Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.Beylage VIII. gung und Vermittlung, so daß man sagen kann, es gebekeine Usucapion ohne Irrthum (b). -- Es kann nun nicht die Absicht seyn, hier die ganze Lehre der Usucapion vor- zutragen; allein das Verhältniß derselben zum Irrthum muß hier allerdings vollständig dargestellt werden. Es wird sich zeigen, daß die über den Irrthum oben aufge- stellten Regeln bey der Usucapion sehr rein angewendet, und mit vorzüglicher Sorgfalt ausgebildet worden sind. XV. Soll sich nun diese Behauptung bewähren, so muß der (b) Damit dieser Satz nicht
misverstanden werde, ist eine zwiefache Erinnerung nöthig. Erst- lich kannte das ältere Recht zwey ganz verschiedene Anwendungen des Usucapionsprincips, indem da- durch sowohl das in bonis, als die davon ganz verschiedene b. f. possessio in vollständiges Eigen- thum verwandelt werden konnte. (Gajus Lib. 2 § 41--44). Un- ser Satz gilt blos für die zweyte Anwendung, gar nicht für die erste; allein diese erste Anwen- dung ist auch überhaupt im Ju- stinianischen Recht völlig ver- schwunden, so daß nunmehr un- ser Satz allgemein wahr gewor- den ist. -- Zweytens ist der Satz allerdings nur wahr da wo die Usucapion vollständig wirkt, näm- lich in der That Eigenthum dem Einen nimmt, dem Andern giebt. Praktisch stellt sich die Sache oft ganz anders, indem die Usuca- pion vielleicht nur den fehlenden Beweis des wirklich schon vor- handenen Eigenthums ersetzt, in welchem Fall allerdings kein Irr- thum vorhanden ist. Die weitere Ausführung dieser Ansicht gehört an einen andern Ort. Beylage VIII. gung und Vermittlung, ſo daß man ſagen kann, es gebekeine Uſucapion ohne Irrthum (b). — Es kann nun nicht die Abſicht ſeyn, hier die ganze Lehre der Uſucapion vor- zutragen; allein das Verhältniß derſelben zum Irrthum muß hier allerdings vollſtändig dargeſtellt werden. Es wird ſich zeigen, daß die über den Irrthum oben aufge- ſtellten Regeln bey der Uſucapion ſehr rein angewendet, und mit vorzüglicher Sorgfalt ausgebildet worden ſind. XV. Soll ſich nun dieſe Behauptung bewähren, ſo muß der (b) Damit dieſer Satz nicht
misverſtanden werde, iſt eine zwiefache Erinnerung nöthig. Erſt- lich kannte das ältere Recht zwey ganz verſchiedene Anwendungen des Uſucapionsprincips, indem da- durch ſowohl das in bonis, als die davon ganz verſchiedene b. f. possessio in vollſtändiges Eigen- thum verwandelt werden konnte. (Gajus Lib. 2 § 41—44). Un- ſer Satz gilt blos für die zweyte Anwendung, gar nicht für die erſte; allein dieſe erſte Anwen- dung iſt auch überhaupt im Ju- ſtinianiſchen Recht völlig ver- ſchwunden, ſo daß nunmehr un- ſer Satz allgemein wahr gewor- den iſt. — Zweytens iſt der Satz allerdings nur wahr da wo die Uſucapion vollſtändig wirkt, näm- lich in der That Eigenthum dem Einen nimmt, dem Andern giebt. Praktiſch ſtellt ſich die Sache oft ganz anders, indem die Uſuca- pion vielleicht nur den fehlenden Beweis des wirklich ſchon vor- handenen Eigenthums erſetzt, in welchem Fall allerdings kein Irr- thum vorhanden iſt. Die weitere Ausführung dieſer Anſicht gehört an einen andern Ort. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0382" n="370"/><fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">VIII.</hi></fw><lb/> gung und Vermittlung, ſo daß man ſagen kann, es gebe<lb/> keine Uſucapion ohne Irrthum <note place="foot" n="(b)">Damit dieſer Satz nicht<lb/> misverſtanden werde, iſt eine<lb/> zwiefache Erinnerung nöthig. Erſt-<lb/> lich kannte das ältere Recht zwey<lb/> ganz verſchiedene Anwendungen<lb/> des Uſucapionsprincips, indem da-<lb/> durch ſowohl das <hi rendition="#aq">in bonis,</hi> als<lb/> die davon ganz verſchiedene <hi rendition="#aq">b. f.