tung auf ein Rechtsverhältniß ist noch nicht hinreichend. Wenn die Mitglieder eines Gerichtshofs, nach langen De- batten, über ein Urtheil sich einigen, so finden sich alle bisher angegebene Merkmale, auch ein Rechtsverhältniß ist Zweck des Beschlusses, und dennoch ist kein Vertrag an- zunehmen. Der Grund liegt darin, daß das Rechtsver- hältniß ihnen fremd, nicht wie bey dem Kaufcontract ihr eigenes ist.
Die angegebenen Merkmale lassen sich in folgenden Be- griff zusammenfassen. Vertrag ist die Vereinigung Meh- rerer zu einer übereinstimmenden Willenserklärung, wodurch ihre Rechtsverhältnisse bestimmt werden. -- Dieser Begriff enthält eine einzelne Anwendung des allgemeineren, oben dargestellten Begriffs der Willenserklärung. Er unterschei- det sich als einzelne Art von dieser seiner Gattung durch das Merkmal der Vereinigung mehrerer Willen zu einem einzigen, ganzen ungetheilten Willen, anstatt daß die Wil- lenserklärung überhaupt auch von einer einzelnen Person ausgehen kann.
Unter den zu diesem Begriff zusammengefaßten Merk- malen ist nur eines einer näheren Erwägung bedürftig, da gerade hierin der Sitz mancher Misverständnisse ist: das Merkmal des Rechtsverhältnisses. Es fragt sich näm- lich, ob Rechtsverhältnisse aller Art, oder etwa nur eine einzelne Art derselben, Gegenstand des Vertrages seyn können. Von dieser Seite nun müssen wir für den ange- gebenen Begriff die ausgedehnteste Anwendbarkeit in An-
§. 140. Vertrag.
tung auf ein Rechtsverhältniß iſt noch nicht hinreichend. Wenn die Mitglieder eines Gerichtshofs, nach langen De- batten, über ein Urtheil ſich einigen, ſo finden ſich alle bisher angegebene Merkmale, auch ein Rechtsverhältniß iſt Zweck des Beſchluſſes, und dennoch iſt kein Vertrag an- zunehmen. Der Grund liegt darin, daß das Rechtsver- hältniß ihnen fremd, nicht wie bey dem Kaufcontract ihr eigenes iſt.
Die angegebenen Merkmale laſſen ſich in folgenden Be- griff zuſammenfaſſen. Vertrag iſt die Vereinigung Meh- rerer zu einer übereinſtimmenden Willenserklärung, wodurch ihre Rechtsverhältniſſe beſtimmt werden. — Dieſer Begriff enthält eine einzelne Anwendung des allgemeineren, oben dargeſtellten Begriffs der Willenserklärung. Er unterſchei- det ſich als einzelne Art von dieſer ſeiner Gattung durch das Merkmal der Vereinigung mehrerer Willen zu einem einzigen, ganzen ungetheilten Willen, anſtatt daß die Wil- lenserklärung überhaupt auch von einer einzelnen Perſon ausgehen kann.
Unter den zu dieſem Begriff zuſammengefaßten Merk- malen iſt nur eines einer näheren Erwägung bedürftig, da gerade hierin der Sitz mancher Misverſtändniſſe iſt: das Merkmal des Rechtsverhältniſſes. Es fragt ſich näm- lich, ob Rechtsverhältniſſe aller Art, oder etwa nur eine einzelne Art derſelben, Gegenſtand des Vertrages ſeyn können. Von dieſer Seite nun müſſen wir für den ange- gebenen Begriff die ausgedehnteſte Anwendbarkeit in An-
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§. 140. Vertrag.
tung auf ein Rechtsverhältniß iſt noch nicht hinreichend.
Wenn die Mitglieder eines Gerichtshofs, nach langen De-
batten, über ein Urtheil ſich einigen, ſo finden ſich alle
bisher angegebene Merkmale, auch ein Rechtsverhältniß iſt
Zweck des Beſchluſſes, und dennoch iſt kein Vertrag an-
zunehmen. Der Grund liegt darin, daß das Rechtsver-
hältniß ihnen fremd, nicht wie bey dem Kaufcontract ihr
eigenes iſt.
Die angegebenen Merkmale laſſen ſich in folgenden Be-
griff zuſammenfaſſen. Vertrag iſt die Vereinigung Meh-
rerer zu einer übereinſtimmenden Willenserklärung, wodurch
ihre Rechtsverhältniſſe beſtimmt werden. — Dieſer Begriff
enthält eine einzelne Anwendung des allgemeineren, oben
dargeſtellten Begriffs der Willenserklärung. Er unterſchei-
det ſich als einzelne Art von dieſer ſeiner Gattung durch
das Merkmal der Vereinigung mehrerer Willen zu einem
einzigen, ganzen ungetheilten Willen, anſtatt daß die Wil-
lenserklärung überhaupt auch von einer einzelnen Perſon
ausgehen kann.
Unter den zu dieſem Begriff zuſammengefaßten Merk-
malen iſt nur eines einer näheren Erwägung bedürftig,
da gerade hierin der Sitz mancher Misverſtändniſſe iſt:
das Merkmal des Rechtsverhältniſſes. Es fragt ſich näm-
lich, ob Rechtsverhältniſſe aller Art, oder etwa nur eine
einzelne Art derſelben, Gegenſtand des Vertrages ſeyn
können. Von dieſer Seite nun müſſen wir für den ange-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/321>, abgerufen am 21.11.2024.
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