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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 153. Schenkung. Begriff. 4. Absicht. Remuneratorische.
einer Erbschaft braucht nur Dasjenige herauszugeben, was
er noch jetzt, als Bereicherung aus derselben, besitzt. Ge-
setzt nun er hat ein Erbschaftsstück verschenkt, so kann er
vielleicht die factische Erwartung eines Gegengeschenks ha-
ben, rechtlich betrachtet ist er deshalb nicht reicher (i).
Nur wenn er das Gegengeschenk wirklich erhalten hat,
kann man dieses als eine aus der Erbschaft herrührende
Bereicherung betrachten, indem nun unter beiden Perso-
nen Geschenke gleichsam ausgetauscht worden sind (k). --
Diese Vorschrift bezieht sich jedoch lediglich auf den Um-
fang der Leistungen des Erbschaftsbesitzers, durchaus nicht
auf das Daseyn wahrer Schenkung, und die Anwendbar-
keit ihrer positiven Regeln. Daß Ulpian, um das ganze
Verhältniß anschaulich zu machen, die Ausdrücke natura-

(i) "nec, si donaverint, lo-
cupletiores facti videbuntur,
quamvis ad remunerandum sibi
aliquem naturaliter obligave-
rint.
"
Hier ist offenbar nicht die
eigentliche, juristische naturalis
obligatio
gemeynt, sondern die
blos factische, auf Sitte, Anstand,
Ehrgefühl beruhende Nöthigung,
deren Daseyn sich auf keine Re-
gel zurückführen läßt, da sie über-
all von zufälligen Umständen ab-
hängt. Vergl. Meyerfeld I.
S. 376. -- Es ist ganz dasselbe
wie in L. 54 § 1 de furtis (47.
2.). "Species .. lucri est .. be-
neficii debitorem
sibi adquire-
re."
Auch hier ist der debitor
nicht in einem juristischen Sinn
zu verstehen.
(k) "velut genus quoddam
hoc esset permutationis;"
man
kann sich kaum vorsichtiger aus-
drücken, um eine bloße Ähnlich-
keit zu bezeichnen. An eine wahre
permutatio, also ein negotium,
dachte Ulpian nicht; er wollte nur
andeuten, daß die handelnden
Personen bey ihren gegenseitigen
Geschenken etwas Ähnliches em-
pfanden, wie bey einem Tausch,
woraus also folgte, daß man dem
Besitzer der Erbschaft kein Un-
recht that, wenn man ihm das
empfangene Gegengeschenk als ei-
nen erbschaftlichen Gewinn an-
rechnete. Eine actio praescrip-
tis verbis
hätte Ulpian, in Folge
des ersten Geschenks, gewiß nicht
gegeben.

§. 153. Schenkung. Begriff. 4. Abſicht. Remuneratoriſche.
einer Erbſchaft braucht nur Dasjenige herauszugeben, was
er noch jetzt, als Bereicherung aus derſelben, beſitzt. Ge-
ſetzt nun er hat ein Erbſchaftsſtück verſchenkt, ſo kann er
vielleicht die factiſche Erwartung eines Gegengeſchenks ha-
ben, rechtlich betrachtet iſt er deshalb nicht reicher (i).
Nur wenn er das Gegengeſchenk wirklich erhalten hat,
kann man dieſes als eine aus der Erbſchaft herrührende
Bereicherung betrachten, indem nun unter beiden Perſo-
nen Geſchenke gleichſam ausgetauſcht worden ſind (k). —
Dieſe Vorſchrift bezieht ſich jedoch lediglich auf den Um-
fang der Leiſtungen des Erbſchaftsbeſitzers, durchaus nicht
auf das Daſeyn wahrer Schenkung, und die Anwendbar-
keit ihrer poſitiven Regeln. Daß Ulpian, um das ganze
Verhältniß anſchaulich zu machen, die Ausdrücke natura-

