Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 107. Altersstufen. Infantes.
punkt plötzlich entstehe. Sie wird also wohl auch schon
einige Zeit vorher (prope pubertatem) vorhanden seyn,
und es hat kein Bedenken, auch schon in dieser Zeit den
Unmündigen, der jetzt proximus pubertati ist, selbst han-
deln zu lassen, wenn nur dafür gesorgt wird, daß er da-
bey nicht zu Schaden komme. Diese Gefahr aber wird
sicher verhütet, wenn man den Unmündigen nur diejeni-
gen Geschäfte, bey welchen nichts zu verlieren ist (wie
das Stipulari), allein vornehmen läßt, bey bedenklichen
Geschäften aber (wie das Promittere) die Genehmigung
des Tutors erfordert. Darin lag dann eine ganz unge-
fährliche Erleichterung des Verkehrs, in Beziehung auf die
oben dargestellte Schwierigkeit, und diese Erleichterung ha-
ben die Römer wirklich anerkannt, wobey wohl zu bemer-
ken ist, daß sie Dieses nicht als eine Abweichung von all-
gemeinen Grundsätzen ansehen, sondern als Etwas, das
sich eigentlich von selbst verstehe.

Allein genügend war diese Abhülfe nicht, da sie nur
einen so kurzen Zeitraum umfaßte. Man that also einen
zweyten und wichtigeren Schritt, indem man annahm, der
Unmündige solle auch schon früher, also noch ehe man ihm
Geschäftseinsicht zuschreiben konnte, dennoch selbst handeln
dürfen: versteht sich mit den schon erwähnten schützenden
Maasregeln, so daß er allein handeln sollte nur wo kein
Verlust möglich war, sonst aber stets mit Genehmigung
seines Tutors. Es ist wohl zu bemerken, daß die Römer
diesen zweyten, wichtigeren Schritt als Etwas ansahen,

§. 107. Altersſtufen. Infantes.
punkt plötzlich entſtehe. Sie wird alſo wohl auch ſchon
einige Zeit vorher (prope pubertatem) vorhanden ſeyn,
und es hat kein Bedenken, auch ſchon in dieſer Zeit den
Unmündigen, der jetzt proximus pubertati iſt, ſelbſt han-
deln zu laſſen, wenn nur dafür geſorgt wird, daß er da-
bey nicht zu Schaden komme. Dieſe Gefahr aber wird
ſicher verhütet, wenn man den Unmündigen nur diejeni-
gen Geſchäfte, bey welchen nichts zu verlieren iſt (wie
das Stipulari), allein vornehmen läßt, bey bedenklichen
Geſchäften aber (wie das Promittere) die Genehmigung
des Tutors erfordert. Darin lag dann eine ganz unge-
fährliche Erleichterung des Verkehrs, in Beziehung auf die
oben dargeſtellte Schwierigkeit, und dieſe Erleichterung ha-
ben die Roͤmer wirklich anerkannt, wobey wohl zu bemer-
ken iſt, daß ſie Dieſes nicht als eine Abweichung von all-
gemeinen Grundſätzen anſehen, ſondern als Etwas, das
ſich eigentlich von ſelbſt verſtehe.

