Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.§. 141. Vertrag. (Fortsetzung.) weil dieses widersinnig wäre; aber er wird bey ihr dieseMomente nicht aus dem wahren Grund und nicht im rechten Zusammenhang anerkennen, und dadurch wird un- vermeidlich die Einsicht in das Wesen eines Rechtsver- hältnisses verkümmert. Eben so wird er die Ehe entweder gar nicht als Vertrag ansehen, und daraus wird ihm der- selbe Nachtheil entstehen, welcher so eben bey der Tradi- tion bemerkt worden ist; oder er wird genöthigt seyn, sie unter die obligatorischen Verträge aufzunehmen, wie man sie denn in der That als einen neuen, von den Römern seltsamerweise nicht beachteten, Consensualcontract neben den Kauf und die Societät zu stellen versucht hat (c). Dadurch aber wird das Wesen der Ehe im höchsten Grad entstellt, ja herabgewürdigt. Die hier, im Widerstreit mit der herrschenden Ansicht, aufgestellte Behauptung geht also keinesweges blos auf die Berichtigung eines Sprachge- brauchs; denn daß die Römer die Ausdrücke Pactio, Pac- tum und Conventio, von anderen als den obligatorischen Verträgen wirklich gebraucht haben, wird von mir gar nicht behauptet, und der Umfang, in welchem man unsren Deutschen Kunstausdruck gebrauchen will, ist an sich nicht von Erheblichkeit. Wichtig aber ist es, daß das Gemein- same, wodurch die Ehe, die Tradition u. s. w. mit den obligatorischen Verträgen verwandt sind, bestimmt aner- (c) Langsdorf de pactis
et contractibus Romanorum, Mannhemii 1777. 4. § 73. Er sieht freylich die Ehe nicht als einen besonderen Consensualcon- tract an, sondern geradezu als eine Art der Societät. §. 141. Vertrag. (Fortſetzung.) weil dieſes widerſinnig wäre; aber er wird bey ihr dieſeMomente nicht aus dem wahren Grund und nicht im rechten Zuſammenhang anerkennen, und dadurch wird un- vermeidlich die Einſicht in das Weſen eines Rechtsver- hältniſſes verkümmert. Eben ſo wird er die Ehe entweder gar nicht als Vertrag anſehen, und daraus wird ihm der- ſelbe Nachtheil entſtehen, welcher ſo eben bey der Tradi- tion bemerkt worden iſt; oder er wird genöthigt ſeyn, ſie unter die obligatoriſchen Verträge aufzunehmen, wie man ſie denn in der That als einen neuen, von den Römern ſeltſamerweiſe nicht beachteten, Conſenſualcontract neben den Kauf und die Societät zu ſtellen verſucht hat (c). Dadurch aber wird das Weſen der Ehe im höchſten Grad entſtellt, ja herabgewürdigt. Die hier, im Widerſtreit mit der herrſchenden Anſicht, aufgeſtellte Behauptung geht alſo keinesweges blos auf die Berichtigung eines Sprachge- brauchs; denn daß die Römer die Ausdrücke Pactio, Pac- tum und Conventio, von anderen als den obligatoriſchen Verträgen wirklich gebraucht haben, wird von mir gar nicht behauptet, und der Umfang, in welchem man unſren Deutſchen Kunſtausdruck gebrauchen will, iſt an ſich nicht von Erheblichkeit. Wichtig aber iſt es, daß das Gemein- ſame, wodurch die Ehe, die Tradition u. ſ. w. mit den obligatoriſchen Verträgen verwandt ſind, beſtimmt aner- (c) Langsdorf de pactis