(i) „nec, si donaverint, lo-
cupletiores facti videbuntur,
quamvis ad remunerandum sibi
aliquem naturaliter obligave-
rint.
Hier iſt offenbar nicht die
eigentliche, juriſtiſche naturalis
obligatio
gemeynt, ſondern die
blos factiſche, auf Sitte, Anſtand,
Ehrgefühl beruhende Nöthigung,
deren Daſeyn ſich auf keine Re-
gel zurückführen läßt, da ſie über-
all von zufälligen Umſtänden ab-
hängt. Vergl. Meyerfeld I.
S. 376. — Es iſt ganz daſſelbe
wie in L. 54 § 1 de furtis (47.
2.). „Species .. lucri est .. be-
neficii debitorem
sibi adquire-
re.”
Auch hier iſt der debitor
nicht in einem juriſtiſchen Sinn
zu verſtehen.
(k) velut genus quoddam
hoc esset permutationis;”
man
kann ſich kaum vorſichtiger aus-
drücken, um eine bloße Ähnlich-
keit zu bezeichnen. An eine wahre
permutatio, alſo ein negotium,
dachte Ulpian nicht; er wollte nur
andeuten, daß die handelnden
Perſonen bey ihren gegenſeitigen
Geſchenken etwas Ähnliches em-
pfanden, wie bey einem Tauſch,
woraus alſo folgte, daß man dem
Beſitzer der Erbſchaft kein Un-
recht that, wenn man ihm das
empfangene Gegengeſchenk als ei-
nen erbſchaftlichen Gewinn an-
rechnete. Eine actio praescrip-
tis verbis
hätte Ulpian, in Folge
des erſten Geſchenks, gewiß nicht
gegeben.
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[93/0107] §. 153. Schenkung. Begriff. 4. Abſicht. Remuneratoriſche. einer Erbſchaft braucht nur Dasjenige herauszugeben, was er noch jetzt, als Bereicherung aus derſelben, beſitzt. Ge- ſetzt nun er hat ein Erbſchaftsſtück verſchenkt, ſo kann er vielleicht die factiſche Erwartung eines Gegengeſchenks ha- ben, rechtlich betrachtet iſt er deshalb nicht reicher (i). Nur wenn er das Gegengeſchenk wirklich erhalten hat, kann man dieſes als eine aus der Erbſchaft herrührende Bereicherung betrachten, indem nun unter beiden Perſo- nen Geſchenke gleichſam ausgetauſcht worden ſind (k). — Dieſe Vorſchrift bezieht ſich jedoch lediglich auf den Um- fang der Leiſtungen des Erbſchaftsbeſitzers, durchaus nicht auf das Daſeyn wahrer Schenkung, und die Anwendbar- keit ihrer poſitiven Regeln. Daß Ulpian, um das ganze Verhältniß anſchaulich zu machen, die Ausdrücke natura- (i) „nec, si donaverint, lo- cupletiores facti videbuntur, quamvis ad remunerandum sibi aliquem naturaliter obligave- rint.” Hier iſt offenbar nicht die eigentliche, juriſtiſche naturalis obligatio gemeynt, ſondern die blos factiſche, auf Sitte, Anſtand, Ehrgefühl beruhende Nöthigung, deren Daſeyn ſich auf keine Re- gel zurückführen läßt, da ſie über- all von zufälligen Umſtänden ab- hängt. Vergl. Meyerfeld I. S. 376. — Es iſt ganz daſſelbe wie in L. 54 § 1 de furtis (47. 2.). „Species .. lucri est .. be- neficii debitorem sibi adquire- re.” Auch hier iſt der debitor nicht in einem juriſtiſchen Sinn zu verſtehen. (k) „velut genus quoddam hoc esset permutationis;” man kann ſich kaum vorſichtiger aus- drücken, um eine bloße Ähnlich- keit zu bezeichnen. An eine wahre permutatio, alſo ein negotium, dachte Ulpian nicht; er wollte nur andeuten, daß die handelnden Perſonen bey ihren gegenſeitigen Geſchenken etwas Ähnliches em- pfanden, wie bey einem Tauſch, woraus alſo folgte, daß man dem Beſitzer der Erbſchaft kein Un- recht that, wenn man ihm das empfangene Gegengeſchenk als ei- nen erbſchaftlichen Gewinn an- rechnete. Eine actio praescrip- tis verbis hätte Ulpian, in Folge des erſten Geſchenks, gewiß nicht gegeben.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/107>, abgerufen am 23.11.2024.