiger, theils ist jene Gefahr doch nur gering in Vergleichung mit der Gefahr, daß mitten in einer Ehe Kinder in der That von einem fremden Vater erzeugt werden, die dennoch als ehelich gelten: und dieser letzten, größeren Gefahr kann und soll nicht entgegengearbeitet werden, weil jeder Versuch dazu weit größere Übel mit sich führen würde. Dieses Alles ist nun in unsren Rechtsquellen klar und ganz ungewöhnliche, künstliche
Sorgfalt gerettet worden sey. So erzählt Oeltze de partu vivo vi- tali § 37 aus namhaften Schrift- stellern zwey sehr merkwürdige Fälle; in einem derselben hatte eine Frau ein Kind geboren, und genau Sechs Monate später ein zweytes, das am Leben erhalten wurde; dieses war doch gewiß we- niger als 182 Tage im Mutter- leibe gewesen. Über die sehr aus einander gehenden Meynungen der Ärzte vgl. Glück B. 28 S. 129 fg. -- Besonders erfreulich ist mir die Übereinstimmung der hier dar- gelegten Ansichten mit der Mey- nung eines der geachtetsten medi- cinischen Schriftsteller: A. Henke von den Früh- und Spät-Gebur- ten, Abhandlungen aus dem Ge- biet der gerichtlichen Medicin B. 3 p. 241--307. Zwar stellt er nor- male Gränzen möglicher Schwan- gerschaft auf (p. 265. 284), allein er räumt ein, daß anomalische Fälle vorkämen, wodurch alle Ge- wißheit zerstört werde (p. 271. 292 fg.). Sein Resultat ist das entschiedendste Lob der Gesetzge- bung, namentlich des Römischen Rechts, worin durch positive Re- geln die Unsicherheit individueller Beurtheilung ausgeschlossen wird (p. 271--274, 303--304). Ins- besondere billigt er auch die an- sehnliche Ausdehnung des im R. R. angenommenen Zeitraums. Vitalität. der bedeutende Umfang des angenommenen Zeitraums.Zwar kann unter deſſen Schutz manches wirklich unehe- liche Kind die Rechte eines ehelichen erlangen; allein theils iſt die Gefahr eines entgegengeſetzten Unrechts an ſich wichtiger, theils iſt jene Gefahr doch nur gering in Vergleichung mit der Gefahr, daß mitten in einer Ehe Kinder in der That von einem fremden Vater erzeugt werden, die dennoch als ehelich gelten: und dieſer letzten, größeren Gefahr kann und ſoll nicht entgegengearbeitet werden, weil jeder Verſuch dazu weit größere Übel mit ſich führen würde. Dieſes Alles iſt nun in unſren Rechtsquellen klar und ganz ungewöhnliche, künſtliche
Sorgfalt gerettet worden ſey. So erzählt Oeltze de partu vivo vi- tali § 37 aus namhaften Schrift- ſtellern zwey ſehr merkwürdige Fälle; in einem derſelben hatte eine Frau ein Kind geboren, und genau Sechs Monate ſpäter ein zweytes, das am Leben erhalten wurde; dieſes war doch gewiß we- niger als 182 Tage im Mutter- leibe geweſen. Über die ſehr aus einander gehenden Meynungen der Ärzte vgl. Glück B. 28 S. 129 fg. — Beſonders erfreulich iſt mir die Übereinſtimmung der hier dar- gelegten Anſichten mit der Mey- nung eines der geachtetſten medi- ciniſchen Schriftſteller: A. Henke von den Früh- und Spät-Gebur- ten, Abhandlungen aus dem Ge- biet der gerichtlichen Medicin B. 3 p. 241—307. Zwar ſtellt er nor- male Gränzen möglicher Schwan- gerſchaft auf (p. 265. 284), allein er räumt ein, daß anomaliſche Fälle vorkämen, wodurch alle Ge- wißheit zerſtört werde (p. 271. 292 fg.). Sein Reſultat iſt das entſchiedendſte Lob der Geſetzge- bung, namentlich des Römiſchen Rechts, worin durch poſitive Re- geln die Unſicherheit individueller Beurtheilung ausgeſchloſſen wird (p. 271—274, 303—304). Ins- beſondere billigt er auch die an- ſehnliche Ausdehnung des im R. R. angenommenen Zeitraums. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0405" n="391"/><fw place="top" type="header">Vitalität.</fw><lb/> der bedeutende Umfang des angenommenen Zeitraums.<lb/> Zwar kann unter deſſen Schutz manches wirklich unehe-<lb/> liche Kind die Rechte eines ehelichen erlangen; allein<lb/> theils iſt die Gefahr eines entgegengeſetzten Unrechts an<lb/> ſich wichtiger, theils iſt jene Gefahr doch nur gering in<lb/> Vergleichung mit der Gefahr, daß mitten in einer Ehe<lb/> Kinder in der That von einem fremden Vater erzeugt<lb/> werden, die dennoch als ehelich gelten: und dieſer letzten,<lb/> größeren Gefahr kann und ſoll nicht entgegengearbeitet<lb/> werden, weil jeder Verſuch dazu weit größere Übel mit<lb/> ſich führen würde.