et contractibus Romanorum, Mannhemii 1777. 4. § 73. Er ſieht freylich die Ehe nicht als einen beſonderen Conſenſualcon- tract an, ſondern geradezu als eine Art der Societät. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0329" n="317"/><fw place="top" type="header">§. 141. Vertrag. (Fortſetzung.)</fw><lb/> weil dieſes widerſinnig wäre; aber er wird bey ihr dieſe<lb/> Momente nicht aus dem wahren Grund und nicht im<lb/> rechten Zuſammenhang anerkennen, und dadurch wird un-<lb/> vermeidlich die Einſicht in das Weſen eines Rechtsver-<lb/> hältniſſes verkümmert. Eben ſo wird er die Ehe entweder<lb/> gar nicht als Vertrag anſehen, und daraus wird ihm der-<lb/> ſelbe Nachtheil entſtehen, welcher ſo eben bey der Tradi-<lb/> tion bemerkt worden iſt; oder er wird genöthigt ſeyn, ſie<lb/> unter die obligatoriſchen Verträge aufzunehmen, wie man<lb/> ſie denn in der That als einen neuen, von den Römern<lb/> ſeltſamerweiſe nicht beachteten, Conſenſualcontract neben<lb/> den Kauf und die Societät zu ſtellen verſucht hat <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Langsdorf</hi> de pactis<lb/> et contractibus Romanorum,<lb/> Mannhemii</hi> 1777. 4. § 73. Er<lb/> ſieht freylich die Ehe nicht als<lb/> einen beſonderen Conſenſualcon-<lb/> tract an, ſondern geradezu als<lb/> eine Art der Societät.</note>.<lb/> Dadurch aber wird das Weſen der Ehe im höchſten Grad<lb/> entſtellt, ja herabgewürdigt. Die hier, im Widerſtreit mit<lb/> der herrſchenden Anſicht, aufgeſtellte Behauptung geht alſo<lb/> keinesweges blos auf die Berichtigung eines Sprachge-<lb/> brauchs; denn daß die Römer die Ausdrücke <hi rendition="#aq">Pactio, Pac-<lb/> tum</hi> und <hi rendition="#aq">Conventio,</hi> von anderen als den obligatoriſchen<lb/> Verträgen wirklich gebraucht haben, wird von mir gar<lb/> nicht behauptet, und der Umfang, in welchem man unſren<lb/> Deutſchen Kunſtausdruck gebrauchen will, iſt an ſich nicht<lb/> von Erheblichkeit. Wichtig aber iſt es, daß das Gemein-<lb/> ſame, wodurch die Ehe, die Tradition u. ſ. w. mit den<lb/> obligatoriſchen Verträgen verwandt ſind, beſtimmt aner-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [317/0329]
§. 141. Vertrag. (Fortſetzung.)
weil dieſes widerſinnig wäre; aber er wird bey ihr dieſe
Momente nicht aus dem wahren Grund und nicht im
rechten Zuſammenhang anerkennen, und dadurch wird un-
vermeidlich die Einſicht in das Weſen eines Rechtsver-
hältniſſes verkümmert. Eben ſo wird er die Ehe entweder
gar nicht als Vertrag anſehen, und daraus wird ihm der-
ſelbe Nachtheil entſtehen, welcher ſo eben bey der Tradi-
tion bemerkt worden iſt; oder er wird genöthigt ſeyn, ſie
unter die obligatoriſchen Verträge aufzunehmen, wie man
ſie denn in der That als einen neuen, von den Römern
ſeltſamerweiſe nicht beachteten, Conſenſualcontract neben
den Kauf und die Societät zu ſtellen verſucht hat (c).
Dadurch aber wird das Weſen der Ehe im höchſten Grad
entſtellt, ja herabgewürdigt. Die hier, im Widerſtreit mit
der herrſchenden Anſicht, aufgeſtellte Behauptung geht alſo
keinesweges blos auf die Berichtigung eines Sprachge-
brauchs; denn daß die Römer die Ausdrücke Pactio, Pac-
tum und Conventio, von anderen als den obligatoriſchen
Verträgen wirklich gebraucht haben, wird von mir gar
nicht behauptet, und der Umfang, in welchem man unſren
Deutſchen Kunſtausdruck gebrauchen will, iſt an ſich nicht
von Erheblichkeit. Wichtig aber iſt es, daß das Gemein-
ſame, wodurch die Ehe, die Tradition u. ſ. w. mit den
obligatoriſchen Verträgen verwandt ſind, beſtimmt aner-
(c) Langsdorf de pactis
et contractibus Romanorum,
Mannhemii 1777. 4. § 73. Er
ſieht freylich die Ehe nicht als
einen beſonderen Conſenſualcon-
tract an, ſondern geradezu als
eine Art der Societät.
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