Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
dem suam condicionem licere eis facere, etiam sine tu-
toris auctoritate, deteriorem vero non aliter quam tutore
auctore
(a).

I. Bey den obligatorischen Verträgen zeigt sich
jener Grundsatz am reinsten und vollständigsten.

Jeder Unmündige also, der nicht mehr Kind ist, kann
auch ohne Tutor gültig stipuliren, nicht promittiren (b).

So bey einseitigen Verträgen. Schließt er dagegen
allein einen zweyseitigen Vertrag, worin stets Gewinn und
Verlust gemischt ist (wie Kauf und Miethe), so ist der Ver-
trag für den Gegner bindend, für den Unmündigen nicht,
das heißt es steht in der Wahl des Tutors, ob er den
Vertrag ganz anerkennen oder verwerfen will (c).

Eine natürliche Beschränkung erleiden diese Regeln bey

(a) pr. J. de auctor. (1. 21.),
L. 28 pr. de pactis
(2. 14.). In
der Pandektenstelle steht nur die
erste Hälfte dieser Regel, in den
Institutionen stehen beide, obgleich
in manchen Handschriften die
zweyte Hälfte gleichfalls fehlt.
Eine besondere Anwendung der
zweyten Hälfte enthält L. 10 de
jur. et facti ign.
(22. 6.). "Im-
puberes sine tutore agentes ni-
hil posse scire intelliguntur."

So wie hier die Stelle in die
Digesten aufgenommen ist, er-
klärt sie den Pupillen für unfähig,
durch sein Bewußtseyn in irgend
einen Nachtheil zu kommen, wo-
durch also jede Verpflichtung durch
Culpa ausgeschlossen seyn würde.
Zunächst dachte aber Papinian an
den Verlust durch versäumte Frist
der bonorum possessio, welches
daraus erhellt, daß die Stelle durch
ihre Inseription mit L. 2 de suc-
cessorio ed.
(38. 9.) zusammen-
hängt, worin nicht von einem Pu-
pillen, sondern von einem Min-
derjährigen die Rede ist, der die
B. P. wirklich agnoscirt, und dann
dagegen restituirt wird.
(b) pr. J. de auctor. (1. 21.),
§ 9 J. de inut. stip. (3. 19.). (Ga-
jus
III. § 107), L. 9 pr. de auctor.
(26. 8.), L. 8 pr. de adqu. her.
(29. 2.), L. 41 de cond. ind. (12.
6.), L. 1 C. de inut. stip.
(8. 39.).
(c) pr. J. de auctor. (1. 21.),
L. 5 § 1 de auctor. (26. 8.), L. 13
§ 29 de act. emti
(19. 1.).

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
dem suam condicionem licere eis facere, etiam sine tu-
toris auctoritate, deteriorem vero non aliter quam tutore
auctore
(a).

I. Bey den obligatoriſchen Verträgen zeigt ſich
jener Grundſatz am reinſten und vollſtändigſten.

Jeder Unmündige alſo, der nicht mehr Kind iſt, kann
auch ohne Tutor gültig ſtipuliren, nicht promittiren (b).

So bey einſeitigen Verträgen. Schließt er dagegen
allein einen zweyſeitigen Vertrag, worin ſtets Gewinn und
Verluſt gemiſcht iſt (wie Kauf und Miethe), ſo iſt der Ver-
trag für den Gegner bindend, für den Unmündigen nicht,
das heißt es ſteht in der Wahl des Tutors, ob er den
Vertrag ganz anerkennen oder verwerfen will (c).

Eine natürliche Beſchränkung erleiden dieſe Regeln bey

(a) pr. J. de auctor. (1. 21.),
L. 28 pr. de pactis
(2. 14.). In
der Pandektenſtelle ſteht nur die
erſte Hälfte dieſer Regel, in den
Inſtitutionen ſtehen beide, obgleich
in manchen Handſchriften die
zweyte Hälfte gleichfalls fehlt.
Eine beſondere Anwendung der
zweyten Hälfte enthält L. 10 de
jur. et facti ign.
(22. 6.). „Im-
puberes sine tutore agentes ni-
hil posse scire intelliguntur.”

So wie hier die Stelle in die
Digeſten aufgenommen iſt, er-
klärt ſie den Pupillen für unfähig,
durch ſein Bewußtſeyn in irgend
einen Nachtheil zu kommen, wo-
durch alſo jede Verpflichtung durch
Culpa ausgeſchloſſen ſeyn würde.
Zunächſt dachte aber Papinian an
den Verluſt durch verſäumte Friſt
der bonorum possessio, welches
daraus erhellt, daß die Stelle durch
ihre Inſeription mit L. 2 de suc-
cessorio ed.
(38. 9.) zuſammen-
hängt, worin nicht von einem Pu-
pillen, ſondern von einem Min-
derjährigen die Rede iſt, der die
B. P. wirklich agnoſcirt, und dann
dagegen reſtituirt wird.
(b) pr. J. de auctor. (1. 21.),
§ 9 J. de inut. stip. (3. 19.). (Ga-
jus
III. § 107), L. 9 pr. de auctor.
(26. 8.), L. 8 pr. de adqu. her.
(29. 2.), L. 41 de cond. ind. (12.
6.), L. 1 C. de inut. stip.
(8. 39.).
(c) pr. J. de auctor. (1. 21.),
L. 5 § 1 de auctor. (26. 8.), L. 13
§ 29 de act. emti
(19. 1.).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0052" n="40"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Ent&#x017F;tehung und Untergang.</fw><lb/><hi rendition="#aq">dem suam condicionem licere eis facere, etiam sine tu-<lb/>
toris auctoritate, deteriorem vero non aliter quam tutore<lb/>
auctore</hi><note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">pr. J. de auctor.</hi> (1. 21.),<lb/><hi rendition="#i">L.</hi> 28 <hi rendition="#i">pr. de pactis</hi></hi> (2. 14.). In<lb/>
der Pandekten&#x017F;telle &#x017F;teht nur die<lb/>
er&#x017F;te Hälfte die&#x017F;er Regel, in den<lb/>
In&#x017F;titutionen &#x017F;tehen beide, obgleich<lb/>
in manchen Hand&#x017F;chriften die<lb/>
zweyte Hälfte gleichfalls fehlt.<lb/>
Eine be&#x017F;ondere Anwendung der<lb/>
zweyten Hälfte enthält <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 10 <hi rendition="#i">de<lb/>
jur. et facti ign.</hi> (22. 6.). &#x201E;Im-<lb/>
puberes sine tutore agentes ni-<lb/>
hil posse scire intelliguntur.&#x201D;</hi><lb/>
So wie hier die Stelle in die<lb/>
Dige&#x017F;ten aufgenommen i&#x017F;t, er-<lb/>
klärt &#x017F;ie den Pupillen für unfähig,<lb/>
durch &#x017F;ein Bewußt&#x017F;eyn in irgend<lb/>
einen Nachtheil zu kommen, wo-<lb/>
durch al&#x017F;o jede Verpflichtung durch<lb/>
Culpa ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eyn würde.<lb/>
Zunäch&#x017F;t dachte aber Papinian an<lb/>
den Verlu&#x017F;t durch ver&#x017F;äumte Fri&#x017F;t<lb/>
der <hi rendition="#aq">bonorum possessio,</hi> welches<lb/>
daraus erhellt, daß die Stelle durch<lb/>
ihre In&#x017F;eription mit <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 2 <hi rendition="#i">de suc-<lb/>
cessorio ed.</hi></hi> (38. 9.) zu&#x017F;ammen-<lb/>
hängt, worin nicht von einem Pu-<lb/>
pillen, &#x017F;ondern von einem Min-<lb/>
derjährigen die Rede i&#x017F;t, der die<lb/><hi rendition="#aq">B. P.</hi> wirklich agno&#x017F;cirt, und dann<lb/>
dagegen re&#x017F;tituirt wird.</note>.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">I.</hi> Bey den <hi rendition="#g">obligatori&#x017F;chen Verträgen</hi> zeigt &#x017F;ich<lb/>
jener Grund&#x017F;atz am rein&#x017F;ten und voll&#x017F;tändig&#x017F;ten.</p><lb/>
            <p>Jeder Unmündige al&#x017F;o, der nicht mehr Kind i&#x017F;t, kann<lb/>
auch ohne Tutor gültig &#x017F;tipuliren, nicht promittiren <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">pr. J. de auctor.</hi> (1. 21.),<lb/>
§ 9 <hi rendition="#i">J. de inut. stip.</hi> (3. 19.). (<hi rendition="#k">Ga-<lb/>
jus</hi> III. § 107), <hi rendition="#i">L.</hi> 9 <hi rendition="#i">pr. de auctor.</hi><lb/>
(26. 8.), <hi rendition="#i">L.</hi> 8 <hi rendition="#i">pr. de adqu. her.</hi><lb/>
(29. 2.), <hi rendition="#i">L.</hi> 41 <hi rendition="#i">de cond. ind.</hi> (12.<lb/>
6.), <hi rendition="#i">L.</hi> 1 <hi rendition="#i">C. de inut. stip.</hi></hi> (8. 39.).</note>.</p><lb/>
            <p>So bey ein&#x017F;eitigen Verträgen. Schließt er dagegen<lb/>
allein einen zwey&#x017F;eitigen Vertrag, worin &#x017F;tets Gewinn und<lb/>
Verlu&#x017F;t gemi&#x017F;cht i&#x017F;t (wie Kauf und Miethe), &#x017F;o i&#x017F;t der Ver-<lb/>
trag für den Gegner bindend, für den Unmündigen nicht,<lb/>
das heißt es &#x017F;teht in der Wahl des Tutors, ob er den<lb/>
Vertrag ganz anerkennen oder verwerfen will <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">pr. J. de auctor.</hi> (1. 21.),<lb/><hi rendition="#i">L.</hi> 5 § 1 <hi rendition="#i">de auctor.</hi> (26. 8.), <hi rendition="#i">L.</hi> 13<lb/>
§ 29 <hi rendition="#i">de act. emti</hi></hi> (19. 1.).</note>.</p><lb/>
            <p>Eine natürliche Be&#x017F;chränkung erleiden die&#x017F;e Regeln bey<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0052] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. dem suam condicionem licere eis facere, etiam sine tu- toris auctoritate, deteriorem vero non aliter quam tutore auctore (a). I. Bey den obligatoriſchen Verträgen zeigt ſich jener Grundſatz am reinſten und vollſtändigſten. Jeder Unmündige alſo, der nicht mehr Kind iſt, kann auch ohne Tutor gültig ſtipuliren, nicht promittiren (b). So bey einſeitigen Verträgen. Schließt er dagegen allein einen zweyſeitigen Vertrag, worin ſtets Gewinn und Verluſt gemiſcht iſt (wie Kauf und Miethe), ſo iſt der Ver- trag für den Gegner bindend, für den Unmündigen nicht, das heißt es ſteht in der Wahl des Tutors, ob er den Vertrag ganz anerkennen oder verwerfen will (c). Eine natürliche Beſchränkung erleiden dieſe Regeln bey (a) pr. J. de auctor. (1. 21.), L. 28 pr. de pactis (2. 14.). In der Pandektenſtelle ſteht nur die erſte Hälfte dieſer Regel, in den Inſtitutionen ſtehen beide, obgleich in manchen Handſchriften die zweyte Hälfte gleichfalls fehlt. Eine beſondere Anwendung der zweyten Hälfte enthält L. 10 de jur. et facti ign. (22. 6.). „Im- puberes sine tutore agentes ni- hil posse scire intelliguntur.” So wie hier die Stelle in die Digeſten aufgenommen iſt, er- klärt ſie den Pupillen für unfähig, durch ſein Bewußtſeyn in irgend einen Nachtheil zu kommen, wo- durch alſo jede Verpflichtung durch Culpa ausgeſchloſſen ſeyn würde. Zunächſt dachte aber Papinian an den Verluſt durch verſäumte Friſt der bonorum possessio, welches daraus erhellt, daß die Stelle durch ihre Inſeription mit L. 2 de suc- cessorio ed. (38. 9.) zuſammen- hängt, worin nicht von einem Pu- pillen, ſondern von einem Min- derjährigen die Rede iſt, der die B. P. wirklich agnoſcirt, und dann dagegen reſtituirt wird. (b) pr. J. de auctor. (1. 21.), § 9 J. de inut. stip. (3. 19.). (Ga- jus III. § 107), L. 9 pr. de auctor. (26. 8.), L. 8 pr. de adqu. her. (29. 2.), L. 41 de cond. ind. (12. 6.), L. 1 C. de inut. stip. (8. 39.). (c) pr. J. de auctor. (1. 21.), L. 5 § 1 de auctor. (26. 8.), L. 13 § 29 de act. emti (19. 1.).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/52
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/52>, abgerufen am 27.11.2024.