Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Status und Capitis deminutio. figeren Sprachgebrauchs liegt jedoch nur in dem zufälli-gen und faktischen Umstand, daß der Rechtsstreit über das Daseyn von Verwandtschaftsverhältnissen ungleich seltner vorkam, als der über Freyheit. Auch dieses aber läßt sich natürlich erklären. Denn theils wurde auf die Ver- hältnisse anerkannt freyer Menschen gewiß mehr Aufmerk- samkeit verwendet, als auf die faktische Verwandtschaft Derjenigen, die im wirklichen oder scheinbaren Sklaven- stand lebten, weshalb jene seltener zweifelhaft und bestrit- ten seyn konnten: theils mußte die Vererbung und Veräu- ßerung der Sklaven, so wie die Fortpflanzung des Skla- venstandes durch die Mutter, Gelegenheit zu häufigen Streitigkeiten geben, wie sie bey den mehr individuellen Familienverhältnissen kaum vorkommen konnten. Endlich kam auch der Streit über Verwandtschaft häufig (vielleicht meistens) gar nicht als selbstständige status quaestio vor, sondern nur als incidens quaestio bey Gelegenheit einer Erbschaftsklage (a1). -- Daß aber von einem Streit über Civität als Status quaestio nicht die Rede ist, erklärt sich aus einem anderen Grunde; darüber kam überhaupt keine Privatklage vor. Eine merkwürdige Bestätigung dieses gewöhnlichen (a1) Vgl. L. 1 C. de ord. jud. (3. 8.). 30*
Status und Capitis deminutio. figeren Sprachgebrauchs liegt jedoch nur in dem zufälli-gen und faktiſchen Umſtand, daß der Rechtsſtreit über das Daſeyn von Verwandtſchaftsverhältniſſen ungleich ſeltner vorkam, als der über Freyheit. Auch dieſes aber läßt ſich natürlich erklären. Denn theils wurde auf die Ver- hältniſſe anerkannt freyer Menſchen gewiß mehr Aufmerk- ſamkeit verwendet, als auf die faktiſche Verwandtſchaft Derjenigen, die im wirklichen oder ſcheinbaren Sklaven- ſtand lebten, weshalb jene ſeltener zweifelhaft und beſtrit- ten ſeyn konnten: theils mußte die Vererbung und Veräu- ßerung der Sklaven, ſo wie die Fortpflanzung des Skla- venſtandes durch die Mutter, Gelegenheit zu häufigen Streitigkeiten geben, wie ſie bey den mehr individuellen Familienverhältniſſen kaum vorkommen konnten. Endlich kam auch der Streit über Verwandtſchaft häufig (vielleicht meiſtens) gar nicht als ſelbſtſtändige status quaestio vor, ſondern nur als incidens quaestio bey Gelegenheit einer Erbſchaftsklage (a¹). — Daß aber von einem Streit über Civität als Status quaestio nicht die Rede iſt, erklärt ſich aus einem anderen Grunde; darüber kam überhaupt keine Privatklage vor. Eine merkwürdige Beſtätigung dieſes gewöhnlichen (a¹) Vgl. L. 1 C. de ord. jud. (3. 8.). 30*
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Status und Capitis deminutio.
figeren Sprachgebrauchs liegt jedoch nur in dem zufälli-
gen und faktiſchen Umſtand, daß der Rechtsſtreit über das
Daſeyn von Verwandtſchaftsverhältniſſen ungleich ſeltner
vorkam, als der über Freyheit. Auch dieſes aber läßt
ſich natürlich erklären. Denn theils wurde auf die Ver-
hältniſſe anerkannt freyer Menſchen gewiß mehr Aufmerk-
ſamkeit verwendet, als auf die faktiſche Verwandtſchaft
Derjenigen, die im wirklichen oder ſcheinbaren Sklaven-
ſtand lebten, weshalb jene ſeltener zweifelhaft und beſtrit-
ten ſeyn konnten: theils mußte die Vererbung und Veräu-
ßerung der Sklaven, ſo wie die Fortpflanzung des Skla-
venſtandes durch die Mutter, Gelegenheit zu häufigen
Streitigkeiten geben, wie ſie bey den mehr individuellen
Familienverhältniſſen kaum vorkommen konnten. Endlich
kam auch der Streit über Verwandtſchaft häufig (vielleicht
meiſtens) gar nicht als ſelbſtſtändige status quaestio vor,
ſondern nur als incidens quaestio bey Gelegenheit einer
Erbſchaftsklage (a¹). — Daß aber von einem Streit über
Civität als Status quaestio nicht die Rede iſt, erklärt ſich
aus einem anderen Grunde; darüber kam überhaupt keine
Privatklage vor.
Eine merkwürdige Beſtätigung dieſes gewöhnlichen
Sprachgebrauchs findet ſich in der aus einem Edict von
Nerva herſtammenden Rechtsregel, daß Fünf Jahre nach
dem Tod eines Menſchen keine nachtheilige Status quae-
(a¹) Vgl. L. 1 C. de ord. jud. (3. 8.).
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