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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Beylage VIII.
XX.

In Anwendung auf Delicte (a) erscheint die Lehre vom
Irrthum auf folgende eigenthümliche Weise.

Es giebt Delicte, deren Begriff zunächst nur auf die
Erscheinung eines äußeren Ereignisses gegründet ist, so daß
dabey die Freyheit des Handelnden zwar auch als nöthig,
aber doch als untergeordnet erscheint. Bey diesen ist Do-
lus und Culpa strafbar; so bey dem Todschlag, obgleich
mit verschiedenem Grade der Strafbarkeit: so auch bey
der actio legis Aquiliae, bey welcher selbst die Höhe der
Strafe von jenem Unterschied unabhängig ist. -- Dagegen
giebt es andere Delicte, zu deren Begriff und Thatbestand
der rechtswidrige Wille, also auch das Bewußtseyn der
Rechtsverletzung, gehört, so daß in dessen Ermanglung
gar kein Delict vorhanden ist. Bey diesen kann es nicht
einmal einen Unterschied machen, ob der den Dolus aus-
schließende Irrthum durch die Umstände gerechtfertigt ist
oder nicht, also auch ob er factisch oder ein Rechtsirrthum
ist. Denn der Dolus ist eine Thatsache, deren Daseyn
durch den Irrthum jeder Art ausgeschlossen wird.


(a) Ich gebrauche hier der
Kürze wegen diesen Ausdruck,
und verstehe darunter sowohl das
öffentliche Verbrechen (crimen),
als das Privatdelict, das heißt
die Rechtsverletzung, welche im
Privatrecht die eigenthümliche
Wirkung einer actio quae poe-
nae causa
datur
hervorbringt;
es mag nun diese Klage zum
Inhalt haben eine Strafe (wie
die furti actio), oder bloßen
Schadensersatz (wie die doli ac-
tio
), oder beides zugleich (wie vi
bonorum raptorum
). Beide Fälle
hier zusammen zu fassen, wird
dadurch nothwendig, daß die Be-
handlung des Irrthums in beiden
völlig dieselbe ist.
Beylage VIII.
XX.

In Anwendung auf Delicte (a) erſcheint die Lehre vom
Irrthum auf folgende eigenthümliche Weiſe.

Es giebt Delicte, deren Begriff zunächſt nur auf die
Erſcheinung eines äußeren Ereigniſſes gegründet iſt, ſo daß
dabey die Freyheit des Handelnden zwar auch als nöthig,
aber doch als untergeordnet erſcheint. Bey dieſen iſt Do-
lus und Culpa ſtrafbar; ſo bey dem Todſchlag, obgleich
mit verſchiedenem Grade der Strafbarkeit: ſo auch bey
der actio legis Aquiliae, bey welcher ſelbſt die Höhe der
Strafe von jenem Unterſchied unabhängig iſt. — Dagegen
giebt es andere Delicte, zu deren Begriff und Thatbeſtand
der rechtswidrige Wille, alſo auch das Bewußtſeyn der
Rechtsverletzung, gehört, ſo daß in deſſen Ermanglung
gar kein Delict vorhanden iſt. Bey dieſen kann es nicht
einmal einen Unterſchied machen, ob der den Dolus aus-
ſchließende Irrthum durch die Umſtände gerechtfertigt iſt
oder nicht, alſo auch ob er factiſch oder ein Rechtsirrthum
iſt. Denn der Dolus iſt eine Thatſache, deren Daſeyn
durch den Irrthum jeder Art ausgeſchloſſen wird.


(a) Ich gebrauche hier der
Kürze wegen dieſen Ausdruck,
und verſtehe darunter ſowohl das
öffentliche Verbrechen (crimen),
als das Privatdelict, das heißt
die Rechtsverletzung, welche im
Privatrecht die eigenthümliche
Wirkung einer actio quae poe-
nae causa
datur
hervorbringt;
es mag nun dieſe Klage zum
Inhalt haben eine Strafe (wie
die furti actio), oder bloßen
Schadenserſatz (wie die doli ac-
tio
), oder beides zugleich (wie vi
bonorum raptorum
). Beide Fälle
hier zuſammen zu faſſen, wird
dadurch nothwendig, daß die Be-
handlung des Irrthums in beiden
völlig dieſelbe iſt.
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[388/0400] Beylage VIII. XX. In Anwendung auf Delicte (a) erſcheint die Lehre vom Irrthum auf folgende eigenthümliche Weiſe. Es giebt Delicte, deren Begriff zunächſt nur auf die Erſcheinung eines äußeren Ereigniſſes gegründet iſt, ſo daß dabey die Freyheit des Handelnden zwar auch als nöthig, aber doch als untergeordnet erſcheint. Bey dieſen iſt Do- lus und Culpa ſtrafbar; ſo bey dem Todſchlag, obgleich mit verſchiedenem Grade der Strafbarkeit: ſo auch bey der actio legis Aquiliae, bey welcher ſelbſt die Höhe der Strafe von jenem Unterſchied unabhängig iſt. — Dagegen giebt es andere Delicte, zu deren Begriff und Thatbeſtand der rechtswidrige Wille, alſo auch das Bewußtſeyn der Rechtsverletzung, gehört, ſo daß in deſſen Ermanglung gar kein Delict vorhanden iſt. Bey dieſen kann es nicht einmal einen Unterſchied machen, ob der den Dolus aus- ſchließende Irrthum durch die Umſtände gerechtfertigt iſt oder nicht, alſo auch ob er factiſch oder ein Rechtsirrthum iſt. Denn der Dolus iſt eine Thatſache, deren Daſeyn durch den Irrthum jeder Art ausgeſchloſſen wird. (a) Ich gebrauche hier der Kürze wegen dieſen Ausdruck, und verſtehe darunter ſowohl das öffentliche Verbrechen (crimen), als das Privatdelict, das heißt die Rechtsverletzung, welche im Privatrecht die eigenthümliche Wirkung einer actio quae poe- nae causa datur hervorbringt; es mag nun dieſe Klage zum Inhalt haben eine Strafe (wie die furti actio), oder bloßen Schadenserſatz (wie die doli ac- tio), oder beides zugleich (wie vi bonorum raptorum). Beide Fälle hier zuſammen zu faſſen, wird dadurch nothwendig, daß die Be- handlung des Irrthums in beiden völlig dieſelbe iſt.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/400>, abgerufen am 22.11.2024.