Allein genügend war dieſe Abhülfe nicht, da ſie nur
einen ſo kurzen Zeitraum umfaßte. Man that alſo einen
zweyten und wichtigeren Schritt, indem man annahm, der
Unmündige ſolle auch ſchon früher, alſo noch ehe man ihm
Geſchäftseinſicht zuſchreiben konnte, dennoch ſelbſt handeln
dürfen: verſteht ſich mit den ſchon erwähnten ſchützenden
Maasregeln, ſo daß er allein handeln ſollte nur wo kein
Verluſt möglich war, ſonſt aber ſtets mit Genehmigung
ſeines Tutors. Es iſt wohl zu bemerken, daß die Römer
dieſen zweyten, wichtigeren Schritt als Etwas anſahen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0039" n="27"/><fw place="top" type="header">§. 107. Alters&#x017F;tufen. <hi rendition="#aq">Infantes.</hi></fw><lb/>
punkt plötzlich ent&#x017F;tehe. Sie wird al&#x017F;o wohl auch &#x017F;chon<lb/>
einige Zeit vorher <hi rendition="#aq">(prope pubertatem)</hi> vorhanden &#x017F;eyn,<lb/>
und es hat kein Bedenken, auch &#x017F;chon in die&#x017F;er Zeit den<lb/>
Unmündigen, der jetzt <hi rendition="#aq">proximus pubertati</hi> i&#x017F;t, &#x017F;elb&#x017F;t han-<lb/>
deln zu la&#x017F;&#x017F;en, wenn nur dafür ge&#x017F;orgt wird, daß er da-<lb/>
bey nicht zu Schaden komme. Die&#x017F;e Gefahr aber wird<lb/>
&#x017F;icher verhütet, wenn man den Unmündigen nur diejeni-<lb/>
gen Ge&#x017F;chäfte, bey welchen nichts zu verlieren i&#x017F;t (wie<lb/>
das <hi rendition="#aq">Stipulari</hi>), allein vornehmen läßt, bey bedenklichen<lb/>
Ge&#x017F;chäften aber (wie das <hi rendition="#aq">Promittere</hi>) die Genehmigung<lb/>
des Tutors erfordert. Darin lag dann eine ganz unge-<lb/>
fährliche Erleichterung des Verkehrs, in Beziehung auf die<lb/>
oben darge&#x017F;tellte Schwierigkeit, und die&#x017F;e Erleichterung ha-<lb/>
ben die Ro&#x0364;mer wirklich anerkannt, wobey wohl zu bemer-<lb/>
ken i&#x017F;t, daß &#x017F;ie Die&#x017F;es nicht als eine Abweichung von all-<lb/>
gemeinen Grund&#x017F;ätzen an&#x017F;ehen, &#x017F;ondern als Etwas, das<lb/>
&#x017F;ich eigentlich von &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;tehe.</p><lb/>
            <p>Allein genügend war die&#x017F;e Abhülfe nicht, da &#x017F;ie nur<lb/>
einen &#x017F;o kurzen Zeitraum umfaßte. Man that al&#x017F;o einen<lb/>
zweyten und wichtigeren Schritt, indem man annahm, der<lb/>
Unmündige &#x017F;olle auch &#x017F;chon früher, al&#x017F;o noch ehe man ihm<lb/>
Ge&#x017F;chäftsein&#x017F;icht zu&#x017F;chreiben konnte, dennoch &#x017F;elb&#x017F;t handeln<lb/>
dürfen: ver&#x017F;teht &#x017F;ich mit den &#x017F;chon erwähnten &#x017F;chützenden<lb/>
Maasregeln, &#x017F;o daß er allein handeln &#x017F;ollte nur wo kein<lb/>
Verlu&#x017F;t möglich war, &#x017F;on&#x017F;t aber &#x017F;tets mit Genehmigung<lb/>
&#x017F;eines Tutors. Es i&#x017F;t wohl zu bemerken, daß die Römer<lb/>
die&#x017F;en zweyten, wichtigeren Schritt als Etwas an&#x017F;ahen,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0039] §. 107. Altersſtufen. Infantes. punkt plötzlich entſtehe. Sie wird alſo wohl auch ſchon einige Zeit vorher (prope pubertatem) vorhanden ſeyn, und es hat kein Bedenken, auch ſchon in dieſer Zeit den Unmündigen, der jetzt proximus pubertati iſt, ſelbſt han- deln zu laſſen, wenn nur dafür geſorgt wird, daß er da- bey nicht zu Schaden komme. Dieſe Gefahr aber wird ſicher verhütet, wenn man den Unmündigen nur diejeni- gen Geſchäfte, bey welchen nichts zu verlieren iſt (wie das Stipulari), allein vornehmen läßt, bey bedenklichen Geſchäften aber (wie das Promittere) die Genehmigung des Tutors erfordert. Darin lag dann eine ganz unge- fährliche Erleichterung des Verkehrs, in Beziehung auf die oben dargeſtellte Schwierigkeit, und dieſe Erleichterung ha- ben die Roͤmer wirklich anerkannt, wobey wohl zu bemer- ken iſt, daß ſie Dieſes nicht als eine Abweichung von all- gemeinen Grundſätzen anſehen, ſondern als Etwas, das ſich eigentlich von ſelbſt verſtehe. Allein genügend war dieſe Abhülfe nicht, da ſie nur einen ſo kurzen Zeitraum umfaßte. Man that alſo einen zweyten und wichtigeren Schritt, indem man annahm, der Unmündige ſolle auch ſchon früher, alſo noch ehe man ihm Geſchäftseinſicht zuſchreiben konnte, dennoch ſelbſt handeln dürfen: verſteht ſich mit den ſchon erwähnten ſchützenden Maasregeln, ſo daß er allein handeln ſollte nur wo kein Verluſt möglich war, ſonſt aber ſtets mit Genehmigung ſeines Tutors. Es iſt wohl zu bemerken, daß die Römer dieſen zweyten, wichtigeren Schritt als Etwas anſahen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/39
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/39>, abgerufen am 03.12.2024.