Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 140. Vertrag.
tung auf ein Rechtsverhältniß ist noch nicht hinreichend.
Wenn die Mitglieder eines Gerichtshofs, nach langen De-
batten, über ein Urtheil sich einigen, so finden sich alle
bisher angegebene Merkmale, auch ein Rechtsverhältniß ist
Zweck des Beschlusses, und dennoch ist kein Vertrag an-
zunehmen. Der Grund liegt darin, daß das Rechtsver-
hältniß ihnen fremd, nicht wie bey dem Kaufcontract ihr
eigenes ist.

Die angegebenen Merkmale lassen sich in folgenden Be-
griff zusammenfassen. Vertrag ist die Vereinigung Meh-
rerer zu einer übereinstimmenden Willenserklärung, wodurch
ihre Rechtsverhältnisse bestimmt werden. -- Dieser Begriff
enthält eine einzelne Anwendung des allgemeineren, oben
dargestellten Begriffs der Willenserklärung. Er unterschei-
det sich als einzelne Art von dieser seiner Gattung durch
das Merkmal der Vereinigung mehrerer Willen zu einem
einzigen, ganzen ungetheilten Willen, anstatt daß die Wil-
lenserklärung überhaupt auch von einer einzelnen Person
ausgehen kann.

Unter den zu diesem Begriff zusammengefaßten Merk-
malen ist nur eines einer näheren Erwägung bedürftig,
da gerade hierin der Sitz mancher Misverständnisse ist:
das Merkmal des Rechtsverhältnisses. Es fragt sich näm-
lich, ob Rechtsverhältnisse aller Art, oder etwa nur eine
einzelne Art derselben, Gegenstand des Vertrages seyn
können. Von dieser Seite nun müssen wir für den ange-
gebenen Begriff die ausgedehnteste Anwendbarkeit in An-

§. 140. Vertrag.
tung auf ein Rechtsverhältniß iſt noch nicht hinreichend.
Wenn die Mitglieder eines Gerichtshofs, nach langen De-
batten, über ein Urtheil ſich einigen, ſo finden ſich alle
bisher angegebene Merkmale, auch ein Rechtsverhältniß iſt
Zweck des Beſchluſſes, und dennoch iſt kein Vertrag an-
zunehmen. Der Grund liegt darin, daß das Rechtsver-
hältniß ihnen fremd, nicht wie bey dem Kaufcontract ihr
eigenes iſt.

Die angegebenen Merkmale laſſen ſich in folgenden Be-
griff zuſammenfaſſen. Vertrag iſt die Vereinigung Meh-
rerer zu einer übereinſtimmenden Willenserklärung, wodurch
ihre Rechtsverhältniſſe beſtimmt werden. — Dieſer Begriff
enthält eine einzelne Anwendung des allgemeineren, oben
dargeſtellten Begriffs der Willenserklärung. Er unterſchei-
det ſich als einzelne Art von dieſer ſeiner Gattung durch
das Merkmal der Vereinigung mehrerer Willen zu einem
einzigen, ganzen ungetheilten Willen, anſtatt daß die Wil-
lenserklärung überhaupt auch von einer einzelnen Perſon
ausgehen kann.

