Es darf jedoch nicht verkannt werden, daß diese Be- handlung des erwähnten Falles, so natürlich und billig sie uns oft erscheinen mag, eine künstlichere Natur hat, als die gleiche Behandlung des Error in corpore, bey welchem die Annahme eines wirklichen Willens ganz un- möglich seyn würde. Daher wird sie überhaupt nur da angewendet, wo ein (sicheres oder denkbares) Rechtsin- teresse des Irrenden dadurch zu schützen ist. Daher ist es ferner denkbar, daß jene Behandlung nicht zu allen Zei- ten, auch wohl nicht schlechthin für alle Fälle, statt gefun- den hat. Die nun folgende Aufstellung der Rechtsregeln im Einzelnen wird daher zugleich auf die Ermittlung und Angabe solcher historischen und praktischen Gränzen ge- richtet seyn müssen.
Die einzelnen Stellen, die einen solchen Irrthum für wesentlich, und deshalb den Vertrag für nichtig erklären, betreffen insgesammt den Fall, da ein Käufer über die Gattung der gekauften Waare zu seinem Nachtheil irrt; er kauft nämlich ein Gefäß von Bronze oder Bley für Gold oder Silber, Essig für Wein, eine Sklavin für ei- nen Sklaven. Hier ist überall der Kauf nichtig, der Käu- fer braucht daher nicht zu zahlen, und kann das gezahlte Geld zurückfordern (b). Dieses soll gelten, ohne Unter- schied ob der Verkäufer es besser wußte, oder gleichfalls im Irrthum war (c). Offenbar ist hier an das zunächst
(b)L. 9 § 2 L. 11 pr. § 1 L. 14 L. 41 § 1 de contr. emt. (18. 1.).
(c) Die ersten unter den an- geführten Stellen sprechen von dem Irrthum des Käufers, ohne
§. 138. Error in substantia. (Fortſetzung.)
Es darf jedoch nicht verkannt werden, daß dieſe Be- handlung des erwähnten Falles, ſo natürlich und billig ſie uns oft erſcheinen mag, eine künſtlichere Natur hat, als die gleiche Behandlung des Error in corpore, bey welchem die Annahme eines wirklichen Willens ganz un- möglich ſeyn würde. Daher wird ſie überhaupt nur da angewendet, wo ein (ſicheres oder denkbares) Rechtsin- tereſſe des Irrenden dadurch zu ſchützen iſt. Daher iſt es ferner denkbar, daß jene Behandlung nicht zu allen Zei- ten, auch wohl nicht ſchlechthin für alle Fälle, ſtatt gefun- den hat. Die nun folgende Aufſtellung der Rechtsregeln im Einzelnen wird daher zugleich auf die Ermittlung und Angabe ſolcher hiſtoriſchen und praktiſchen Gränzen ge- richtet ſeyn müſſen.
Die einzelnen Stellen, die einen ſolchen Irrthum für weſentlich, und deshalb den Vertrag für nichtig erklären, betreffen insgeſammt den Fall, da ein Käufer über die Gattung der gekauften Waare zu ſeinem Nachtheil irrt; er kauft nämlich ein Gefäß von Bronze oder Bley für Gold oder Silber, Eſſig für Wein, eine Sklavin für ei- nen Sklaven. Hier iſt überall der Kauf nichtig, der Käu- fer braucht daher nicht zu zahlen, und kann das gezahlte Geld zurückfordern (b). Dieſes ſoll gelten, ohne Unter- ſchied ob der Verkäufer es beſſer wußte, oder gleichfalls im Irrthum war (c). Offenbar iſt hier an das zunächſt
(b)L. 9 § 2 L. 11 pr. § 1 L. 14 L. 41 § 1 de contr. emt. (18. 1.).
(c) Die erſten unter den an- geführten Stellen ſprechen von dem Irrthum des Käufers, ohne
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§. 138. Error in substantia. (Fortſetzung.)
Es darf jedoch nicht verkannt werden, daß dieſe Be-
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ſie uns oft erſcheinen mag, eine künſtlichere Natur hat,
als die gleiche Behandlung des Error in corpore, bey
welchem die Annahme eines wirklichen Willens ganz un-
möglich ſeyn würde. Daher wird ſie überhaupt nur da
angewendet, wo ein (ſicheres oder denkbares) Rechtsin-
tereſſe des Irrenden dadurch zu ſchützen iſt. Daher iſt es
ferner denkbar, daß jene Behandlung nicht zu allen Zei-
ten, auch wohl nicht ſchlechthin für alle Fälle, ſtatt gefun-
den hat. Die nun folgende Aufſtellung der Rechtsregeln
im Einzelnen wird daher zugleich auf die Ermittlung und
Angabe ſolcher hiſtoriſchen und praktiſchen Gränzen ge-
richtet ſeyn müſſen.
Die einzelnen Stellen, die einen ſolchen Irrthum für
weſentlich, und deshalb den Vertrag für nichtig erklären,
betreffen insgeſammt den Fall, da ein Käufer über die
Gattung der gekauften Waare zu ſeinem Nachtheil irrt;
er kauft nämlich ein Gefäß von Bronze oder Bley für
Gold oder Silber, Eſſig für Wein, eine Sklavin für ei-
nen Sklaven. Hier iſt überall der Kauf nichtig, der Käu-
fer braucht daher nicht zu zahlen, und kann das gezahlte
Geld zurückfordern (b). Dieſes ſoll gelten, ohne Unter-
ſchied ob der Verkäufer es beſſer wußte, oder gleichfalls
im Irrthum war (c). Offenbar iſt hier an das zunächſt
(b) L. 9 § 2 L. 11 pr. § 1
L. 14 L. 41 § 1 de contr. emt.
(18. 1.).
(c) Die erſten unter den an-
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dem Irrthum des Käufers, ohne
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/305>, abgerufen am 21.11.2024.
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