Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
liter obligare und genus quoddam permutationis gebraucht, ändert Nichts; beide sind nur vergleichungsweise, und im uneigentlichen Sinn angewendet, und es war gar nicht davon die Rede, die eigentliche Schenkungsnatur, sowohl des ersten, als des zweyten Geschenks, in Zweifel zu ziehen.
Ein ernstlicher Zweifel jedoch kann aus der besondern Natur derjenigen früheren Handlung des Andern entste- hen, wodurch die gegenwärtige remuneratorische Gabe ver- anlaßt wird. Besteht nämlich jene Handlung in einer sol- chen Art von Dienstleistung, wofür gewöhnlich ein Geld- lohn entrichtet wird, die also eine gewerbliche Natur hat, und wobey nur im vorliegenden Fall kein Lohn bedungen war, so kann sich jetzt der Geber seine Gabe auf ver- schiedene Weise denken. Er kann den empfangnen Dienst betrachten als eine Äußerung des uneigennützigen Wohl- wollens, wofür er jetzt durch eine freye Gabe seine Er- kenntlichkeit an den Tag legen will; dann ist diese Gabe eine wahre Schenkung, und die positiven Regeln der Schenkung sind darauf völlig anwendbar. Er kann aber auch das ganze Verhältniß betrachten als stillschweigenden Vertrag über eine Dienstleistung um unbestimmten Lohn; dann ist die gegenwärtige Gabe, nach des Gebers Absicht, die bloße Bezahlung einer Schuld, und durch diese Ab- sicht wird der Begriff der Schenkung, mit allen Folgen desselben, gänzlich ausgeschlossen (§ 149). Welche dieser beiden Absichten zum Grunde liegt, ist eine blos factische Frage; es kommt auf eine Interpretation des Willens an,
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
liter obligare und genus quoddam permutationis gebraucht, ändert Nichts; beide ſind nur vergleichungsweiſe, und im uneigentlichen Sinn angewendet, und es war gar nicht davon die Rede, die eigentliche Schenkungsnatur, ſowohl des erſten, als des zweyten Geſchenks, in Zweifel zu ziehen.
Ein ernſtlicher Zweifel jedoch kann aus der beſondern Natur derjenigen früheren Handlung des Andern entſte- hen, wodurch die gegenwärtige remuneratoriſche Gabe ver- anlaßt wird. Beſteht nämlich jene Handlung in einer ſol- chen Art von Dienſtleiſtung, wofür gewöhnlich ein Geld- lohn entrichtet wird, die alſo eine gewerbliche Natur hat, und wobey nur im vorliegenden Fall kein Lohn bedungen war, ſo kann ſich jetzt der Geber ſeine Gabe auf ver- ſchiedene Weiſe denken. Er kann den empfangnen Dienſt betrachten als eine Äußerung des uneigennützigen Wohl- wollens, wofür er jetzt durch eine freye Gabe ſeine Er- kenntlichkeit an den Tag legen will; dann iſt dieſe Gabe eine wahre Schenkung, und die poſitiven Regeln der Schenkung ſind darauf völlig anwendbar. Er kann aber auch das ganze Verhältniß betrachten als ſtillſchweigenden Vertrag über eine Dienſtleiſtung um unbeſtimmten Lohn; dann iſt die gegenwärtige Gabe, nach des Gebers Abſicht, die bloße Bezahlung einer Schuld, und durch dieſe Ab- ſicht wird der Begriff der Schenkung, mit allen Folgen deſſelben, gänzlich ausgeſchloſſen (§ 149). Welche dieſer beiden Abſichten zum Grunde liegt, iſt eine blos factiſche Frage; es kommt auf eine Interpretation des Willens an,
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
liter obligare und genus quoddam permutationis gebraucht,
ändert Nichts; beide ſind nur vergleichungsweiſe, und im
uneigentlichen Sinn angewendet, und es war gar nicht
davon die Rede, die eigentliche Schenkungsnatur, ſowohl
des erſten, als des zweyten Geſchenks, in Zweifel zu ziehen.
Ein ernſtlicher Zweifel jedoch kann aus der beſondern
Natur derjenigen früheren Handlung des Andern entſte-
hen, wodurch die gegenwärtige remuneratoriſche Gabe ver-
anlaßt wird. Beſteht nämlich jene Handlung in einer ſol-
chen Art von Dienſtleiſtung, wofür gewöhnlich ein Geld-
lohn entrichtet wird, die alſo eine gewerbliche Natur hat,
und wobey nur im vorliegenden Fall kein Lohn bedungen
war, ſo kann ſich jetzt der Geber ſeine Gabe auf ver-
ſchiedene Weiſe denken. Er kann den empfangnen Dienſt
betrachten als eine Äußerung des uneigennützigen Wohl-
wollens, wofür er jetzt durch eine freye Gabe ſeine Er-
kenntlichkeit an den Tag legen will; dann iſt dieſe Gabe
eine wahre Schenkung, und die poſitiven Regeln der
Schenkung ſind darauf völlig anwendbar. Er kann aber
auch das ganze Verhältniß betrachten als ſtillſchweigenden
Vertrag über eine Dienſtleiſtung um unbeſtimmten Lohn;
dann iſt die gegenwärtige Gabe, nach des Gebers Abſicht,
die bloße Bezahlung einer Schuld, und durch dieſe Ab-
ſicht wird der Begriff der Schenkung, mit allen Folgen
deſſelben, gänzlich ausgeſchloſſen (§ 149). Welche dieſer
beiden Abſichten zum Grunde liegt, iſt eine blos factiſche
Frage; es kommt auf eine Interpretation des Willens an,
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/108>, abgerufen am 23.11.2024.
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