Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. (§ 52). Demnach liegt in dem Zwang eine in das Rechts-gebiet störend eingreifende Unsittlichkeit; sie ist dem Un- recht verwandt, wenngleich kein wirkliches, unmittelbares Unrecht (e). Es ist die Aufgabe des positiven Rechts, diese Unsittlichkeit, durch positive Gegenwirkung, von dem Rechtsgebiet abzuwehren, und genau diese Aufgabe findet sich im Römischen Recht deutlich anerkannt (f). Die sehr mannichfaltigen Mittel zu dieser Abwehr können nur in den einzelnen Theilen des Systems ganz deutlich gemacht werden; hier muß eine allgemeine Übersicht genügen. Es dient zu diesem Zweck erstlich eine besondere Klage; ferner eine Exception gegen die Klage jedes Andern; endlich, wenn diese regelmäßigen Mittel nicht genügen, die Wie- derherstellung des veränderten Rechtszustandes auf dem Wege einer Restitution (g). (e) Der Zwang oder die Dro- hung enthält nicht einmal noth- wendig ein beabsichtigtes, vorbe- reitetes Unrecht, da der Drohende fest entschlossen seyn kann, die Drohung nicht zu vollziehen. Für die rechtliche Wirkung macht Die- ses keinen Unterschied, da die un- gehörige Einwirkung auf den frem- den Willen stets dieselbe bleibt. (f) L. 116 pr. de R. J. (50. 17.). "Nihil consensui tam con- trarium est, qui bonae fidei ju- dicia sustinet, quam vis atque metus: quem comprobare, con- tra bonos mores est." Anstatt qui bonae fidei liest die Floren- tina qui ac b. f., mehrere Hand- schriften lesen qui et b. f. Die hier angenommene bessere Lese- art beruht gleichfalls auf Hand- schriften. -- L. 3 § 1 quod me- tus (4. 2.). ".. vim accipimus ... quae adversus bonos mores fiat." -- L. 1 eod. "Ait Prae- tor: Quod metus causa gestum erit, ratum non habebo." -- L. 21 § 5 eod. (s. o. Note c). (g) Die Behandlung dieses Ge-
genstandes ist in Beziehung auf dingliche Rechte und Obligatio- nen großentheils unzweifelhaft. Mehr bestritten ist die Wirkung solcher Drohungen, wodurch ein letzter Wille veranlaßt wird. Vgl. Glück B. 33 S. 426. Mühlen- Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. (§ 52). Demnach liegt in dem Zwang eine in das Rechts-gebiet ſtörend eingreifende Unſittlichkeit; ſie iſt dem Un- recht verwandt, wenngleich kein wirkliches, unmittelbares Unrecht (e). Es iſt die Aufgabe des poſitiven Rechts, dieſe Unſittlichkeit, durch poſitive Gegenwirkung, von dem Rechtsgebiet abzuwehren, und genau dieſe Aufgabe findet ſich im Römiſchen Recht deutlich anerkannt (f). Die ſehr mannichfaltigen Mittel zu dieſer Abwehr koͤnnen nur in den einzelnen Theilen des Syſtems ganz deutlich gemacht werden; hier muß eine allgemeine Überſicht genügen. Es dient zu dieſem Zweck erſtlich eine beſondere Klage; ferner eine Exception gegen die Klage jedes Andern; endlich, wenn dieſe regelmäßigen Mittel nicht genügen, die Wie- derherſtellung des veränderten Rechtszuſtandes auf dem Wege einer Reſtitution (g). (e) Der Zwang oder die Dro- hung enthält nicht einmal noth- wendig ein beabſichtigtes, vorbe- reitetes Unrecht, da der Drohende feſt entſchloſſen ſeyn kann, die Drohung nicht zu vollziehen. Für die rechtliche Wirkung macht Die- ſes keinen Unterſchied, da die un- gehörige Einwirkung auf den frem- den Willen ſtets dieſelbe bleibt. (f) L. 116 pr. de R. J. (50. 17.). „Nihil consensui tam con- trarium est, qui bonae fidei ju- dicia sustinet, quam vis atque metus: quem comprobare, con- tra bonos mores est.” Anſtatt qui bonae fidei lieſt die Floren- tina qui ac b. f., mehrere Hand- ſchriften leſen qui et b. f. Die hier angenommene beſſere Leſe- art beruht gleichfalls auf Hand- ſchriften. — L. 3 § 1 quod me- tus (4. 2.). „.. vim accipimus … quae adversus bonos mores fiat.” — L. 1 eod. „Ait Prae- tor: Quod metus causa gestum erit, ratum non habebo.” — L. 21 § 5 eod. (ſ. o. Note c). (g) Die Behandlung dieſes Ge-
genſtandes iſt in Beziehung auf dingliche Rechte und Obligatio- nen großentheils unzweifelhaft. Mehr beſtritten iſt die Wirkung ſolcher Drohungen, wodurch ein letzter Wille veranlaßt wird. Vgl. Glück B. 33 S. 426. Mühlen- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0116" n="104"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Entſtehung und Untergang.</fw><lb/> (§ 52). Demnach liegt in dem Zwang eine in das Rechts-<lb/> gebiet ſtörend eingreifende Unſittlichkeit; ſie iſt dem Un-<lb/> recht verwandt, wenngleich kein wirkliches, unmittelbares<lb/> Unrecht <note place="foot" n="(e)">Der Zwang oder die Dro-<lb/> hung enthält nicht einmal noth-<lb/> wendig ein beabſichtigtes, vorbe-<lb/> reitetes Unrecht, da der Drohende<lb/> feſt entſchloſſen ſeyn kann, die<lb/> Drohung nicht zu vollziehen. Für<lb/> die rechtliche Wirkung macht Die-<lb/> ſes keinen Unterſchied, da die un-<lb/> gehörige Einwirkung auf den frem-<lb/> den Willen ſtets dieſelbe bleibt.