Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. umgekehrt der Kalendertag auffassen als ein Ereigniß,nämlich als der Eintritt eben dieses bestimmten Tages, so daß also beide Arten einschränkender Nebenbestimmung oft in einander zu fließen scheinen. Da jedoch für Zeit und Bedingung ganz verschiedene Regeln aufgestellt sind, so ist es vor Allem nöthig, eine scharfe Gränze zwischen beiden zu ziehen. Auf die in den Rechtsgeschäften ge- brauchten Ausdrücke können wir gar nicht bauen, denn obgleich jede unter jenen Nebenbestimmungen ihre eigen- thümlichen Ausdrücke hat, so herrscht doch darin oft eine regellose Abwechslung (d). Die wahre Gränze aber ist dahin zu bestimmen: die Bedingung knüpft sich an ein ungewisses Ereigniß (§ 116), die Zeitbestimmung an ein gewisses. Jeder künftige Kalendertag nämlich ist ohne- hin gewiß; manche Ereignisse aber sind es nicht minder, vorzüglich für jeden Menschen der Tod. Wird also der Anfang eines Rechtsverhältnisses auf die Todeszeit des Berechtigten, oder des Verpflichteten, oder eines Dritten gestellt (cum morietur), so ist dieses im Allgemeinen we- gen der Gewißheit dieses Todes, nicht als Bedingung, sondern als dies anzusehen; und zwar besteht die besondere Regel, daß darunter stets der letzte Augenblick des Lebens, oder die Zeit unmittelbar vor dem Tode zu verstehen ist (e). (d) Bey den Römern werden hier verschiedene Partikeln ge- braucht: si für die Bedingung, cum für den dies. Aber die alten Juristen erkennen selbst die gänzliche Unzuverlässigkeit dieser Ausdrücke. L. 45 § 3 de V. O. (45. 1.). (e) Denn Sterben ist eine Thä-
tigkeit, weshalb nur der noch Le- bende sterben kann, nicht der Todte. L. 18 § 1 L. 61 de man. Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. umgekehrt der Kalendertag auffaſſen als ein Ereigniß,naͤmlich als der Eintritt eben dieſes beſtimmten Tages, ſo daß alſo beide Arten einſchränkender Nebenbeſtimmung oft in einander zu fließen ſcheinen. Da jedoch für Zeit und Bedingung ganz verſchiedene Regeln aufgeſtellt ſind, ſo iſt es vor Allem nöthig, eine ſcharfe Gränze zwiſchen beiden zu ziehen. Auf die in den Rechtsgeſchäften ge- brauchten Ausdrücke können wir gar nicht bauen, denn obgleich jede unter jenen Nebenbeſtimmungen ihre eigen- thümlichen Ausdrücke hat, ſo herrſcht doch darin oft eine regelloſe Abwechslung (d). Die wahre Gränze aber iſt dahin zu beſtimmen: die Bedingung knüpft ſich an ein ungewiſſes Ereigniß (§ 116), die Zeitbeſtimmung an ein gewiſſes. Jeder künftige Kalendertag nämlich iſt ohne- hin gewiß; manche Ereigniſſe aber ſind es nicht minder, vorzüglich für jeden Menſchen der Tod. Wird alſo der Anfang eines Rechtsverhältniſſes auf die Todeszeit des Berechtigten, oder des Verpflichteten, oder eines Dritten geſtellt (cum morietur), ſo iſt dieſes im Allgemeinen we- gen der Gewißheit dieſes Todes, nicht als Bedingung, ſondern als dies anzuſehen; und zwar beſteht die beſondere Regel, daß darunter ſtets der letzte Augenblick des Lebens, oder die Zeit unmittelbar vor dem Tode zu verſtehen iſt (e). (d) Bey den Römern werden hier verſchiedene Partikeln ge- braucht: si für die Bedingung, cum für den dies. Aber die alten Juriſten erkennen ſelbſt die gänzliche Unzuverläſſigkeit dieſer Ausdrücke. L. 45 § 3 de V. O. (45. 1.). (e) Denn Sterben iſt eine Thä-
