Justinian hat die drey hier erwähnten Gesetze in sei- nen Codex aufgenommen; namentlich also auch das Edict von Constantin, dieses jedoch mit folgenden merkwürdigen Änderungen. Bey der Vorschrift der Insinuation steht der neue Zusatz: ubi hoc leges expostulant, welcher darauf hindeutet, daß Justinian die Insinuation nur noch bey Schenkungen von mehr als 500 Solidi fordert. Die Vor- schrift der Tradition ist ganz weggeblieben, ohne Zweifel weil anderwärts Justinian verordnet hatte, das bloße, selbst formlose, Versprechen der Tradition solle eingeklagt werden können (p). Endlich die Vorschrift der schriftlichen Urkunde ist zwar geblieben, aber mit folgender merkwür- digen Änderung. Constantin selbst sagt: tabulae .. scien- tibus plurimis perscribantur. Darin liegt eine Hindeu- tung auf die Zuziehung von Zeugen, wenn auch keine un- bedingte Vorschrift derselben. Im Theodosischen Codex sind die Worte scientibus plurimis beybehalten, im Justi- nianischen aber weggelassen worden (q). Das Eigenthüm- liche also, was man aus dieser Verordnung geneigt seyn
(p)L. 35 § 5 C. de don. (8. 54.).
(q) Etwas vorher stehen zwar auch die Worte: neque id oc- culte aut privatim, und diese sind beybehalten. Darin aber liegt etwas ganz Anderes als die Vor- schrift von Zeugen. Man kann offen, ohne Heimlichkeit verfahren, z. B. indem Freunde und Ver- wandte die Schenkung wissen, ohne daß deshalb bey der Abfassung der Urkunde Zeugen zugezogen wer- den. -- Ja selbst die Worte scien- tibus plurimis enthalten zwar, mehr als jene, eine Hindeutung auf Zeugen, aber doch nicht ge- radezu eine Vorschrift derselben; denn Viele können um die Schen- kung wissen, ohne gerade bey dem Abschluß des Geschäfts als Zeu- gen zugezogen zu werden.
Juſtinian hat die drey hier erwähnten Geſetze in ſei- nen Codex aufgenommen; namentlich alſo auch das Edict von Conſtantin, dieſes jedoch mit folgenden merkwürdigen Änderungen. Bey der Vorſchrift der Inſinuation ſteht der neue Zuſatz: ubi hoc leges expostulant, welcher darauf hindeutet, daß Juſtinian die Inſinuation nur noch bey Schenkungen von mehr als 500 Solidi fordert. Die Vor- ſchrift der Tradition iſt ganz weggeblieben, ohne Zweifel weil anderwärts Juſtinian verordnet hatte, das bloße, ſelbſt formloſe, Verſprechen der Tradition ſolle eingeklagt werden können (p). Endlich die Vorſchrift der ſchriftlichen Urkunde iſt zwar geblieben, aber mit folgender merkwür- digen Änderung. Conſtantin ſelbſt ſagt: tabulae .. scien- tibus plurimis perscribantur. Darin liegt eine Hindeu- tung auf die Zuziehung von Zeugen, wenn auch keine un- bedingte Vorſchrift derſelben. Im Theodoſiſchen Codex ſind die Worte scientibus plurimis beybehalten, im Juſti- nianiſchen aber weggelaſſen worden (q). Das Eigenthüm- liche alſo, was man aus dieſer Verordnung geneigt ſeyn
(p)L. 35 § 5 C. de don. (8. 54.).
(q) Etwas vorher ſtehen zwar auch die Worte: neque id oc- culte aut privatim, und dieſe ſind beybehalten. Darin aber liegt etwas ganz Anderes als die Vor- ſchrift von Zeugen. Man kann offen, ohne Heimlichkeit verfahren, z. B. indem Freunde und Ver- wandte die Schenkung wiſſen, ohne daß deshalb bey der Abfaſſung der Urkunde Zeugen zugezogen wer- den. — Ja ſelbſt die Worte scien- tibus plurimis enthalten zwar, mehr als jene, eine Hindeutung auf Zeugen, aber doch nicht ge- radezu eine Vorſchrift derſelben; denn Viele können um die Schen- kung wiſſen, ohne gerade bey dem Abſchluß des Geſchäfts als Zeu- gen zugezogen zu werden.
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§. 165. Schenkung. Einſchränkungen. 2. Erſchwerende Formen.
Juſtinian hat die drey hier erwähnten Geſetze in ſei-
nen Codex aufgenommen; namentlich alſo auch das Edict
von Conſtantin, dieſes jedoch mit folgenden merkwürdigen
Änderungen. Bey der Vorſchrift der Inſinuation ſteht der
neue Zuſatz: ubi hoc leges expostulant, welcher darauf
hindeutet, daß Juſtinian die Inſinuation nur noch bey
Schenkungen von mehr als 500 Solidi fordert. Die Vor-
ſchrift der Tradition iſt ganz weggeblieben, ohne Zweifel
weil anderwärts Juſtinian verordnet hatte, das bloße,
ſelbſt formloſe, Verſprechen der Tradition ſolle eingeklagt
werden können (p). Endlich die Vorſchrift der ſchriftlichen
Urkunde iſt zwar geblieben, aber mit folgender merkwür-
digen Änderung. Conſtantin ſelbſt ſagt: tabulae .. scien-
tibus plurimis perscribantur. Darin liegt eine Hindeu-
tung auf die Zuziehung von Zeugen, wenn auch keine un-
bedingte Vorſchrift derſelben. Im Theodoſiſchen Codex
ſind die Worte scientibus plurimis beybehalten, im Juſti-
nianiſchen aber weggelaſſen worden (q). Das Eigenthüm-
liche alſo, was man aus dieſer Verordnung geneigt ſeyn
(p) L. 35 § 5 C. de don. (8. 54.).
(q) Etwas vorher ſtehen zwar
auch die Worte: neque id oc-
culte aut privatim, und dieſe
ſind beybehalten. Darin aber liegt
etwas ganz Anderes als die Vor-
ſchrift von Zeugen. Man kann
offen, ohne Heimlichkeit verfahren,
z. B. indem Freunde und Ver-
wandte die Schenkung wiſſen, ohne
daß deshalb bey der Abfaſſung der
Urkunde Zeugen zugezogen wer-
den. — Ja ſelbſt die Worte scien-
tibus plurimis enthalten zwar,
mehr als jene, eine Hindeutung
auf Zeugen, aber doch nicht ge-
radezu eine Vorſchrift derſelben;
denn Viele können um die Schen-
kung wiſſen, ohne gerade bey dem
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/217>, abgerufen am 16.02.2025.
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