Unter den zu dieſem Begriff zuſammengefaßten Merk-
malen iſt nur eines einer näheren Erwägung bedürftig,
da gerade hierin der Sitz mancher Misverſtändniſſe iſt:
das Merkmal des Rechtsverhältniſſes. Es fragt ſich näm-
lich, ob Rechtsverhältniſſe aller Art, oder etwa nur eine
einzelne Art derſelben, Gegenſtand des Vertrages ſeyn
können. Von dieſer Seite nun müſſen wir für den ange-
gebenen Begriff die ausgedehnteſte Anwendbarkeit in An-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0321" n="309"/><fw place="top" type="header">§. 140. Vertrag.</fw><lb/>
tung auf ein Rechtsverhältniß i&#x017F;t noch nicht hinreichend.<lb/>
Wenn die Mitglieder eines Gerichtshofs, nach langen De-<lb/>
batten, über ein Urtheil &#x017F;ich einigen, &#x017F;o finden &#x017F;ich alle<lb/>
bisher angegebene Merkmale, auch ein Rechtsverhältniß i&#x017F;t<lb/>
Zweck des Be&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;es, und dennoch i&#x017F;t kein Vertrag an-<lb/>
zunehmen. Der Grund liegt darin, daß das Rechtsver-<lb/>
hältniß ihnen fremd, nicht wie bey dem Kaufcontract ihr<lb/>
eigenes i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Die angegebenen Merkmale la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich in folgenden Be-<lb/>
griff zu&#x017F;ammenfa&#x017F;&#x017F;en. Vertrag i&#x017F;t die Vereinigung Meh-<lb/>
rerer zu einer überein&#x017F;timmenden Willenserklärung, wodurch<lb/>
ihre Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e be&#x017F;timmt werden. &#x2014; Die&#x017F;er Begriff<lb/>
enthält eine einzelne Anwendung des allgemeineren, oben<lb/>
darge&#x017F;tellten Begriffs der Willenserklärung. Er unter&#x017F;chei-<lb/>
det &#x017F;ich als einzelne Art von die&#x017F;er &#x017F;einer Gattung durch<lb/>
das Merkmal der Vereinigung mehrerer Willen zu einem<lb/>
einzigen, ganzen ungetheilten Willen, an&#x017F;tatt daß die Wil-<lb/>
lenserklärung überhaupt auch von einer einzelnen Per&#x017F;on<lb/>
ausgehen kann.</p><lb/>
            <p>Unter den zu die&#x017F;em Begriff zu&#x017F;ammengefaßten Merk-<lb/>
malen i&#x017F;t nur eines einer näheren Erwägung bedürftig,<lb/>
da gerade hierin der Sitz mancher Misver&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;e i&#x017F;t:<lb/>
das Merkmal des Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;es. Es fragt &#x017F;ich näm-<lb/>
lich, ob Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e aller Art, oder etwa nur eine<lb/>
einzelne Art der&#x017F;elben, Gegen&#x017F;tand des Vertrages &#x017F;eyn<lb/>
können. Von die&#x017F;er Seite nun mü&#x017F;&#x017F;en wir für den ange-<lb/>
gebenen Begriff die ausgedehnte&#x017F;te Anwendbarkeit in An-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0321] §. 140. Vertrag. tung auf ein Rechtsverhältniß iſt noch nicht hinreichend. Wenn die Mitglieder eines Gerichtshofs, nach langen De- batten, über ein Urtheil ſich einigen, ſo finden ſich alle bisher angegebene Merkmale, auch ein Rechtsverhältniß iſt Zweck des Beſchluſſes, und dennoch iſt kein Vertrag an- zunehmen. Der Grund liegt darin, daß das Rechtsver- hältniß ihnen fremd, nicht wie bey dem Kaufcontract ihr eigenes iſt. Die angegebenen Merkmale laſſen ſich in folgenden Be- griff zuſammenfaſſen. Vertrag iſt die Vereinigung Meh- rerer zu einer übereinſtimmenden Willenserklärung, wodurch ihre Rechtsverhältniſſe beſtimmt werden. — Dieſer Begriff enthält eine einzelne Anwendung des allgemeineren, oben dargeſtellten Begriffs der Willenserklärung. Er unterſchei- det ſich als einzelne Art von dieſer ſeiner Gattung durch das Merkmal der Vereinigung mehrerer Willen zu einem einzigen, ganzen ungetheilten Willen, anſtatt daß die Wil- lenserklärung überhaupt auch von einer einzelnen Perſon ausgehen kann. Unter den zu dieſem Begriff zuſammengefaßten Merk- malen iſt nur eines einer näheren Erwägung bedürftig, da gerade hierin der Sitz mancher Misverſtändniſſe iſt: das Merkmal des Rechtsverhältniſſes. Es fragt ſich näm- lich, ob Rechtsverhältniſſe aller Art, oder etwa nur eine einzelne Art derſelben, Gegenſtand des Vertrages ſeyn können. Von dieſer Seite nun müſſen wir für den ange- gebenen Begriff die ausgedehnteſte Anwendbarkeit in An-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/321
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/321>, abgerufen am 21.11.2024.