tigkeit, weshalb nur der noch Le- bende ſterben kann, nicht der Todte. L. 18 § 1 L. 61 de man. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0218" n="206"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Entſtehung und Untergang.</fw><lb/> umgekehrt der Kalendertag auffaſſen als ein Ereigniß,<lb/> naͤmlich als der Eintritt eben dieſes beſtimmten Tages,<lb/> ſo daß alſo beide Arten einſchränkender Nebenbeſtimmung<lb/> oft in einander zu fließen ſcheinen. Da jedoch für Zeit<lb/> und Bedingung ganz verſchiedene Regeln aufgeſtellt ſind,<lb/> ſo iſt es vor Allem nöthig, eine ſcharfe Gränze zwiſchen<lb/> beiden zu ziehen. Auf die in den Rechtsgeſchäften ge-<lb/> brauchten Ausdrücke können wir gar nicht bauen, denn<lb/> obgleich jede unter jenen Nebenbeſtimmungen ihre eigen-<lb/> thümlichen Ausdrücke hat, ſo herrſcht doch darin oft eine<lb/> regelloſe Abwechslung <note place="foot" n="(d)">Bey den Römern werden<lb/> hier verſchiedene Partikeln ge-<lb/> braucht: <hi rendition="#aq">si</hi> für die Bedingung,<lb/><hi rendition="#aq">cum</hi> für den <hi rendition="#aq">dies.</hi> Aber die<lb/> alten Juriſten erkennen ſelbſt die<lb/> gänzliche Unzuverläſſigkeit dieſer<lb/> Ausdrücke. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 45 § 3 <hi rendition="#i">de V. O.</hi></hi><lb/> (45. 1.).</note>. Die wahre Gränze aber iſt<lb/> dahin zu beſtimmen: die Bedingung knüpft ſich an ein<lb/><hi rendition="#g">ungewiſſes</hi> Ereigniß (§ 116), die Zeitbeſtimmung an ein<lb/><hi rendition="#g">gewiſſes</hi>. Jeder künftige Kalendertag nämlich iſt ohne-<lb/> hin gewiß; manche Ereigniſſe aber ſind es nicht minder,<lb/> vorzüglich für jeden Menſchen der Tod. Wird alſo der<lb/> Anfang eines Rechtsverhältniſſes auf die Todeszeit des<lb/> Berechtigten, oder des Verpflichteten, oder eines Dritten<lb/> geſtellt (<hi rendition="#aq">cum morietur</hi>), ſo iſt dieſes im Allgemeinen we-<lb/> gen der Gewißheit dieſes Todes, nicht als Bedingung,<lb/> ſondern als <hi rendition="#aq">dies</hi> anzuſehen; und zwar beſteht die beſondere<lb/> Regel, daß darunter ſtets der letzte Augenblick des Lebens,<lb/> oder die Zeit unmittelbar vor dem Tode zu verſtehen iſt <note xml:id="seg2pn_39_1" next="#seg2pn_39_2" place="foot" n="(e)">Denn Sterben iſt eine Thä-<lb/> tigkeit, weshalb nur der noch Le-<lb/> bende ſterben kann, nicht der<lb/> Todte. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 18 § 1 <hi rendition="#i">L.</hi> 61 <hi rendition="#i">de man.</hi></hi></note>.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [206/0218]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
umgekehrt der Kalendertag auffaſſen als ein Ereigniß,
naͤmlich als der Eintritt eben dieſes beſtimmten Tages,
ſo daß alſo beide Arten einſchränkender Nebenbeſtimmung
oft in einander zu fließen ſcheinen. Da jedoch für Zeit
und Bedingung ganz verſchiedene Regeln aufgeſtellt ſind,
ſo iſt es vor Allem nöthig, eine ſcharfe Gränze zwiſchen
beiden zu ziehen. Auf die in den Rechtsgeſchäften ge-
brauchten Ausdrücke können wir gar nicht bauen, denn
obgleich jede unter jenen Nebenbeſtimmungen ihre eigen-
thümlichen Ausdrücke hat, ſo herrſcht doch darin oft eine
regelloſe Abwechslung (d). Die wahre Gränze aber iſt
dahin zu beſtimmen: die Bedingung knüpft ſich an ein
ungewiſſes Ereigniß (§ 116), die Zeitbeſtimmung an ein
gewiſſes. Jeder künftige Kalendertag nämlich iſt ohne-
hin gewiß; manche Ereigniſſe aber ſind es nicht minder,
vorzüglich für jeden Menſchen der Tod. Wird alſo der
Anfang eines Rechtsverhältniſſes auf die Todeszeit des
Berechtigten, oder des Verpflichteten, oder eines Dritten
geſtellt (cum morietur), ſo iſt dieſes im Allgemeinen we-
gen der Gewißheit dieſes Todes, nicht als Bedingung,
ſondern als dies anzuſehen; und zwar beſteht die beſondere
Regel, daß darunter ſtets der letzte Augenblick des Lebens,
oder die Zeit unmittelbar vor dem Tode zu verſtehen iſt (e).
(d) Bey den Römern werden
hier verſchiedene Partikeln ge-
braucht: si für die Bedingung,
cum für den dies. Aber die
alten Juriſten erkennen ſelbſt die
gänzliche Unzuverläſſigkeit dieſer
Ausdrücke. L. 45 § 3 de V. O.
(45. 1.).
(e) Denn Sterben iſt eine Thä-
tigkeit, weshalb nur der noch Le-
bende ſterben kann, nicht der
Todte. L. 18 § 1 L. 61 de man.
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Zitationshilfe: | Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/218>, abgerufen am 16.02.2025. |