Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
girt, das heißt vermöge einer Rechtsregel als vorhanden anzusehen.
Förmliche Willenserklärungen sind diejenigen, deren Wirksamkeit durch die Beobachtung einer positiv vorge- schriebenen Handlungsweise bedingt ist, die allein als Aus- druck dieses Willens gelten soll; wir nennen sie vorzugs- weise förmlich, weil in ihnen die Form durch positive Rechtsregeln als nothwendig bestimmt ist, anstatt daß sie bey den formlosen der freyen Willkühr der Handelnden über- lassen bleibt. Diese förmlichen Willenserklärungen nehmen vorzüglich im älteren Römischen Recht eine wichtige Stelle ein, und zwar in der besondern Gestalt feyerlicher Hand- lungen, wodurch der eigenthümliche Sinn eines jeden Rechts- verhältnisses symbolisch dargestellt, und so auf sinnliche Weise für die Betheiligten und für Andere zur Anschauung ge- bracht wird. In dieser Art die Rechtsgeschäfte zu behan- deln zeigt sich zunächst ein im Recht thätiger Kunstsinn (a); allein neben dieser ästhetischen Seite der symbolischen Hand- lungen darf auch die praktische nicht übersehen werden. Nichts ist geeigneter, als eine solche symbolische Form, um in dem Handelnden den Zustand gesammelter Besonnenheit zu wecken, der für alle ernsten Geschäfte so wünschenswerth ist. Ferner kommt ein Entschluß über wichtige Dinge sel- ten mit einemmal zur Reife; es pflegt ihm ein Zustand der Unentschiedenheit vorherzugehen, worin die Übergänge
(a) J. Grimm von der Poe- sie im Recht, Zeitschrift für ge- schichtliche Rechtswissenschaft B. 2 Num. II.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
girt, das heißt vermöge einer Rechtsregel als vorhanden anzuſehen.
Förmliche Willenserklärungen ſind diejenigen, deren Wirkſamkeit durch die Beobachtung einer poſitiv vorge- ſchriebenen Handlungsweiſe bedingt iſt, die allein als Aus- druck dieſes Willens gelten ſoll; wir nennen ſie vorzugs- weiſe förmlich, weil in ihnen die Form durch poſitive Rechtsregeln als nothwendig beſtimmt iſt, anſtatt daß ſie bey den formloſen der freyen Willkühr der Handelnden über- laſſen bleibt. Dieſe förmlichen Willenserklärungen nehmen vorzüglich im älteren Römiſchen Recht eine wichtige Stelle ein, und zwar in der beſondern Geſtalt feyerlicher Hand- lungen, wodurch der eigenthümliche Sinn eines jeden Rechts- verhältniſſes ſymboliſch dargeſtellt, und ſo auf ſinnliche Weiſe für die Betheiligten und für Andere zur Anſchauung ge- bracht wird. In dieſer Art die Rechtsgeſchäfte zu behan- deln zeigt ſich zunächſt ein im Recht thätiger Kunſtſinn (a); allein neben dieſer äſthetiſchen Seite der ſymboliſchen Hand- lungen darf auch die praktiſche nicht überſehen werden. Nichts iſt geeigneter, als eine ſolche ſymboliſche Form, um in dem Handelnden den Zuſtand geſammelter Beſonnenheit zu wecken, der für alle ernſten Geſchäfte ſo wünſchenswerth iſt. Ferner kommt ein Entſchluß über wichtige Dinge ſel- ten mit einemmal zur Reife; es pflegt ihm ein Zuſtand der Unentſchiedenheit vorherzugehen, worin die Übergänge
(a) J. Grimm von der Poe- ſie im Recht, Zeitſchrift für ge- ſchichtliche Rechtswiſſenſchaft B. 2 Num. II.
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
girt, das heißt vermöge einer Rechtsregel als vorhanden
anzuſehen.
Förmliche Willenserklärungen ſind diejenigen, deren
Wirkſamkeit durch die Beobachtung einer poſitiv vorge-
ſchriebenen Handlungsweiſe bedingt iſt, die allein als Aus-
druck dieſes Willens gelten ſoll; wir nennen ſie vorzugs-
weiſe förmlich, weil in ihnen die Form durch poſitive
Rechtsregeln als nothwendig beſtimmt iſt, anſtatt daß ſie
bey den formloſen der freyen Willkühr der Handelnden über-
laſſen bleibt. Dieſe förmlichen Willenserklärungen nehmen
vorzüglich im älteren Römiſchen Recht eine wichtige Stelle
ein, und zwar in der beſondern Geſtalt feyerlicher Hand-
lungen, wodurch der eigenthümliche Sinn eines jeden Rechts-
verhältniſſes ſymboliſch dargeſtellt, und ſo auf ſinnliche Weiſe
für die Betheiligten und für Andere zur Anſchauung ge-
bracht wird. In dieſer Art die Rechtsgeſchäfte zu behan-
deln zeigt ſich zunächſt ein im Recht thätiger Kunſtſinn (a);
allein neben dieſer äſthetiſchen Seite der ſymboliſchen Hand-
lungen darf auch die praktiſche nicht überſehen werden.
Nichts iſt geeigneter, als eine ſolche ſymboliſche Form, um
in dem Handelnden den Zuſtand geſammelter Beſonnenheit
zu wecken, der für alle ernſten Geſchäfte ſo wünſchenswerth
iſt. Ferner kommt ein Entſchluß über wichtige Dinge ſel-
ten mit einemmal zur Reife; es pflegt ihm ein Zuſtand
der Unentſchiedenheit vorherzugehen, worin die Übergänge
(a) J. Grimm von der Poe-
ſie im Recht, Zeitſchrift für ge-
ſchichtliche Rechtswiſſenſchaft B. 2
Num. II.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/250>, abgerufen am 21.11.2024.
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