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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Beylage VII.
Folge haben? und eben so, abgesehen von den Personen,
sollte nicht auch auf andere Trauerverletzungen, als durch
die Ehe in der Trauerzeit, die Infamie herbeygeführt
werden?

Ehe ich in unsren Quellen Antwort auf diese Fragen
suche, will ich eine Bemerkung vorausschicken, die der gan-
zen Untersuchung einen festeren Boden bereiten kann. Die
Ehe an sich hat mit der Trauer gar nichts zu schaffen,
und durch sie wird die Trauer gar nicht verletzt. Denn
eine Verletzung der Trauer liegt überhaupt nur in Hand-
lungen und Kennzeichen der Fröhlichkeit, welche allerdings
mit der ernsten Pietät gegen den Verstorbenen im Wider-
spruch stehen (a); die Ehe aber kann in gesammleter Stille
des Gemüths geschlossen werden, und stört dann das An-
denken an den Verstorbenen nicht, welches besonders ein-
leuchtend ist bey der Ehe, die von den verstorbenen
Eltern der Frau selbst gewünscht und herbeygeführt wor-
den war. Bestätigungen dieser Ansicht liegen noch in fol-
genden Umständen. Wäre die Ehe an sich eine Verletzung
der Trauerpflicht gewesen, so hätten die Frauen während
jeder Trauer, namentlich um Eltern und Kinder, eine
vacatio haben müssen, das heißt die Befugniß einstweilen
ehelos zu bleiben, ohne in die gesetzlichen Strafen des

(a) Paulus I. 21 § 14. "Qui
luget, abstinere debet a convi-
viis, ornamentis, purpura, et
alba veste."
Die Stelle ist aus
dem Breviarium: nur das Wort
purpura fehlt in den gewöhnli-
chen Handschriften, und ist aus
dem Cod. Vesontinus zugesetzt,
von dessen Bedenklichkeit weiter
unten die Rede seyn wird.

Beylage VII.
Folge haben? und eben ſo, abgeſehen von den Perſonen,
ſollte nicht auch auf andere Trauerverletzungen, als durch
die Ehe in der Trauerzeit, die Infamie herbeygeführt
werden?

Ehe ich in unſren Quellen Antwort auf dieſe Fragen
ſuche, will ich eine Bemerkung vorausſchicken, die der gan-
zen Unterſuchung einen feſteren Boden bereiten kann. Die
Ehe an ſich hat mit der Trauer gar nichts zu ſchaffen,
und durch ſie wird die Trauer gar nicht verletzt. Denn
eine Verletzung der Trauer liegt überhaupt nur in Hand-
lungen und Kennzeichen der Fröhlichkeit, welche allerdings
mit der ernſten Pietät gegen den Verſtorbenen im Wider-
ſpruch ſtehen (a); die Ehe aber kann in geſammleter Stille
des Gemüths geſchloſſen werden, und ſtört dann das An-
denken an den Verſtorbenen nicht, welches beſonders ein-
leuchtend iſt bey der Ehe, die von den verſtorbenen
Eltern der Frau ſelbſt gewünſcht und herbeygeführt wor-
den war. Beſtätigungen dieſer Anſicht liegen noch in fol-
genden Umſtänden. Wäre die Ehe an ſich eine Verletzung
der Trauerpflicht geweſen, ſo hätten die Frauen während
jeder Trauer, namentlich um Eltern und Kinder, eine
vacatio haben müſſen, das heißt die Befugniß einſtweilen
ehelos zu bleiben, ohne in die geſetzlichen Strafen des

(a) Paulus I. 21 § 14. „Qui
luget, abstinere debet a convi-
viis, ornamentis, purpura, et
alba veste.”
Die Stelle iſt aus
dem Breviarium: nur das Wort
purpura fehlt in den gewöhnli-
chen Handſchriften, und iſt aus
dem Cod. Vesontinus zugeſetzt,
von deſſen Bedenklichkeit weiter
unten die Rede ſeyn wird.
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[532/0546] Beylage VII. Folge haben? und eben ſo, abgeſehen von den Perſonen, ſollte nicht auch auf andere Trauerverletzungen, als durch die Ehe in der Trauerzeit, die Infamie herbeygeführt werden? Ehe ich in unſren Quellen Antwort auf dieſe Fragen ſuche, will ich eine Bemerkung vorausſchicken, die der gan- zen Unterſuchung einen feſteren Boden bereiten kann. Die Ehe an ſich hat mit der Trauer gar nichts zu ſchaffen, und durch ſie wird die Trauer gar nicht verletzt. Denn eine Verletzung der Trauer liegt überhaupt nur in Hand- lungen und Kennzeichen der Fröhlichkeit, welche allerdings mit der ernſten Pietät gegen den Verſtorbenen im Wider- ſpruch ſtehen (a); die Ehe aber kann in geſammleter Stille des Gemüths geſchloſſen werden, und ſtört dann das An- denken an den Verſtorbenen nicht, welches beſonders ein- leuchtend iſt bey der Ehe, die von den verſtorbenen Eltern der Frau ſelbſt gewünſcht und herbeygeführt wor- den war. Beſtätigungen dieſer Anſicht liegen noch in fol- genden Umſtänden. Wäre die Ehe an ſich eine Verletzung der Trauerpflicht geweſen, ſo hätten die Frauen während jeder Trauer, namentlich um Eltern und Kinder, eine vacatio haben müſſen, das heißt die Befugniß einſtweilen ehelos zu bleiben, ohne in die geſetzlichen Strafen des (a) Paulus I. 21 § 14. „Qui luget, abstinere debet a convi- viis, ornamentis, purpura, et alba veste.” Die Stelle iſt aus dem Breviarium: nur das Wort purpura fehlt in den gewöhnli- chen Handſchriften, und iſt aus dem Cod. Vesontinus zugeſetzt, von deſſen Bedenklichkeit weiter unten die Rede ſeyn wird.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/546>, abgerufen am 22.11.2024.