</p><lb/> <p>Dieſes Alles iſt nun in unſren Rechtsquellen klar und<lb/> ſicher beſtimmt, und auch unſre Schriftſteller haben es<lb/> nie völlig verkannt, obgleich nicht ſelten durch mangel-<lb/><note xml:id="seg2pn_69_2" prev="#seg2pn_69_1" place="foot" n="(i)">ganz ungewöhnliche, künſtliche<lb/> Sorgfalt gerettet worden ſey. So<lb/> erzählt <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Oeltze</hi> de partu vivo vi-<lb/> tali</hi> § 37 aus namhaften Schrift-<lb/> ſtellern zwey ſehr merkwürdige<lb/> Fälle; in einem derſelben hatte<lb/> eine Frau ein Kind geboren, und<lb/> genau Sechs Monate ſpäter ein<lb/> zweytes, das am Leben erhalten<lb/> wurde; dieſes war doch gewiß we-<lb/> niger als 182 Tage im Mutter-<lb/> leibe geweſen. Über die ſehr aus<lb/> einander gehenden Meynungen der<lb/> Ärzte vgl. <hi rendition="#g">Glück</hi> B. 28 S. 129 fg.<lb/> — Beſonders erfreulich iſt mir<lb/> die Übereinſtimmung der hier dar-<lb/> gelegten Anſichten mit der Mey-<lb/> nung eines der geachtetſten medi-<lb/> ciniſchen Schriftſteller: A. <hi rendition="#g">Henke</hi><lb/> von den Früh- und Spät-Gebur-<lb/> ten, Abhandlungen aus dem Ge-<lb/> biet der gerichtlichen Medicin B. 3<lb/><hi rendition="#aq">p.</hi> 241—307. Zwar ſtellt er nor-<lb/> male Gränzen möglicher Schwan-<lb/> gerſchaft auf (<hi rendition="#aq">p.</hi> 265. 284), allein<lb/> er räumt ein, daß anomaliſche<lb/> Fälle vorkämen, wodurch alle Ge-<lb/> wißheit zerſtört werde (<hi rendition="#aq">p.</hi> 271.<lb/> 292 fg.). Sein Reſultat iſt das<lb/> entſchiedendſte Lob der Geſetzge-<lb/> bung, namentlich des Römiſchen<lb/> Rechts, worin durch poſitive Re-<lb/> geln die Unſicherheit individueller<lb/> Beurtheilung ausgeſchloſſen wird<lb/> (<hi rendition="#aq">p.</hi> 271—274, 303—304). Ins-<lb/> beſondere billigt er auch die an-<lb/> ſehnliche Ausdehnung des im R.<lb/> R. angenommenen Zeitraums.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [391/0405]
Vitalität.
der bedeutende Umfang des angenommenen Zeitraums.
Zwar kann unter deſſen Schutz manches wirklich unehe-
liche Kind die Rechte eines ehelichen erlangen; allein
theils iſt die Gefahr eines entgegengeſetzten Unrechts an
ſich wichtiger, theils iſt jene Gefahr doch nur gering in
Vergleichung mit der Gefahr, daß mitten in einer Ehe
Kinder in der That von einem fremden Vater erzeugt
werden, die dennoch als ehelich gelten: und dieſer letzten,
größeren Gefahr kann und ſoll nicht entgegengearbeitet
werden, weil jeder Verſuch dazu weit größere Übel mit
ſich führen würde.
Dieſes Alles iſt nun in unſren Rechtsquellen klar und
ſicher beſtimmt, und auch unſre Schriftſteller haben es
nie völlig verkannt, obgleich nicht ſelten durch mangel-
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(i) ganz ungewöhnliche, künſtliche
Sorgfalt gerettet worden ſey. So
erzählt Oeltze de partu vivo vi-
tali § 37 aus namhaften Schrift-
ſtellern zwey ſehr merkwürdige
Fälle; in einem derſelben hatte
eine Frau ein Kind geboren, und
genau Sechs Monate ſpäter ein
zweytes, das am Leben erhalten
wurde; dieſes war doch gewiß we-
niger als 182 Tage im Mutter-
leibe geweſen. Über die ſehr aus
einander gehenden Meynungen der
Ärzte vgl. Glück B. 28 S. 129 fg.
— Beſonders erfreulich iſt mir
die Übereinſtimmung der hier dar-
gelegten Anſichten mit der Mey-
nung eines der geachtetſten medi-
ciniſchen Schriftſteller: A. Henke
von den Früh- und Spät-Gebur-
ten, Abhandlungen aus dem Ge-
biet der gerichtlichen Medicin B. 3
p. 241—307. Zwar ſtellt er nor-
male Gränzen möglicher Schwan-
gerſchaft auf (p. 265. 284), allein
er räumt ein, daß anomaliſche
Fälle vorkämen, wodurch alle Ge-
wißheit zerſtört werde (p. 271.
292 fg.). Sein Reſultat iſt das
entſchiedendſte Lob der Geſetzge-
bung, namentlich des Römiſchen
Rechts, worin durch poſitive Re-
geln die Unſicherheit individueller
Beurtheilung ausgeſchloſſen wird
(p. 271—274, 303—304). Ins-
beſondere billigt er auch die an-
ſehnliche Ausdehnung des im R.
R. angenommenen Zeitraums.
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