Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.Irrthum und Unwissenheit. Ehe dieses bewiesen werden kann, muß zuvor unter- (a) Man kann umgekehrt fra- gen, ob das auf Irrthum beru- hende unredliche Bewußtseyn die Usucapion hindert. Es hindert, wenn es auf einem Rechtsirr- thum beruht (L. 32 § 1 de usurp. 41. 3.), aber nicht im Fall des factischen Irrthums. L. 25 de don. int. vir. (24. 1.), L. 3 pro don. (41. 6.). Vgl. das System § 156. (b) Man könnte diese Unter- scheidung für eine leere Subtili- tät halten, da doch eben nach unsrer Darstellung der Titel Nichts seyn soll, als die Recht- fertigung der bona fides, so daß beide Momente als ein unge- trenntes Ganze erscheinen. Allein sie wird praktisch wichtig bey der außerordentlichen Usucapion, in welcher der dreyßigjährige Besitz den Titel ersetzt und entbehrlich macht (L. 8 § 1 C. de praescr. XXX. 7. 39.). Hier bleibt die bona fides als einziges Erfor- derniß bey dem Anfang des Be- sitzes übrig, und der Rechtsirr- thum macht dabey kein Hinderniß 24*
Irrthum und Unwiſſenheit. Ehe dieſes bewieſen werden kann, muß zuvor unter- (a) Man kann umgekehrt fra- gen, ob das auf Irrthum beru- hende unredliche Bewußtſeyn die Uſucapion hindert. Es hindert, wenn es auf einem Rechtsirr- thum beruht (L. 32 § 1 de usurp. 41. 3.), aber nicht im Fall des factiſchen Irrthums. L. 25 de don. int. vir. (24. 1.), L. 3 pro don. (41. 6.). Vgl. das Syſtem § 156. (b) Man könnte dieſe Unter- ſcheidung für eine leere Subtili- tät halten, da doch eben nach unſrer Darſtellung der Titel Nichts ſeyn ſoll, als die Recht- fertigung der bona fides, ſo daß beide Momente als ein unge- trenntes Ganze erſcheinen. Allein ſie wird praktiſch wichtig bey der außerordentlichen Uſucapion, in welcher der dreyßigjährige Beſitz den Titel erſetzt und entbehrlich macht (L. 8 § 1 C. de praescr. XXX. 7. 39.). Hier bleibt die bona fides als einziges Erfor- derniß bey dem Anfang des Be- ſitzes übrig, und der Rechtsirr- thum macht dabey kein Hinderniß 24*
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Irrthum und Unwiſſenheit.
Ehe dieſes bewieſen werden kann, muß zuvor unter-
ſucht werden, welche Elemente der Uſucapion eigentlich in
Verbindung mit dem Irrthum gedacht werden müſſen.
Die Uſucapion hat zwey poſitive Bedingungen: redliches
Bewußtſeyn, und Daſeyn eines Rechtstitels. Das erſte
iſt eine Thatſache, auf deren bloßes Daſeyn die Art ihrer
Entſtehung keinen Einfluß hat. Mag alſo auch ein Rechts-
irrthum, oder ein leichtſinniger factiſcher, zum Grunde
liegen, das redliche Bewußtſeyn iſt darum nicht minder
vorhanden (a); allein zur Uſucapion taugt der Irrthum
nur, wenn er gerechtfertigt iſt, und dieſe Rechtfertigung
eben wird durch die Forderung des Titels ausgedrückt.
Inſofern kann man ſagen, die Nothwendigkeit beſonderer
Eigenſchaften des Irrthums beziehe ſich nicht auf die bona
fides, ſondern auf den Titel (b). Über das Verhältniß
aber der bona fides zum Titel muß hier noch Folgendes
hinzugefügt werden. Der Titel dient nicht nur dazu, die
(a) Man kann umgekehrt fra-
gen, ob das auf Irrthum beru-
hende unredliche Bewußtſeyn die
Uſucapion hindert. Es hindert,
wenn es auf einem Rechtsirr-
thum beruht (L. 32 § 1 de usurp.
41. 3.), aber nicht im Fall des
factiſchen Irrthums. L. 25 de
don. int. vir. (24. 1.), L. 3 pro
don. (41. 6.). Vgl. das Syſtem
§ 156.
(b) Man könnte dieſe Unter-
ſcheidung für eine leere Subtili-
tät halten, da doch eben nach
unſrer Darſtellung der Titel
Nichts ſeyn ſoll, als die Recht-
fertigung der bona fides, ſo daß
beide Momente als ein unge-
trenntes Ganze erſcheinen. Allein
ſie wird praktiſch wichtig bey der
außerordentlichen Uſucapion, in
welcher der dreyßigjährige Beſitz
den Titel erſetzt und entbehrlich
macht (L. 8 § 1 C. de praescr.
XXX. 7. 39.). Hier bleibt die
bona fides als einziges Erfor-
derniß bey dem Anfang des Be-
ſitzes übrig, und der Rechtsirr-
thum macht dabey kein Hinderniß
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