Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.§. 170. Schenkung auf den Todesfall. gegebene Versprechen wegen der fehlenden Förmlichkeit zuumgehen sucht. Dieser Grund paßt nicht auf die mortis causa donatio, in welcher der Geber gewöhnlich den will- kührlichen Widerruf vorbehält. Allein die Beschränkung eines Gesetzes aus seinem Grunde ist überhaupt verwerf- lich, wenn nicht eine innere Verschiedenheit zwischen dem Gedanken und Ausdruck nachgewiesen werden kann (§ 37. 50). Im vorliegenden Fall aber ist das Gesetz allgemein auf alle donationes gerichtet, unter welche Gattung die einzelne Art der mortis causa donatio unzweifelhaft ge- hört (Note b), so daß die Worte des Gesetzes jener Be- schränkung entgegen sind. Auch liegt in der besonderen Natur unsrer Schenkung kein Grund zur Annahme, daß sie in dem Gedanken des Gesetzgebers nicht gelegen haben könne. Denn wenn es gestattet ist (wie Alle zugeben), durch formlosen Vertrag eine gewöhnliche Schenkung zu begründen, so hat dieses noch weniger Bedenken bey der m. c. donatio, die dem Geber, theils wegen der Bedin- gung des Todes, theils wegen des vorbehaltenen Wider- rufs, weniger gefährlich ist als jene. -- Übrigens scheint mir diese Streitfrage von sehr unerheblichem Interesse zu seyn, da sie eben nur auf den ursprünglichen Sinn des Justinianischen Gesetzes beschränkt ist, auf das heutige Recht aber unmöglich Einfluß haben kann. Denn Nie- mand zweifelt, daß im heutigen Recht der formlose Ver- trag überall an die Stelle der Stipulation trete. Da nun gleichfalls anerkannt wird, daß im Sinn von Justi- §. 170. Schenkung auf den Todesfall. gegebene Verſprechen wegen der fehlenden Förmlichkeit zuumgehen ſucht. Dieſer Grund paßt nicht auf die mortis causa donatio, in welcher der Geber gewöhnlich den will- kührlichen Widerruf vorbehält. Allein die Beſchränkung eines Geſetzes aus ſeinem Grunde iſt überhaupt verwerf- lich, wenn nicht eine innere Verſchiedenheit zwiſchen dem Gedanken und Ausdruck nachgewieſen werden kann (§ 37. 50). Im vorliegenden Fall aber iſt das Geſetz allgemein auf alle donationes gerichtet, unter welche Gattung die einzelne Art der mortis causa donatio unzweifelhaft ge- hört (Note b), ſo daß die Worte des Geſetzes jener Be- ſchränkung entgegen ſind. Auch liegt in der beſonderen Natur unſrer Schenkung kein Grund zur Annahme, daß ſie in dem Gedanken des Geſetzgebers nicht gelegen haben könne. Denn wenn es geſtattet iſt (wie Alle zugeben), durch formloſen Vertrag eine gewöhnliche Schenkung zu begründen, ſo hat dieſes noch weniger Bedenken bey der m. c. donatio, die dem Geber, theils wegen der Bedin- gung des Todes, theils wegen des vorbehaltenen Wider- rufs, weniger gefährlich iſt als jene. — Übrigens ſcheint mir dieſe Streitfrage von ſehr unerheblichem Intereſſe zu ſeyn, da ſie eben nur auf den urſprünglichen Sinn des Juſtinianiſchen Geſetzes beſchränkt iſt, auf das heutige Recht aber unmöglich Einfluß haben kann. Denn Nie- mand zweifelt, daß im heutigen Recht der formloſe Ver- trag überall an die Stelle der Stipulation trete. Da nun gleichfalls anerkannt wird, daß im Sinn von Juſti- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0265" n="251"/><fw place="top" type="header">§. 170. Schenkung auf den Todesfall.</fw><lb/> gegebene Verſprechen wegen der fehlenden Förmlichkeit zu<lb/> umgehen ſucht. 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§. 170. Schenkung auf den Todesfall.
gegebene Verſprechen wegen der fehlenden Förmlichkeit zu
umgehen ſucht. Dieſer Grund paßt nicht auf die mortis
causa donatio, in welcher der Geber gewöhnlich den will-
kührlichen Widerruf vorbehält. Allein die Beſchränkung
eines Geſetzes aus ſeinem Grunde iſt überhaupt verwerf-
lich, wenn nicht eine innere Verſchiedenheit zwiſchen dem
Gedanken und Ausdruck nachgewieſen werden kann (§ 37.
50). Im vorliegenden Fall aber iſt das Geſetz allgemein
auf alle donationes gerichtet, unter welche Gattung die
einzelne Art der mortis causa donatio unzweifelhaft ge-
hört (Note b), ſo daß die Worte des Geſetzes jener Be-
ſchränkung entgegen ſind. Auch liegt in der beſonderen
Natur unſrer Schenkung kein Grund zur Annahme, daß
ſie in dem Gedanken des Geſetzgebers nicht gelegen haben
könne. Denn wenn es geſtattet iſt (wie Alle zugeben),
durch formloſen Vertrag eine gewöhnliche Schenkung zu
begründen, ſo hat dieſes noch weniger Bedenken bey der
m. c. donatio, die dem Geber, theils wegen der Bedin-
gung des Todes, theils wegen des vorbehaltenen Wider-
rufs, weniger gefährlich iſt als jene. — Übrigens ſcheint
mir dieſe Streitfrage von ſehr unerheblichem Intereſſe zu
ſeyn, da ſie eben nur auf den urſprünglichen Sinn des
Juſtinianiſchen Geſetzes beſchränkt iſt, auf das heutige
Recht aber unmöglich Einfluß haben kann. Denn Nie-
mand zweifelt, daß im heutigen Recht der formloſe Ver-
trag überall an die Stelle der Stipulation trete. Da
nun gleichfalls anerkannt wird, daß im Sinn von Juſti-
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