<lb/> possessio</hi> in vollſtändiges Eigen-<lb/> thum verwandelt werden konnte.<lb/> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Gajus</hi> Lib. 2 § 41—44</hi>). Un-<lb/> ſer Satz gilt blos für die zweyte<lb/> Anwendung, gar nicht für die<lb/> erſte; allein dieſe erſte Anwen-<lb/> dung iſt auch überhaupt im Ju-<lb/> ſtinianiſchen Recht völlig ver-<lb/> ſchwunden, ſo daß nunmehr un-<lb/> ſer Satz allgemein wahr gewor-<lb/> den iſt. — Zweytens iſt der Satz<lb/> allerdings nur wahr da wo die<lb/> Uſucapion vollſtändig wirkt, näm-<lb/> lich in der That Eigenthum dem<lb/> Einen nimmt, dem Andern giebt.<lb/> Praktiſch ſtellt ſich die Sache oft<lb/> ganz anders, indem die Uſuca-<lb/> pion vielleicht nur den fehlenden<lb/> Beweis des wirklich ſchon vor-<lb/> handenen Eigenthums erſetzt, in<lb/> welchem Fall allerdings kein Irr-<lb/> thum vorhanden iſt. Die weitere<lb/> Ausführung dieſer Anſicht gehört<lb/> an einen andern Ort.</note>. — Es kann nun nicht<lb/> die Abſicht ſeyn, hier die ganze Lehre der Uſucapion vor-<lb/> zutragen; allein das Verhältniß derſelben zum Irrthum<lb/> muß hier allerdings vollſtändig dargeſtellt werden. Es<lb/> wird ſich zeigen, daß die über den Irrthum oben aufge-<lb/> ſtellten Regeln bey der Uſucapion ſehr rein angewendet,<lb/> und mit vorzüglicher Sorgfalt ausgebildet worden ſind.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">XV.</hi> </head><lb/> <p>Soll ſich nun dieſe Behauptung bewähren, ſo muß der<lb/> zur Uſucapion geeignete Irrthum erſtlich ein factiſcher,<lb/> und zweytens ein durch die Umſtände gerechtfertigter, alſo<lb/> nicht leichtſinniger Irrthum ſeyn. Gerade dieſe zwey For-<lb/> derungen ſind es aber, die der ganzen Lehre der Uſuca-<lb/> pion zum Grunde liegen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [370/0382]
Beylage VIII.
gung und Vermittlung, ſo daß man ſagen kann, es gebe
keine Uſucapion ohne Irrthum (b). — Es kann nun nicht
die Abſicht ſeyn, hier die ganze Lehre der Uſucapion vor-
zutragen; allein das Verhältniß derſelben zum Irrthum
muß hier allerdings vollſtändig dargeſtellt werden. Es
wird ſich zeigen, daß die über den Irrthum oben aufge-
ſtellten Regeln bey der Uſucapion ſehr rein angewendet,
und mit vorzüglicher Sorgfalt ausgebildet worden ſind.
XV.
Soll ſich nun dieſe Behauptung bewähren, ſo muß der
zur Uſucapion geeignete Irrthum erſtlich ein factiſcher,
und zweytens ein durch die Umſtände gerechtfertigter, alſo
nicht leichtſinniger Irrthum ſeyn. Gerade dieſe zwey For-
derungen ſind es aber, die der ganzen Lehre der Uſuca-
pion zum Grunde liegen.
(b) Damit dieſer Satz nicht
misverſtanden werde, iſt eine
zwiefache Erinnerung nöthig. Erſt-
lich kannte das ältere Recht zwey
ganz verſchiedene Anwendungen
des Uſucapionsprincips, indem da-
durch ſowohl das in bonis, als
die davon ganz verſchiedene b. f.
possessio in vollſtändiges Eigen-
thum verwandelt werden konnte.
(Gajus Lib. 2 § 41—44). Un-
ſer Satz gilt blos für die zweyte
Anwendung, gar nicht für die
erſte; allein dieſe erſte Anwen-
dung iſt auch überhaupt im Ju-
ſtinianiſchen Recht völlig ver-
ſchwunden, ſo daß nunmehr un-
ſer Satz allgemein wahr gewor-
den iſt. — Zweytens iſt der Satz
allerdings nur wahr da wo die
Uſucapion vollſtändig wirkt, näm-
lich in der That Eigenthum dem
Einen nimmt, dem Andern giebt.
Praktiſch ſtellt ſich die Sache oft
ganz anders, indem die Uſuca-
pion vielleicht nur den fehlenden
Beweis des wirklich ſchon vor-
handenen Eigenthums erſetzt, in
welchem Fall allerdings kein Irr-
thum vorhanden iſt. Die weitere
Ausführung dieſer Anſicht gehört
an einen andern Ort.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |