Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Vitalität. hat. Um die schonende Rücksicht gegen die Kindermörde-rinnen zu beseitigen, wodurch die eigentliche Frage nur verdunkelt werden kann, wollen wir annehmen, die Ge- burtshelferin, von habsüchtigen Seitenverwandten gewon- nen, habe das ganz ausgewachsene, unzweifelhaft lebende Kind erdrosselt. Diese muß, nach der eben dargestellten Lehre, vor dem Criminalrichter völlig straflos bleiben, so- bald die Ärzte erklären, das Kind habe einen solchen or- ganischen Fehler gehabt, daß es auch ohne den Zutritt je- ner Handlung nicht lange hätte leben können; sie kann höchstens disciplinarisch von der Medicinalbehörde bestraft werden. -- Andere wollen im Fall der fehlenden Vitalität nur die ordentliche Strafe ausschließen, und auch dieses nur im Fall des eigentlichen Kindermords: an Straflo- sigkeit zu denken, also dem nicht vitalen Kind allen Schutz der Gesetze zu entziehen, sind sie weit entfernt. Dahin gehört besonders Carzov, der eine mildere Behandlung für diesen Fall nur insoweit eintreten läßt, daß die Kin- desmörderin mit einer härteren Strafe als der des Schwer- tes verschont werden könne (q). -- Noch Andere endlich nehmen auf die Lebensfähigkeit gar keine Rüchsicht, so daß sie bey der Tödtung des nicht vitalen Kindes selbst die ordentliche Strafe eintreten lassen (r). -- Nun ist das Ver- (q) Carpzov. pract.rer. crim., quaest. 11. Num. 37--43. Von Neueren gehört dahin Püttmann j. crim. § 339. (r) Dahin gehören Folgende:
Martin Criminalrecht § 107. 122. Hencke Lehrbuch § 165. Jarcke Handbuch B. 3 S. 277. Spangenberg, neues Archiv des Criminalrechts, B. 3 S. 28. -- Es scheint, daß man in dieser Untersuchung nicht immer hinrei- Vitalität. hat. Um die ſchonende Rückſicht gegen die Kindermörde-rinnen zu beſeitigen, wodurch die eigentliche Frage nur verdunkelt werden kann, wollen wir annehmen, die Ge- burtshelferin, von habſüchtigen Seitenverwandten gewon- nen, habe das ganz ausgewachſene, unzweifelhaft lebende Kind erdroſſelt. Dieſe muß, nach der eben dargeſtellten Lehre, vor dem Criminalrichter völlig ſtraflos bleiben, ſo- bald die Ärzte erklären, das Kind habe einen ſolchen or- ganiſchen Fehler gehabt, daß es auch ohne den Zutritt je- ner Handlung nicht lange hätte leben können; ſie kann höchſtens disciplinariſch von der Medicinalbehörde beſtraft werden. — Andere wollen im Fall der fehlenden Vitalität nur die ordentliche Strafe ausſchließen, und auch dieſes nur im Fall des eigentlichen Kindermords: an Straflo- ſigkeit zu denken, alſo dem nicht vitalen Kind allen Schutz der Geſetze zu entziehen, ſind ſie weit entfernt. Dahin gehört beſonders Carzov, der eine mildere Behandlung für dieſen Fall nur inſoweit eintreten läßt, daß die Kin- desmoͤrderin mit einer härteren Strafe als der des Schwer- tes verſchont werden könne (q). — Noch Andere endlich nehmen auf die Lebensfähigkeit gar keine Rüchſicht, ſo daß ſie bey der Tödtung des nicht vitalen Kindes ſelbſt die ordentliche Strafe eintreten laſſen (r). — Nun iſt das Ver- (q) Carpzov. pract.rer. crim., quaest. 11. Num. 37—43. Von Neueren gehört dahin Püttmann j. crim. § 339. (r) Dahin gehören Folgende:
Martin Criminalrecht § 107. 122. Hencke Lehrbuch § 165. Jarcke Handbuch B. 3 S. 277. Spangenberg, neues Archiv des Criminalrechts, B. 3 S. 28. — Es ſcheint, daß man in dieſer Unterſuchung nicht immer hinrei- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0413" n="399"/><fw place="top" type="header">Vitalität.</fw><lb/> hat. Um die ſchonende Rückſicht gegen die Kindermörde-<lb/> rinnen zu beſeitigen, wodurch die eigentliche Frage nur<lb/> verdunkelt werden kann, wollen wir annehmen, die Ge-<lb/> burtshelferin, von habſüchtigen Seitenverwandten gewon-<lb/> nen, habe das ganz ausgewachſene, unzweifelhaft lebende<lb/> Kind erdroſſelt. Dieſe muß, nach der eben dargeſtellten<lb/> Lehre, vor dem Criminalrichter völlig ſtraflos bleiben, ſo-<lb/> bald die Ärzte erklären, das Kind habe einen ſolchen or-<lb/> ganiſchen Fehler gehabt, daß es auch ohne den Zutritt je-<lb/> ner Handlung nicht lange hätte leben können; ſie kann<lb/> höchſtens disciplinariſch von der Medicinalbehörde beſtraft<lb/> werden. — Andere wollen im Fall der fehlenden Vitalität<lb/> nur die ordentliche Strafe ausſchließen, und auch dieſes<lb/> nur im Fall des eigentlichen Kindermords: an Straflo-<lb/> ſigkeit zu denken, alſo dem nicht vitalen Kind allen Schutz<lb/> der Geſetze zu entziehen, ſind ſie weit entfernt. Dahin<lb/> gehört beſonders <hi rendition="#g">Carzov</hi>, der eine mildere Behandlung<lb/> für dieſen Fall nur inſoweit eintreten läßt, daß die Kin-<lb/> desmoͤrderin mit einer härteren Strafe als der des Schwer-<lb/> tes verſchont werden könne <note place="foot" n="(q)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Carpzov</hi>. pract.rer. crim.,<lb/> quaest. 11. Num.</hi> 37—43. Von<lb/> Neueren gehört dahin <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Püttmann</hi><lb/> j. crim.</hi> § 339.</note>. — Noch Andere endlich<lb/> nehmen auf die Lebensfähigkeit gar keine Rüchſicht, ſo daß<lb/> ſie bey der Tödtung des nicht vitalen Kindes ſelbſt die<lb/> ordentliche Strafe eintreten laſſen <note xml:id="seg2pn_71_1" next="#seg2pn_71_2" place="foot" n="(r)">Dahin gehören Folgende:<lb/><hi rendition="#g">Martin</hi> Criminalrecht § 107.<lb/> 122. <hi rendition="#g">Hencke</hi> Lehrbuch § 165.<lb/><hi rendition="#g">Jarcke</hi> Handbuch B. 3 S. 277.<lb/><hi rendition="#g">Spangenberg</hi>, neues Archiv<lb/> des Criminalrechts, B. 3 S. 28.<lb/> — Es ſcheint, daß man in dieſer<lb/> Unterſuchung nicht immer hinrei-</note>. — Nun iſt das Ver-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [399/0413]
Vitalität.
hat. Um die ſchonende Rückſicht gegen die Kindermörde-
rinnen zu beſeitigen, wodurch die eigentliche Frage nur
verdunkelt werden kann, wollen wir annehmen, die Ge-
burtshelferin, von habſüchtigen Seitenverwandten gewon-
nen, habe das ganz ausgewachſene, unzweifelhaft lebende
Kind erdroſſelt. Dieſe muß, nach der eben dargeſtellten
Lehre, vor dem Criminalrichter völlig ſtraflos bleiben, ſo-
bald die Ärzte erklären, das Kind habe einen ſolchen or-
ganiſchen Fehler gehabt, daß es auch ohne den Zutritt je-
ner Handlung nicht lange hätte leben können; ſie kann
höchſtens disciplinariſch von der Medicinalbehörde beſtraft
werden. — Andere wollen im Fall der fehlenden Vitalität
nur die ordentliche Strafe ausſchließen, und auch dieſes
nur im Fall des eigentlichen Kindermords: an Straflo-
ſigkeit zu denken, alſo dem nicht vitalen Kind allen Schutz
der Geſetze zu entziehen, ſind ſie weit entfernt. Dahin
gehört beſonders Carzov, der eine mildere Behandlung
für dieſen Fall nur inſoweit eintreten läßt, daß die Kin-
desmoͤrderin mit einer härteren Strafe als der des Schwer-
tes verſchont werden könne (q). — Noch Andere endlich
nehmen auf die Lebensfähigkeit gar keine Rüchſicht, ſo daß
ſie bey der Tödtung des nicht vitalen Kindes ſelbſt die
ordentliche Strafe eintreten laſſen (r). — Nun iſt das Ver-
(q) Carpzov. pract.rer. crim.,
quaest. 11. Num. 37—43. Von
Neueren gehört dahin Püttmann
j. crim. § 339.
(r) Dahin gehören Folgende:
Martin Criminalrecht § 107.
122. Hencke Lehrbuch § 165.
Jarcke Handbuch B. 3 S. 277.
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— Es ſcheint, daß man in dieſer
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