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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
lung nicht bezweifeln, da sich hier derselbe charakteristische
Unterschied zwischen Verträgen und testamentarischen Ver-
fügungen findet, wie bey den unmöglichen Bedingungen:
Verträge werden durch sie entkräftet, Erbeinsetzungen und
Legate werden in unbedingte verwandelt.

Das Wichtigste jedoch besteht darin, daß jene Gleich-
stellung keinesweges allgemein gilt, sondern nur insofern
sie zur Aufrechthaltung der Sittlichkeit unentbehrlich ist,
das heißt nur
insofern durch die Wirksamkeit einer solchen Bedingung
das Schlechte befördert werden würde.

Diese Beziehung allein ist es, woraus wir mit Sicher-
heit beurtheilen können, in welchen Fällen eine anomalische
Behandlung solcher Bedingungen eintreten oder nicht ein-
treten müsse; die Fiction, daß dem Menschen, vermöge
seiner sittlichen Natur, das Schlechte unmöglich sey, ist
zu dieser sicheren Beurtheilung keinesweges ausreichend,
sie dient nur dazu, den allgemeinen Zusammenhang der
Gedanken anzugeben, unter welchen diese Bedingungen ge-
bracht werden.

Der Hauptfall, in welchem jener Grundsatz zur An-

heres quam Senatus aut Prin-
ceps improbant, testamentum
infirmat patris, ac si conditio
non esset in ejus potestate:

nam quae facta laedunt pieta-
tem, existimationem, verecun-
diam nostram, et ut generali-
ter dixerim, contra bonos mo-
res fiunt: nec facere nos posse
credendum est.
"
Die Stelle ist
von Papinian, aus dessen Munde
diese Worte besonders wohl klin-
gen, da er ihnen durch seinen Tod
treu geblieben ist. -- Unmittelba-
rer ist die Gleichstellung anerkannt
in L. 137 § 6 de verb. oblig.
(45. 1.), s. die folgende Note.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
lung nicht bezweifeln, da ſich hier derſelbe charakteriſtiſche
Unterſchied zwiſchen Verträgen und teſtamentariſchen Ver-
fügungen findet, wie bey den unmöglichen Bedingungen:
Verträge werden durch ſie entkräftet, Erbeinſetzungen und
Legate werden in unbedingte verwandelt.

Das Wichtigſte jedoch beſteht darin, daß jene Gleich-
ſtellung keinesweges allgemein gilt, ſondern nur inſofern
ſie zur Aufrechthaltung der Sittlichkeit unentbehrlich iſt,
das heißt nur
inſofern durch die Wirkſamkeit einer ſolchen Bedingung
das Schlechte befördert werden würde.

Dieſe Beziehung allein iſt es, woraus wir mit Sicher-
heit beurtheilen können, in welchen Fällen eine anomaliſche
Behandlung ſolcher Bedingungen eintreten oder nicht ein-
treten müſſe; die Fiction, daß dem Menſchen, vermöge
ſeiner ſittlichen Natur, das Schlechte unmöglich ſey, iſt
zu dieſer ſicheren Beurtheilung keinesweges ausreichend,
ſie dient nur dazu, den allgemeinen Zuſammenhang der
Gedanken anzugeben, unter welchen dieſe Bedingungen ge-
bracht werden.

Der Hauptfall, in welchem jener Grundſatz zur An-

heres quam Senatus aut Prin-
ceps improbant, testamentum
infirmat patris, ac si conditio
non esset in ejus potestate:

nam quae facta laedunt pieta-
tem, existimationem, verecun-
diam nostram, et ut generali-
ter dixerim, contra bonos mo-
res fiunt: nec facere nos posse
credendum est.
Die Stelle iſt
von Papinian, aus deſſen Munde
dieſe Worte beſonders wohl klin-
gen, da er ihnen durch ſeinen Tod
treu geblieben iſt. — Unmittelba-
rer iſt die Gleichſtellung anerkannt
in L. 137 § 6 de verb. oblig.
(45. 1.), ſ. die folgende Note.
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[172/0184] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. lung nicht bezweifeln, da ſich hier derſelbe charakteriſtiſche Unterſchied zwiſchen Verträgen und teſtamentariſchen Ver- fügungen findet, wie bey den unmöglichen Bedingungen: Verträge werden durch ſie entkräftet, Erbeinſetzungen und Legate werden in unbedingte verwandelt. Das Wichtigſte jedoch beſteht darin, daß jene Gleich- ſtellung keinesweges allgemein gilt, ſondern nur inſofern ſie zur Aufrechthaltung der Sittlichkeit unentbehrlich iſt, das heißt nur inſofern durch die Wirkſamkeit einer ſolchen Bedingung das Schlechte befördert werden würde. Dieſe Beziehung allein iſt es, woraus wir mit Sicher- heit beurtheilen können, in welchen Fällen eine anomaliſche Behandlung ſolcher Bedingungen eintreten oder nicht ein- treten müſſe; die Fiction, daß dem Menſchen, vermöge ſeiner ſittlichen Natur, das Schlechte unmöglich ſey, iſt zu dieſer ſicheren Beurtheilung keinesweges ausreichend, ſie dient nur dazu, den allgemeinen Zuſammenhang der Gedanken anzugeben, unter welchen dieſe Bedingungen ge- bracht werden. Der Hauptfall, in welchem jener Grundſatz zur An- (d) (d) heres quam Senatus aut Prin- ceps improbant, testamentum infirmat patris, ac si conditio non esset in ejus potestate: nam quae facta laedunt pieta- tem, existimationem, verecun- diam nostram, et ut generali- ter dixerim, contra bonos mo- res fiunt: nec facere nos posse credendum est.” Die Stelle iſt von Papinian, aus deſſen Munde dieſe Worte beſonders wohl klin- gen, da er ihnen durch ſeinen Tod treu geblieben iſt. — Unmittelba- rer iſt die Gleichſtellung anerkannt in L. 137 § 6 de verb. oblig. (45. 1.), ſ. die folgende Note.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/184>, abgerufen am 24.11.2024.