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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Status und Capitis deminutio.

In dieser (noch blos hypothetischen) Aufzählung aller
denkbaren Status kommt einer derselben zweymal vor: die
Freyheit (oder Abwesenheit des Sklavenstandes) als Grund-
bedingung aller Theilnahme am öffentlichen Recht, und
dann wiederum dieselbe als Gegensatz der Sklaverey, welche
eine eigenthümliche Art der häuslichen Abhängigkeit, also
ein Familienverhältniß bildet. Bey dieser Lage der Sache
war es natürlich, einen dieser beiden Gesichtspunkte als
den überwiegenden zu betrachten. Dann aber mußten zwey
Gründe dahin führen, dieses Übergewicht vielmehr den
staatsrechtlichen als den privatrechtlichen Status zuzuschrei-
ben: erstlich die größere Wichtigkeit des öffentlichen Rechts
überhaupt: zweytens, und noch mehr, die Betrachtung, daß
der Begriff des Sklavenstandes (des Gegensatzes der Frey-
heit) umfassender ist als der Begriff der häuslichen Herr-
schaft über die Sklaven (dominica potestas). Denn der
Sklavenstand umfaßt auch die herrenlosen Sklaven (§ 55. a
und § 65), die dominica potestas nur diejenigen Sklaven,
welche gerade im Eigenthum eines Herrn stehen. Daher
erscheint die staatsrechtliche Auffassung der Freyheit (mit
ihrem Gegensatz, der Sklaverey) schon deshalb als vor-
herrschend, weil durch sie allein der Gegenstand erschöpft
wird, anstatt daß die privatrechtliche Auffassung nur auf
einen einseitigen und unvollständigen Begriff des Sklaven-
standes führt. Von dieser Bemerkung wird weiter unten,
bey der Capitis deminutio, Gebrauch gemacht werden.


Status und Capitis deminutio.

In dieſer (noch blos hypothetiſchen) Aufzählung aller
denkbaren Status kommt einer derſelben zweymal vor: die
Freyheit (oder Abweſenheit des Sklavenſtandes) als Grund-
bedingung aller Theilnahme am öffentlichen Recht, und
dann wiederum dieſelbe als Gegenſatz der Sklaverey, welche
eine eigenthümliche Art der häuslichen Abhängigkeit, alſo
ein Familienverhältniß bildet. Bey dieſer Lage der Sache
war es natürlich, einen dieſer beiden Geſichtspunkte als
den überwiegenden zu betrachten. Dann aber mußten zwey
Gründe dahin führen, dieſes Übergewicht vielmehr den
ſtaatsrechtlichen als den privatrechtlichen Status zuzuſchrei-
ben: erſtlich die größere Wichtigkeit des öffentlichen Rechts
überhaupt: zweytens, und noch mehr, die Betrachtung, daß
der Begriff des Sklavenſtandes (des Gegenſatzes der Frey-
heit) umfaſſender iſt als der Begriff der häuslichen Herr-
ſchaft über die Sklaven (dominica potestas). Denn der
Sklavenſtand umfaßt auch die herrenloſen Sklaven (§ 55. a
und § 65), die dominica potestas nur diejenigen Sklaven,
welche gerade im Eigenthum eines Herrn ſtehen. Daher
erſcheint die ſtaatsrechtliche Auffaſſung der Freyheit (mit
ihrem Gegenſatz, der Sklaverey) ſchon deshalb als vor-
herrſchend, weil durch ſie allein der Gegenſtand erſchoͤpft
wird, anſtatt daß die privatrechtliche Auffaſſung nur auf
einen einſeitigen und unvollſtändigen Begriff des Sklaven-
ſtandes führt. Von dieſer Bemerkung wird weiter unten,
bey der Capitis deminutio, Gebrauch gemacht werden.


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[459/0473] Status und Capitis deminutio. In dieſer (noch blos hypothetiſchen) Aufzählung aller denkbaren Status kommt einer derſelben zweymal vor: die Freyheit (oder Abweſenheit des Sklavenſtandes) als Grund- bedingung aller Theilnahme am öffentlichen Recht, und dann wiederum dieſelbe als Gegenſatz der Sklaverey, welche eine eigenthümliche Art der häuslichen Abhängigkeit, alſo ein Familienverhältniß bildet. Bey dieſer Lage der Sache war es natürlich, einen dieſer beiden Geſichtspunkte als den überwiegenden zu betrachten. Dann aber mußten zwey Gründe dahin führen, dieſes Übergewicht vielmehr den ſtaatsrechtlichen als den privatrechtlichen Status zuzuſchrei- ben: erſtlich die größere Wichtigkeit des öffentlichen Rechts überhaupt: zweytens, und noch mehr, die Betrachtung, daß der Begriff des Sklavenſtandes (des Gegenſatzes der Frey- heit) umfaſſender iſt als der Begriff der häuslichen Herr- ſchaft über die Sklaven (dominica potestas). Denn der Sklavenſtand umfaßt auch die herrenloſen Sklaven (§ 55. a und § 65), die dominica potestas nur diejenigen Sklaven, welche gerade im Eigenthum eines Herrn ſtehen. Daher erſcheint die ſtaatsrechtliche Auffaſſung der Freyheit (mit ihrem Gegenſatz, der Sklaverey) ſchon deshalb als vor- herrſchend, weil durch ſie allein der Gegenſtand erſchoͤpft wird, anſtatt daß die privatrechtliche Auffaſſung nur auf einen einſeitigen und unvollſtändigen Begriff des Sklaven- ſtandes führt. Von dieſer Bemerkung wird weiter unten, bey der Capitis deminutio, Gebrauch gemacht werden.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/473>, abgerufen am 14.06.2024.