</note>. Es iſt die Aufgabe des poſitiven Rechts,<lb/> dieſe Unſittlichkeit, durch poſitive Gegenwirkung, von dem<lb/> Rechtsgebiet abzuwehren, und genau dieſe Aufgabe findet<lb/> ſich im Römiſchen Recht deutlich anerkannt <note place="foot" n="(f)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 116 <hi rendition="#i">pr. de R. J.</hi> (50.<lb/> 17.). „Nihil consensui tam con-<lb/> trarium est, qui bonae fidei ju-<lb/> dicia sustinet, quam vis atque<lb/> metus: <hi rendition="#i">quem comprobare, con-<lb/> tra bonos mores est</hi>.”</hi> Anſtatt<lb/><hi rendition="#aq">qui bonae fidei</hi> lieſt die Floren-<lb/> tina <hi rendition="#aq">qui <hi rendition="#i">ac</hi> b. f.,</hi> mehrere Hand-<lb/> ſchriften leſen <hi rendition="#aq">qui <hi rendition="#i">et</hi> b. f.</hi> Die<lb/> hier angenommene beſſere Leſe-<lb/> art beruht gleichfalls auf Hand-<lb/> ſchriften. — <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 3 § 1 <hi rendition="#i">quod me-<lb/> tus</hi> (4. 2.). „.. vim accipimus<lb/> … <hi rendition="#i">quae adversus bonos mores</hi><lb/> fiat.” — <hi rendition="#i">L.</hi> 1 eod. „Ait Prae-<lb/> tor: Quod metus causa gestum<lb/> erit, ratum non habebo.” —<lb/><hi rendition="#i">L.</hi> 21 § 5 eod.</hi> (ſ. o. Note <hi rendition="#aq">c</hi>).</note>. Die ſehr<lb/> mannichfaltigen Mittel zu dieſer Abwehr koͤnnen nur in<lb/> den einzelnen Theilen des Syſtems ganz deutlich gemacht<lb/> werden; hier muß eine allgemeine Überſicht genügen. Es<lb/> dient zu dieſem Zweck erſtlich eine beſondere Klage; ferner<lb/> eine Exception gegen die Klage jedes Andern; endlich,<lb/> wenn dieſe regelmäßigen Mittel nicht genügen, die Wie-<lb/> derherſtellung des veränderten Rechtszuſtandes auf dem<lb/> Wege einer Reſtitution <note xml:id="seg2pn_16_1" next="#seg2pn_16_2" place="foot" n="(g)">Die Behandlung dieſes Ge-<lb/> genſtandes iſt in Beziehung auf<lb/> dingliche Rechte und Obligatio-<lb/> nen großentheils unzweifelhaft.<lb/> Mehr beſtritten iſt die Wirkung<lb/> ſolcher Drohungen, wodurch ein<lb/> letzter Wille veranlaßt wird. Vgl.<lb/><hi rendition="#g">Glück</hi> B. 33 S. 426. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">Mühlen-</hi></hi></note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0116]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
(§ 52). Demnach liegt in dem Zwang eine in das Rechts-
gebiet ſtörend eingreifende Unſittlichkeit; ſie iſt dem Un-
recht verwandt, wenngleich kein wirkliches, unmittelbares
Unrecht (e). Es iſt die Aufgabe des poſitiven Rechts,
dieſe Unſittlichkeit, durch poſitive Gegenwirkung, von dem
Rechtsgebiet abzuwehren, und genau dieſe Aufgabe findet
ſich im Römiſchen Recht deutlich anerkannt (f). Die ſehr
mannichfaltigen Mittel zu dieſer Abwehr koͤnnen nur in
den einzelnen Theilen des Syſtems ganz deutlich gemacht
werden; hier muß eine allgemeine Überſicht genügen. Es
dient zu dieſem Zweck erſtlich eine beſondere Klage; ferner
eine Exception gegen die Klage jedes Andern; endlich,
wenn dieſe regelmäßigen Mittel nicht genügen, die Wie-
derherſtellung des veränderten Rechtszuſtandes auf dem
Wege einer Reſtitution (g).
(e) Der Zwang oder die Dro-
hung enthält nicht einmal noth-
wendig ein beabſichtigtes, vorbe-
reitetes Unrecht, da der Drohende
feſt entſchloſſen ſeyn kann, die
Drohung nicht zu vollziehen. Für
die rechtliche Wirkung macht Die-
ſes keinen Unterſchied, da die un-
gehörige Einwirkung auf den frem-
den Willen ſtets dieſelbe bleibt.
(f) L. 116 pr. de R. J. (50.
17.). „Nihil consensui tam con-
trarium est, qui bonae fidei ju-
dicia sustinet, quam vis atque
metus: quem comprobare, con-
tra bonos mores est.” Anſtatt
qui bonae fidei lieſt die Floren-
tina qui ac b. f., mehrere Hand-
ſchriften leſen qui et b. f. Die
hier angenommene beſſere Leſe-
art beruht gleichfalls auf Hand-
ſchriften. — L. 3 § 1 quod me-
tus (4. 2.). „.. vim accipimus
… quae adversus bonos mores
fiat.” — L. 1 eod. „Ait Prae-
tor: Quod metus causa gestum
erit, ratum non habebo.” —
L. 21 § 5 eod. (ſ. o. Note c).
(g) Die Behandlung dieſes Ge-
genſtandes iſt in Beziehung auf
dingliche Rechte und Obligatio-
nen großentheils unzweifelhaft.
Mehr beſtritten iſt die Wirkung
ſolcher Drohungen, wodurch ein
letzter Wille veranlaßt wird. Vgl.
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