Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.§. 141. Vertrag. (Fortsetzung.) Der Grund, der uns bey dem Staat bestimmte, das Da-seyn eines Vertrags zu verneinen, fällt bey der Ehe ganz hinweg. Bey dem Staat kann die Willkühr als Entste- hungsgrund nicht für Wahrheit gelten, nur für eine Fic- tion; bey der Ehe ist es unzweifelhaft, daß es von der freyesten Willkühr jedes der beiden Gatten abhängt, diese Ehe zu schließen oder zu unterlassen. oben gezeigt worden, für das im Einzelnen durchgeführte Rechts- system nicht gleichgültig; im Zu- sammenhang der Lehre von He- gel ist es sehr unerheblich, ob man dem Ausdruck Vertrag eine engere oder weitere Bedeu- tung unterlegt, wie er denn auch in der angeführten Stelle nur wenige Worte daran wendet, die Vertragsnatur der Ehe abzuwei- sen. Worauf es ihm ankam, war der entschiedene Widerspruch ge- gen Kants Ansicht, worin ich ihm völlig beystimme. Mit seiner ei- genen, nicht genug zu lobenden, Darstellung der Ehe (§ 161--164) ist die hier vertheidigte Auffassung derselben als eines wahren Ver- trags völlig vereinbar. Sehr be- stimmt und befriedigend ist die Vertragsnatur der Ehe dargestellt von Hasse, Güterrecht der Ehe- gatten § 31. III. 21
§. 141. Vertrag. (Fortſetzung.) Der Grund, der uns bey dem Staat beſtimmte, das Da-ſeyn eines Vertrags zu verneinen, fällt bey der Ehe ganz hinweg. Bey dem Staat kann die Willkühr als Entſte- hungsgrund nicht für Wahrheit gelten, nur für eine Fic- tion; bey der Ehe iſt es unzweifelhaft, daß es von der freyeſten Willkühr jedes der beiden Gatten abhängt, dieſe Ehe zu ſchließen oder zu unterlaſſen. oben gezeigt worden, für das im Einzelnen durchgeführte Rechts- ſyſtem nicht gleichgültig; im Zu- ſammenhang der Lehre von He- gel iſt es ſehr unerheblich, ob man dem Ausdruck Vertrag eine engere oder weitere Bedeu- tung unterlegt, wie er denn auch in der angeführten Stelle nur wenige Worte daran wendet, die Vertragsnatur der Ehe abzuwei- ſen. Worauf es ihm ankam, war der entſchiedene Widerſpruch ge- gen Kants Anſicht, worin ich ihm völlig beyſtimme. Mit ſeiner ei- genen, nicht genug zu lobenden, Darſtellung der Ehe (§ 161—164) iſt die hier vertheidigte Auffaſſung derſelben als eines wahren Ver- trags völlig vereinbar. Sehr be- ſtimmt und befriedigend iſt die Vertragsnatur der Ehe dargeſtellt von Haſſe, Güterrecht der Ehe- gatten § 31. III. 21
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§. 141. Vertrag. (Fortſetzung.)
Der Grund, der uns bey dem Staat beſtimmte, das Da-
ſeyn eines Vertrags zu verneinen, fällt bey der Ehe ganz
hinweg. Bey dem Staat kann die Willkühr als Entſte-
hungsgrund nicht für Wahrheit gelten, nur für eine Fic-
tion; bey der Ehe iſt es unzweifelhaft, daß es von der
freyeſten Willkühr jedes der beiden Gatten abhängt, dieſe
Ehe zu ſchließen oder zu unterlaſſen.
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(f) oben gezeigt worden, für das im
Einzelnen durchgeführte Rechts-
ſyſtem nicht gleichgültig; im Zu-
ſammenhang der Lehre von He-
gel iſt es ſehr unerheblich, ob
man dem Ausdruck Vertrag
eine engere oder weitere Bedeu-
tung unterlegt, wie er denn auch
in der angeführten Stelle nur
wenige Worte daran wendet, die
Vertragsnatur der Ehe abzuwei-
ſen. Worauf es ihm ankam, war
der entſchiedene Widerſpruch ge-
gen Kants Anſicht, worin ich ihm
völlig beyſtimme. Mit ſeiner ei-
genen, nicht genug zu lobenden,
Darſtellung der Ehe (§ 161—164)
iſt die hier vertheidigte Auffaſſung
derſelben als eines wahren Ver-
trags völlig vereinbar. Sehr be-
ſtimmt und befriedigend iſt die
Vertragsnatur der Ehe dargeſtellt
von Haſſe, Güterrecht der Ehe-
gatten § 31.
III. 21
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