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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Infamie.
Bey der völligen Übereinstimmung dieser Stelle mit dem
erwähnten Senatsschluß ist es unbegreiflich, daß in der-
selben neuere Schriftsteller eine Interpolation der Compi-
latoren wahrzunehmen glauben konnten (d).

Man konnte nunmehr auch das Edict von Neuem än-
dern, und den Fall D wieder wegstreichen. Daß es nicht
geschehen ist, zeigt der in den Vaticanischen Fragmenten
aufbewahrte Text. Der Senatsschluß fiel ohne Zweifel
in eine Zeit, worin Änderungen im Text des Edicts im-
mer seltner wurden, und endlich ganz aufhörten; auch
hatte er selbst so viel Ansehen und Publicität, daß von
der unveränderten Stelle des Edicts kein Misbrauch zu
befürchten war. Blieb aber jene antiquirte Stelle dennoch
im Text des Edicts stehen, so darf es uns auch nicht be-
fremden, daß Paulus oder einer seiner Zeitgenossen sie
noch commentirte. Ohne Zweifel bemerkte er hinterher,
daß der Senat die Infamie für diesen Fall aufgehoben
habe, obgleich diese Bemerkung in dem kleinen Excerpt
aus jenem Commentar zufällig nicht mit vorkommt.

Ganz anders stellte sich die Sache unter Justinian.

ergänzt werden: In früherer Zeit
war die Trauer in einigen Fäl-
len eine strenge Pflicht, und zu-
letzt sogar durch die Strafe der
Infamie geschützt; in anderen
Fällen war sie schon damals bloße
Gewissenssache, namentlich für
trauernde Männer, und bey ver-
storbenen Seitenverwandten (vgl.
Num. VII. d). Seit dem neue-
sten Senatsschluß fallen alle diese
Unterschiede weg, und die Trauer
ist nunmehr, für alle erwähnte
Fälle gleichmäßig, bloße Gewis-
senssache geworden. -- Es ist
durchaus kein Grund vorhanden,
in dieser Stelle irgend eine In-
terpolation anzunehmen.
(d) So z. B. Cujacius, ob-
serv. Lib. 21 C.
12.
35*

Infamie.
Bey der völligen Übereinſtimmung dieſer Stelle mit dem
erwähnten Senatsſchluß iſt es unbegreiflich, daß in der-
ſelben neuere Schriftſteller eine Interpolation der Compi-
latoren wahrzunehmen glauben konnten (d).

Man konnte nunmehr auch das Edict von Neuem än-
dern, und den Fall D wieder wegſtreichen. Daß es nicht
geſchehen iſt, zeigt der in den Vaticaniſchen Fragmenten
aufbewahrte Text. Der Senatsſchluß fiel ohne Zweifel
in eine Zeit, worin Änderungen im Text des Edicts im-
mer ſeltner wurden, und endlich ganz aufhörten; auch
hatte er ſelbſt ſo viel Anſehen und Publicität, daß von
der unveränderten Stelle des Edicts kein Misbrauch zu
befürchten war. Blieb aber jene antiquirte Stelle dennoch
im Text des Edicts ſtehen, ſo darf es uns auch nicht be-
fremden, daß Paulus oder einer ſeiner Zeitgenoſſen ſie
noch commentirte. Ohne Zweifel bemerkte er hinterher,
daß der Senat die Infamie für dieſen Fall aufgehoben
habe, obgleich dieſe Bemerkung in dem kleinen Excerpt
aus jenem Commentar zufällig nicht mit vorkommt.

Ganz anders ſtellte ſich die Sache unter Juſtinian.

ergänzt werden: In früherer Zeit
war die Trauer in einigen Fäl-
len eine ſtrenge Pflicht, und zu-
letzt ſogar durch die Strafe der
Infamie geſchützt; in anderen
Fällen war ſie ſchon damals bloße
Gewiſſensſache, namentlich für
trauernde Männer, und bey ver-
ſtorbenen Seitenverwandten (vgl.
Num. VII. d). Seit dem neue-
ſten Senatsſchluß fallen alle dieſe
Unterſchiede weg, und die Trauer
iſt nunmehr, für alle erwähnte
Fälle gleichmäßig, bloße Gewiſ-
ſensſache geworden. — Es iſt
durchaus kein Grund vorhanden,
in dieſer Stelle irgend eine In-
terpolation anzunehmen.
(d) So z. B. Cujacius, ob-
serv. Lib. 21 C.
12.
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[547/0561] Infamie. Bey der völligen Übereinſtimmung dieſer Stelle mit dem erwähnten Senatsſchluß iſt es unbegreiflich, daß in der- ſelben neuere Schriftſteller eine Interpolation der Compi- latoren wahrzunehmen glauben konnten (d). Man konnte nunmehr auch das Edict von Neuem än- dern, und den Fall D wieder wegſtreichen. Daß es nicht geſchehen iſt, zeigt der in den Vaticaniſchen Fragmenten aufbewahrte Text. Der Senatsſchluß fiel ohne Zweifel in eine Zeit, worin Änderungen im Text des Edicts im- mer ſeltner wurden, und endlich ganz aufhörten; auch hatte er ſelbſt ſo viel Anſehen und Publicität, daß von der unveränderten Stelle des Edicts kein Misbrauch zu befürchten war. Blieb aber jene antiquirte Stelle dennoch im Text des Edicts ſtehen, ſo darf es uns auch nicht be- fremden, daß Paulus oder einer ſeiner Zeitgenoſſen ſie noch commentirte. Ohne Zweifel bemerkte er hinterher, daß der Senat die Infamie für dieſen Fall aufgehoben habe, obgleich dieſe Bemerkung in dem kleinen Excerpt aus jenem Commentar zufällig nicht mit vorkommt. Ganz anders ſtellte ſich die Sache unter Juſtinian. (c) (d) So z. B. Cujacius, ob- serv. Lib. 21 C. 12. (c) ergänzt werden: In früherer Zeit war die Trauer in einigen Fäl- len eine ſtrenge Pflicht, und zu- letzt ſogar durch die Strafe der Infamie geſchützt; in anderen Fällen war ſie ſchon damals bloße Gewiſſensſache, namentlich für trauernde Männer, und bey ver- ſtorbenen Seitenverwandten (vgl. Num. VII. d). Seit dem neue- ſten Senatsſchluß fallen alle dieſe Unterſchiede weg, und die Trauer iſt nunmehr, für alle erwähnte Fälle gleichmäßig, bloße Gewiſ- ſensſache geworden. — Es iſt durchaus kein Grund vorhanden, in dieſer Stelle irgend eine In- terpolation anzunehmen. 35*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/561>, abgerufen am 17.05.2024.