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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 165. Schenkung. Einschränkungen. 2. Erschwerende Formen.
wichtige Punkte als unzweifelhaft angenommen werden zu
dürfen. Erstlich war die Folge der Verletzung jener Vor-
schriften keinesweges die Nichtigkeit der Handlung (so wie
bey der Schenkung unter Ehegatten), sondern vorzüglich
der Schutz des Gebers, wenn dieser die Schenkung be-
reuen mochte, gegen die Klage des Empfängers, durch
jedes dazu dienliche Rechtsmittel. War z. B. ein Haus
durch Mancipation verschenkt worden, ohne Übertragung
des Interdictenbesitzes, so hatte allerdings der Empfänger
das Eigenthum und deshalb eine Vindication, aber diese
wurde durch eine exceptio L. Cinciae entkräftet. Dieser
Zustand der Sache hatte die wichtige Folge, daß, wenn
umgekehrt der Besitz des Hauses übergeben, und nur die
Mancipation versäumt war, dieser Mangel binnen kurzer
Zeit durch Usucapion gehoben werden konnte, so daß nun
nach zwey Jahren die Schenkung von selbst unanfechtbar
wurde (e). -- Zweytens sollte dieses Recht, die Schen-
kung, wegen Verletzung jener positiven Regeln, willkühr-
lich zu entkräften, ein persönliches Recht des Gebers seyn;
hatte er bey seinem Leben die Absicht der Schenkung nicht
widerrufen, so war der Erbe dazu nicht befugt (f). Fas-

(e) Fragm. Vat. § 293 "quae
mancipi sunt, usucapta vel man-
cipata
... avocari non possunt."

Hierin lag vielleicht im alten Recht
die wichtigste Anwendung der usu-
capio pro donato.
Bey der Schen-
kung unter Ehegatten war diese
Art der Bestätigung unzulässig
(§ 163. b).
(f) Fragm. Vat. § 259 "morte
Cincia removetur." ib. § 266
"nisi forte durante voluntate
decesserit donator."
(Nach § 266
möchte man folgenden historischen
Zusammenhang annehmen. Die
Sabinianer gaben dem Erben die
Exception nicht, wohl aber die
Proculianer; aber auch diese müs-

§. 165. Schenkung. Einſchränkungen. 2. Erſchwerende Formen.
wichtige Punkte als unzweifelhaft angenommen werden zu
dürfen. Erſtlich war die Folge der Verletzung jener Vor-
ſchriften keinesweges die Nichtigkeit der Handlung (ſo wie
bey der Schenkung unter Ehegatten), ſondern vorzüglich
der Schutz des Gebers, wenn dieſer die Schenkung be-
reuen mochte, gegen die Klage des Empfängers, durch
jedes dazu dienliche Rechtsmittel. War z. B. ein Haus
durch Mancipation verſchenkt worden, ohne Übertragung
des Interdictenbeſitzes, ſo hatte allerdings der Empfänger
das Eigenthum und deshalb eine Vindication, aber dieſe
wurde durch eine exceptio L. Cinciae entkräftet. Dieſer
Zuſtand der Sache hatte die wichtige Folge, daß, wenn
umgekehrt der Beſitz des Hauſes übergeben, und nur die
Mancipation verſäumt war, dieſer Mangel binnen kurzer
Zeit durch Uſucapion gehoben werden konnte, ſo daß nun
nach zwey Jahren die Schenkung von ſelbſt unanfechtbar
wurde (e). — Zweytens ſollte dieſes Recht, die Schen-
kung, wegen Verletzung jener poſitiven Regeln, willkühr-
lich zu entkräften, ein perſönliches Recht des Gebers ſeyn;
hatte er bey ſeinem Leben die Abſicht der Schenkung nicht
widerrufen, ſo war der Erbe dazu nicht befugt (f). Faſ-

(e) Fragm. Vat. § 293 „quae
mancipi sunt, usucapta vel man-
cipata
… avocari non possunt.”

Hierin lag vielleicht im alten Recht
die wichtigſte Anwendung der usu-
capio pro donato.
Bey der Schen-
kung unter Ehegatten war dieſe
Art der Beſtätigung unzuläſſig
(§ 163. b).
(f) Fragm. Vat. § 259 „morte
Cincia removetur.” ib. § 266
„nisi forte durante voluntate
decesserit donator.”
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möchte man folgenden hiſtoriſchen
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[197/0211] §. 165. Schenkung. Einſchränkungen. 2. Erſchwerende Formen. wichtige Punkte als unzweifelhaft angenommen werden zu dürfen. Erſtlich war die Folge der Verletzung jener Vor- ſchriften keinesweges die Nichtigkeit der Handlung (ſo wie bey der Schenkung unter Ehegatten), ſondern vorzüglich der Schutz des Gebers, wenn dieſer die Schenkung be- reuen mochte, gegen die Klage des Empfängers, durch jedes dazu dienliche Rechtsmittel. War z. B. ein Haus durch Mancipation verſchenkt worden, ohne Übertragung des Interdictenbeſitzes, ſo hatte allerdings der Empfänger das Eigenthum und deshalb eine Vindication, aber dieſe wurde durch eine exceptio L. Cinciae entkräftet. Dieſer Zuſtand der Sache hatte die wichtige Folge, daß, wenn umgekehrt der Beſitz des Hauſes übergeben, und nur die Mancipation verſäumt war, dieſer Mangel binnen kurzer Zeit durch Uſucapion gehoben werden konnte, ſo daß nun nach zwey Jahren die Schenkung von ſelbſt unanfechtbar wurde (e). — Zweytens ſollte dieſes Recht, die Schen- kung, wegen Verletzung jener poſitiven Regeln, willkühr- lich zu entkräften, ein perſönliches Recht des Gebers ſeyn; hatte er bey ſeinem Leben die Abſicht der Schenkung nicht widerrufen, ſo war der Erbe dazu nicht befugt (f). Faſ- (e) Fragm. Vat. § 293 „quae mancipi sunt, usucapta vel man- cipata … avocari non possunt.” Hierin lag vielleicht im alten Recht die wichtigſte Anwendung der usu- capio pro donato. Bey der Schen- kung unter Ehegatten war dieſe Art der Beſtätigung unzuläſſig (§ 163. b). (f) Fragm. Vat. § 259 „morte Cincia removetur.” ib. § 266 „nisi forte durante voluntate decesserit donator.” (Nach § 266 möchte man folgenden hiſtoriſchen Zuſammenhang annehmen. Die Sabinianer gaben dem Erben die Exception nicht, wohl aber die Proculianer; aber auch dieſe müſ-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/211>, abgerufen am 24.11.2024.