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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
liegt einiger Schein für Diejenigen, welche die Worte nu-
mos accipientis non fieri
gar nicht als Verneinung des
erworbenen Eigenthums, sondern nur des gültigen Dar-
lehens, auffassen. Julian also betrachtet als entscheidend
den Willen, daß Eigenthum übergehe, woneben ihm der
Grund dieses Willens so sehr in den Hintergrund tritt,
daß die Verschiedenheit der vorausgesetzten Gründe den
Übergang nicht hindern soll. Ulpian dagegen (wenn er
wirklich den Übergang des Eigenthums verneinen will) be-
trachtet als entscheidend den auf einem bestimmten Grund
beruhenden Willen der Übertragung, so daß die Übertra-
gung selbst gehindert werden soll, wenn Beide Personen
an verschiedene Gründe denken. Jedoch diese ganze, das
Eigenthum betreffende, Frage liegt hier außer den Grän-
zen unsrer Untersuchung, und wir lassen sie an dieser
Stelle auf sich beruhen (d).

Die Gültigkeit der Rechtsgeschäfte ist es, die uns hier
angeht. Darüber nun sagt Ulpian, eine gültige Schen-
kung sey gewiß nicht vorhanden, welches auch Julian be-
zeuge (e). Dieses also war, wie es scheint, ganz un-

(d) Für Julian könnte man gel-
tend machen § 40 J. de rer. div.
(2. 1.). "Nihil enim tam con-
veniens est naturali aequitati,
quam voluntatem domini, vo-
lentis rem suam iu alium trans-
ferre
, ratam haberi;"
denn
diese voluntas ist hier augen-
scheinlich vorhanden, und hierin
stimmt auch der Empfänger über-
ein. Doch soll damit der ganzen
Untersuchung nicht vorgegriffen
werden, die nur im Zusammen-
hang der ganzen Lehre von der
Tradition befriedigend angestellt
werden kann.
(e) Die Stelle des Julian,
worauf er sich hier bezieht, ist
offenbar nicht die im Text abge-
druckte L. 36 de adqu. rer. dom.,

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
liegt einiger Schein für Diejenigen, welche die Worte nu-
mos accipientis non fieri
gar nicht als Verneinung des
erworbenen Eigenthums, ſondern nur des gültigen Dar-
lehens, auffaſſen. Julian alſo betrachtet als entſcheidend
den Willen, daß Eigenthum übergehe, woneben ihm der
Grund dieſes Willens ſo ſehr in den Hintergrund tritt,
daß die Verſchiedenheit der vorausgeſetzten Gründe den
Übergang nicht hindern ſoll. Ulpian dagegen (wenn er
wirklich den Übergang des Eigenthums verneinen will) be-
trachtet als entſcheidend den auf einem beſtimmten Grund
beruhenden Willen der Übertragung, ſo daß die Übertra-
gung ſelbſt gehindert werden ſoll, wenn Beide Perſonen
an verſchiedene Gründe denken. Jedoch dieſe ganze, das
Eigenthum betreffende, Frage liegt hier außer den Grän-
zen unſrer Unterſuchung, und wir laſſen ſie an dieſer
Stelle auf ſich beruhen (d).

Die Gültigkeit der Rechtsgeſchäfte iſt es, die uns hier
angeht. Darüber nun ſagt Ulpian, eine gültige Schen-
kung ſey gewiß nicht vorhanden, welches auch Julian be-
zeuge (e). Dieſes alſo war, wie es ſcheint, ganz un-

(d) Für Julian könnte man gel-
tend machen § 40 J. de rer. div.
(2. 1.). „Nihil enim tam con-
veniens est naturali aequitati,
quam voluntatem domini, vo-
lentis rem suam iu alium trans-
ferre
, ratam haberi;”
denn
dieſe voluntas iſt hier augen-
ſcheinlich vorhanden, und hierin
ſtimmt auch der Empfänger über-
ein. Doch ſoll damit der ganzen
Unterſuchung nicht vorgegriffen
werden, die nur im Zuſammen-
hang der ganzen Lehre von der
Tradition befriedigend angeſtellt
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[160/0174] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. liegt einiger Schein für Diejenigen, welche die Worte nu- mos accipientis non fieri gar nicht als Verneinung des erworbenen Eigenthums, ſondern nur des gültigen Dar- lehens, auffaſſen. Julian alſo betrachtet als entſcheidend den Willen, daß Eigenthum übergehe, woneben ihm der Grund dieſes Willens ſo ſehr in den Hintergrund tritt, daß die Verſchiedenheit der vorausgeſetzten Gründe den Übergang nicht hindern ſoll. Ulpian dagegen (wenn er wirklich den Übergang des Eigenthums verneinen will) be- trachtet als entſcheidend den auf einem beſtimmten Grund beruhenden Willen der Übertragung, ſo daß die Übertra- gung ſelbſt gehindert werden ſoll, wenn Beide Perſonen an verſchiedene Gründe denken. Jedoch dieſe ganze, das Eigenthum betreffende, Frage liegt hier außer den Grän- zen unſrer Unterſuchung, und wir laſſen ſie an dieſer Stelle auf ſich beruhen (d). Die Gültigkeit der Rechtsgeſchäfte iſt es, die uns hier angeht. Darüber nun ſagt Ulpian, eine gültige Schen- kung ſey gewiß nicht vorhanden, welches auch Julian be- zeuge (e). Dieſes alſo war, wie es ſcheint, ganz un- (d) Für Julian könnte man gel- tend machen § 40 J. de rer. div. (2. 1.). „Nihil enim tam con- veniens est naturali aequitati, quam voluntatem domini, vo- lentis rem suam iu alium trans- ferre, ratam haberi;” denn dieſe voluntas iſt hier augen- ſcheinlich vorhanden, und hierin ſtimmt auch der Empfänger über- ein. Doch ſoll damit der ganzen Unterſuchung nicht vorgegriffen werden, die nur im Zuſammen- hang der ganzen Lehre von der Tradition befriedigend angeſtellt werden kann. (e) Die Stelle des Julian, worauf er ſich hier bezieht, iſt offenbar nicht die im Text abge- druckte L. 36 de adqu. rer. dom.,

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/174>, abgerufen am 17.05.2024.