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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 157. Schenkung. Einzelne Rechtsgeschäfte. 2. Obligare.
Schenkung, welche nur durch das vorhergehende Geben
nothwendig würde. Dieses wäre aber ganz irrig. Das
Versprechen ist die wahre und einzige Schenkung, wodurch
die Bereicherung schon vollständig bewirkt wird (a), das
nachfolgende Geben ist die bloße Bezahlung einer Schuld,
folglich durchaus keine Schenkung (b).

Über die Form dieses Vertrags ist Folgendes zu be-
merken. Im älteren Recht wurde dazu regelmäßig die
Stipulation angewendet. Auch der Literalcontract konnte
zu demselben Zweck angewendet werden, sowohl in seiner
älteren Form, durch die von allen Römern geführten
Hausbücher (c), als in der späteren Form, durch die ver-
mittlenden Bücher der Argentarien, welche übrigens im
Justinianischen Recht gleichfalls verschwunden ist. Durch
Constitutum war eine Schenkung nie möglich; denn ent-
weder war schon eine, wenigstens naturale, Obligation

(a) L. 49 de V. S. (50. 16.).
(b) Vergl. oben § 149. -- Die
Wichtigkeit dieser Unterscheidung
zeigt sich in folgenden Anwendun-
gen. Wenn eine große Summe
schenkungsweise versprochen wird,
unter Anwendung der Insinua-
tion, so bedarf die Auszahlung
keiner Insinuation. Wenn ein
Schenkungsversprechen zwischen
Mann und Frau vor der Ehe
gegeben war, so ist die Auszah-
lung während der Ehe eine gül-
tige Handlung.
(c) Sehr gründlich handelt da-
von Meyerfeld I. S. 168 fg. --
Nicht beweist dagegen L. 26 de
don
.
(39. 5.), welche von der blo-
ßen Eintragung in ein gewöhn-
liches Rechnungsbuch zu verste-
hen ist, nicht von jenem formel-
len Contract. Denn theils war
die ältere Form durch die Haus-
bücher der Privatpersonen zur
Zeit des Pomponius längst ver-
schwunden, theils wäre in dieser
Stelle höchstens die Erwähnung
einer bloßen acceptilatio ent-
halten, anstatt daß der alte Li-
teralcontract gerade auf der ex-
pensilatio
beruhte.

§. 157. Schenkung. Einzelne Rechtsgeſchäfte. 2. Obligare.
Schenkung, welche nur durch das vorhergehende Geben
nothwendig würde. Dieſes wäre aber ganz irrig. Das
Verſprechen iſt die wahre und einzige Schenkung, wodurch
die Bereicherung ſchon vollſtändig bewirkt wird (a), das
nachfolgende Geben iſt die bloße Bezahlung einer Schuld,
folglich durchaus keine Schenkung (b).

Über die Form dieſes Vertrags iſt Folgendes zu be-
merken. Im älteren Recht wurde dazu regelmäßig die
Stipulation angewendet. Auch der Literalcontract konnte
zu demſelben Zweck angewendet werden, ſowohl in ſeiner
älteren Form, durch die von allen Römern geführten
Hausbücher (c), als in der ſpäteren Form, durch die ver-
mittlenden Bücher der Argentarien, welche übrigens im
Juſtinianiſchen Recht gleichfalls verſchwunden iſt. Durch
Conſtitutum war eine Schenkung nie möglich; denn ent-
weder war ſchon eine, wenigſtens naturale, Obligation

(a) L. 49 de V. S. (50. 16.).
(b) Vergl. oben § 149. — Die
Wichtigkeit dieſer Unterſcheidung
zeigt ſich in folgenden Anwendun-
gen. Wenn eine große Summe
ſchenkungsweiſe verſprochen wird,
unter Anwendung der Inſinua-
tion, ſo bedarf die Auszahlung
keiner Inſinuation. Wenn ein
Schenkungsverſprechen zwiſchen
Mann und Frau vor der Ehe
gegeben war, ſo iſt die Auszah-
lung während der Ehe eine gül-
tige Handlung.
(c) Sehr gründlich handelt da-
von Meyerfeld I. S. 168 fg. —
Nicht beweiſt dagegen L. 26 de
don
.
(39. 5.), welche von der blo-
ßen Eintragung in ein gewöhn-
liches Rechnungsbuch zu verſte-
hen iſt, nicht von jenem formel-
len Contract. Denn theils war
die ältere Form durch die Haus-
bücher der Privatperſonen zur
Zeit des Pomponius längſt ver-
ſchwunden, theils wäre in dieſer
Stelle höchſtens die Erwähnung
einer bloßen acceptilatio ent-
halten, anſtatt daß der alte Li-
teralcontract gerade auf der ex-
pensilatio
beruhte.
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[119/0133] §. 157. Schenkung. Einzelne Rechtsgeſchäfte. 2. Obligare. Schenkung, welche nur durch das vorhergehende Geben nothwendig würde. Dieſes wäre aber ganz irrig. Das Verſprechen iſt die wahre und einzige Schenkung, wodurch die Bereicherung ſchon vollſtändig bewirkt wird (a), das nachfolgende Geben iſt die bloße Bezahlung einer Schuld, folglich durchaus keine Schenkung (b). Über die Form dieſes Vertrags iſt Folgendes zu be- merken. Im älteren Recht wurde dazu regelmäßig die Stipulation angewendet. Auch der Literalcontract konnte zu demſelben Zweck angewendet werden, ſowohl in ſeiner älteren Form, durch die von allen Römern geführten Hausbücher (c), als in der ſpäteren Form, durch die ver- mittlenden Bücher der Argentarien, welche übrigens im Juſtinianiſchen Recht gleichfalls verſchwunden iſt. Durch Conſtitutum war eine Schenkung nie möglich; denn ent- weder war ſchon eine, wenigſtens naturale, Obligation (a) L. 49 de V. S. (50. 16.). (b) Vergl. oben § 149. — Die Wichtigkeit dieſer Unterſcheidung zeigt ſich in folgenden Anwendun- gen. Wenn eine große Summe ſchenkungsweiſe verſprochen wird, unter Anwendung der Inſinua- tion, ſo bedarf die Auszahlung keiner Inſinuation. Wenn ein Schenkungsverſprechen zwiſchen Mann und Frau vor der Ehe gegeben war, ſo iſt die Auszah- lung während der Ehe eine gül- tige Handlung. (c) Sehr gründlich handelt da- von Meyerfeld I. S. 168 fg. — Nicht beweiſt dagegen L. 26 de don. (39. 5.), welche von der blo- ßen Eintragung in ein gewöhn- liches Rechnungsbuch zu verſte- hen iſt, nicht von jenem formel- len Contract. Denn theils war die ältere Form durch die Haus- bücher der Privatperſonen zur Zeit des Pomponius längſt ver- ſchwunden, theils wäre in dieſer Stelle höchſtens die Erwähnung einer bloßen acceptilatio ent- halten, anſtatt daß der alte Li- teralcontract gerade auf der ex- pensilatio beruhte.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/133>, abgerufen am 24.11.2024.