Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.§. 115. Zwang und Irrthum. (Fortsetzung.) Fällen, worin selbst Gewalt als Selbstvertheidigung er-laubt seyn würde, worin also augenblicklich ein Rechts- verhältniß gar nicht vorhanden ist (m). In der Regel wird der Betrug durch positive Thätig- Die Begriffe von Zwang und Betrug, deren Verschie- (m) L. 1 § 2. 3 de dolo (4. 3.) "sicuti faciunt qui ... tuentur vel sua vel aliena" ... "maxi- me, si adversus hostem latro- nemve quis machinetur." (n) L. 43 § 2 L. 35 § 8 de contr. emt. (18. 1.), L. 11 § 5 de act. emti (19. 1.). (o) Nämlich clam und preca-
rio sind nur äußerlich verschie- dene Anwendungen des dolus bey Entziehung des Besitzes. §. 115. Zwang und Irrthum. (Fortſetzung.) Fällen, worin ſelbſt Gewalt als Selbſtvertheidigung er-laubt ſeyn würde, worin alſo augenblicklich ein Rechts- verhältniß gar nicht vorhanden iſt (m). In der Regel wird der Betrug durch poſitive Thätig- Die Begriffe von Zwang und Betrug, deren Verſchie- (m) L. 1 § 2. 3 de dolo (4. 3.) „sicuti faciunt qui … tuentur vel sua vel aliena” … „maxi- me, si adversus hostem latro- nemve quis machinetur.” (n) L. 43 § 2 L. 35 § 8 de contr. emt. (18. 1.), L. 11 § 5 de act. emti (19. 1.). (o) Nämlich clam und preca-
rio ſind nur äußerlich verſchie- dene Anwendungen des dolus bey Entziehung des Beſitzes. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0131" n="119"/><fw place="top" type="header">§. 115. Zwang und Irrthum. (Fortſetzung.)</fw><lb/> Fällen, worin ſelbſt Gewalt als Selbſtvertheidigung er-<lb/> laubt ſeyn würde, worin alſo augenblicklich ein Rechts-<lb/> verhältniß gar nicht vorhanden iſt <note place="foot" n="(m)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 1 § 2. 3 <hi rendition="#i">de dolo</hi> (4. 3.)<lb/> „sicuti faciunt qui … tuentur<lb/> vel sua vel aliena” … „maxi-<lb/> me, si adversus hostem latro-<lb/> nemve quis machinetur.”</hi></note>.</p><lb/> <p>In der Regel wird der Betrug durch poſitive Thätig-<lb/> keit verübt. Er iſt aber auch denkbar durch ein blos lei-<lb/> dendes Verhalten, alſo durch wiſſentliches, ſtillſchweigen-<lb/> des Dulden des fremden Irrthums, den wir nicht ſelbſt<lb/> hervorgebracht haben. Dieſes letzte jedoch nur unter Vor-<lb/> ausſetzung eines ſolchen Vertragsverhältniſſes, worin der<lb/> Andere von uns Offenheit zu erwarten berechtigt iſt, ſo<lb/> daß hier Schweigen und Reden als ein untrennbares<lb/> Ganze betrachtet werden muß <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 43 § 2 <hi rendition="#i">L.</hi> 35 § 8 <hi rendition="#i">de<lb/> contr. emt.</hi> (18. 1.), <hi rendition="#i">L.</hi> 11 § 5<lb/><hi rendition="#i">de act. emti</hi></hi> (19. 1.).</note>.</p><lb/> <p>Die Begriffe von Zwang und Betrug, deren Verſchie-<lb/> denheit und Verwandtſchaft hier nur in Beziehung auf die<lb/> Gültigkeit der Willenserklärungen unterſucht worden iſt,<lb/> kommen auch anderwärts in wichtigen und ausgedehnten<lb/> Anwendungen vor. So in der ſehr alten Zuſammenſtel-<lb/> lung von <hi rendition="#aq">vi, clam, precario</hi> in der Lehre vom Beſitz <note place="foot" n="(o)">Nämlich <hi rendition="#aq">clam</hi> und <hi rendition="#aq">preca-<lb/> rio</hi> ſind nur äußerlich verſchie-<lb/> dene Anwendungen des <hi rendition="#aq">dolus</hi> bey<lb/> Entziehung des Beſitzes.</note>.<lb/> Ganz vorzüglich aber bey den aus Delicten entſpringen-<lb/> den Obligationen, welche großentheils auf jenen Begriffen<lb/> beruhen, und nur vermittelſt der ſcharfen Auffaſſung der-<lb/> ſelben richtig verſtanden werden können. Allerdings iſt in<lb/> dieſen anderen Anwendungen weit mehr von abſolutem,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0131]
§. 115. Zwang und Irrthum. (Fortſetzung.)
Fällen, worin ſelbſt Gewalt als Selbſtvertheidigung er-
laubt ſeyn würde, worin alſo augenblicklich ein Rechts-
verhältniß gar nicht vorhanden iſt (m).
In der Regel wird der Betrug durch poſitive Thätig-
keit verübt. Er iſt aber auch denkbar durch ein blos lei-
dendes Verhalten, alſo durch wiſſentliches, ſtillſchweigen-
des Dulden des fremden Irrthums, den wir nicht ſelbſt
hervorgebracht haben. Dieſes letzte jedoch nur unter Vor-
ausſetzung eines ſolchen Vertragsverhältniſſes, worin der
Andere von uns Offenheit zu erwarten berechtigt iſt, ſo
daß hier Schweigen und Reden als ein untrennbares
Ganze betrachtet werden muß (n).
Die Begriffe von Zwang und Betrug, deren Verſchie-
denheit und Verwandtſchaft hier nur in Beziehung auf die
Gültigkeit der Willenserklärungen unterſucht worden iſt,
kommen auch anderwärts in wichtigen und ausgedehnten
Anwendungen vor. So in der ſehr alten Zuſammenſtel-
lung von vi, clam, precario in der Lehre vom Beſitz (o).
Ganz vorzüglich aber bey den aus Delicten entſpringen-
den Obligationen, welche großentheils auf jenen Begriffen
beruhen, und nur vermittelſt der ſcharfen Auffaſſung der-
ſelben richtig verſtanden werden können. Allerdings iſt in
dieſen anderen Anwendungen weit mehr von abſolutem,
(m) L. 1 § 2. 3 de dolo (4. 3.)
„sicuti faciunt qui … tuentur
vel sua vel aliena” … „maxi-
me, si adversus hostem latro-
nemve quis machinetur.”
(n) L. 43 § 2 L. 35 § 8 de
contr. emt. (18. 1.), L. 11 § 5
de act. emti (19. 1.).
(o) Nämlich clam und preca-
rio ſind nur äußerlich verſchie-
dene Anwendungen des dolus bey
Entziehung des Beſitzes.
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