Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. reine und ganze Codicillarform. Seit langer Zeit bestanddie allgemeine Regel, Legate und Fideicommisse könnten nur in Codicillen, und zwar vor Fünf Zeugen, errichtet werden (c). In dem Justinianischen Gesetz nun wird im Eingang eine Annäherung der mortis causa donatio an die Legate ausgesprochen, und daran die Vorschrift ge- knüpft, nach welcher Fünf Zeugen jede andere Form ent- behrlich machen sollen. Was ist wohl natürlicher, als diese Fünf Zeugen für die kurze Bezeichnung der Codicil- larform zu halten, wodurch ja eben Legate regelmäßig ihre Gültigkeit erhalten? Hätte etwa Justinian bey die- ser Gelegenheit alles Dasjenige wiederholen sollen, was an anderen Orten seiner Rechtsbücher über die Form der Codicille ausgesprochen ist? Es kommt hinzu, daß kurz zuvor der Kaiser für die großen Schenkungen unter Ehe- gatten bestimmt hatte, sie könnten nicht durch den Tod allein bestätigt werden, sondern nur entweder durch In- sinuation, oder durch suprema voluntas (d); dieses letzte aber heißt: entweder durch Testament, oder durch Codicill. Was er nun hier als suprema voluntas, alternativ neben der Insinuation, ausdrückt, bezeichnet er in jenem Gesetz durch die Fünf Zeugen; beide Bestimmungen sind in Wor- ten verschieden, in der Sache übereinstimmend, und er- läutern sich wechselseitig. -- Betrachtet man aus diesen Gründen die Fünf Zeugen lediglich als die kurze Verwei- (c) L. 8 § 3 C. de codicillis (6. 36.). (d) L. 25 C. de don. int. vir.
(5. 16.). Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. reine und ganze Codicillarform. Seit langer Zeit beſtanddie allgemeine Regel, Legate und Fideicommiſſe koͤnnten nur in Codicillen, und zwar vor Fünf Zeugen, errichtet werden (c). In dem Juſtinianiſchen Geſetz nun wird im Eingang eine Annäherung der mortis causa donatio an die Legate ausgeſprochen, und daran die Vorſchrift ge- knüpft, nach welcher Fünf Zeugen jede andere Form ent- behrlich machen ſollen. Was iſt wohl natürlicher, als dieſe Fünf Zeugen für die kurze Bezeichnung der Codicil- larform zu halten, wodurch ja eben Legate regelmäßig ihre Gültigkeit erhalten? Hätte etwa Juſtinian bey die- ſer Gelegenheit alles Dasjenige wiederholen ſollen, was an anderen Orten ſeiner Rechtsbücher über die Form der Codicille ausgeſprochen iſt? Es kommt hinzu, daß kurz zuvor der Kaiſer für die großen Schenkungen unter Ehe- gatten beſtimmt hatte, ſie könnten nicht durch den Tod allein beſtätigt werden, ſondern nur entweder durch In- ſinuation, oder durch suprema voluntas (d); dieſes letzte aber heißt: entweder durch Teſtament, oder durch Codicill. Was er nun hier als suprema voluntas, alternativ neben der Inſinuation, ausdrückt, bezeichnet er in jenem Geſetz durch die Fünf Zeugen; beide Beſtimmungen ſind in Wor- ten verſchieden, in der Sache übereinſtimmend, und er- läutern ſich wechſelſeitig. — Betrachtet man aus dieſen Gründen die Fünf Zeugen lediglich als die kurze Verwei- (c) L. 8 § 3 C. de codicillis (6. 36.). (d) L. 25 C. de don. int. vir.
(5. 16.). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0278" n="264"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Entſtehung und Untergang.</fw><lb/> reine und ganze Codicillarform. Seit langer Zeit beſtand<lb/> die allgemeine Regel, Legate und Fideicommiſſe koͤnnten<lb/> nur in Codicillen, und zwar vor Fünf Zeugen, errichtet<lb/> werden <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 8 § 3 <hi rendition="#i">C. de codicillis</hi></hi><lb/> (6. 36.).</note>. In dem Juſtinianiſchen Geſetz nun wird im<lb/> Eingang eine Annäherung der <hi rendition="#aq">mortis causa donatio</hi> an<lb/> die Legate ausgeſprochen, und daran die Vorſchrift ge-<lb/> knüpft, nach welcher Fünf Zeugen jede andere Form ent-<lb/> behrlich machen ſollen. Was iſt wohl natürlicher, als<lb/> dieſe Fünf Zeugen für die kurze Bezeichnung der Codicil-<lb/> larform zu halten, wodurch ja eben Legate regelmäßig<lb/> ihre Gültigkeit erhalten? Hätte etwa Juſtinian bey die-<lb/> ſer Gelegenheit alles Dasjenige wiederholen ſollen, was<lb/> an anderen Orten ſeiner Rechtsbücher über die Form der<lb/> Codicille ausgeſprochen iſt? Es kommt hinzu, daß kurz<lb/> zuvor der Kaiſer für die großen Schenkungen unter Ehe-<lb/> gatten beſtimmt hatte, ſie könnten nicht durch den Tod<lb/> allein beſtätigt werden, ſondern nur entweder durch In-<lb/> ſinuation, oder durch <hi rendition="#aq">suprema voluntas</hi> <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 25 <hi rendition="#i">C. de don. int. vir.</hi></hi><lb/> (5. 16.).</note>; dieſes letzte<lb/> aber heißt: entweder durch Teſtament, oder durch Codicill.<lb/> Was er nun hier als <hi rendition="#aq">suprema voluntas,</hi> alternativ neben<lb/> der Inſinuation, ausdrückt, bezeichnet er in jenem Geſetz<lb/> durch die Fünf Zeugen; beide Beſtimmungen ſind in Wor-<lb/> ten verſchieden, in der Sache übereinſtimmend, und er-<lb/> läutern ſich wechſelſeitig. — Betrachtet man aus dieſen<lb/> Gründen die Fünf Zeugen lediglich als die kurze Verwei-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [264/0278]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
reine und ganze Codicillarform. Seit langer Zeit beſtand
die allgemeine Regel, Legate und Fideicommiſſe koͤnnten
nur in Codicillen, und zwar vor Fünf Zeugen, errichtet
werden (c). In dem Juſtinianiſchen Geſetz nun wird im
Eingang eine Annäherung der mortis causa donatio an
die Legate ausgeſprochen, und daran die Vorſchrift ge-
knüpft, nach welcher Fünf Zeugen jede andere Form ent-
behrlich machen ſollen. Was iſt wohl natürlicher, als
dieſe Fünf Zeugen für die kurze Bezeichnung der Codicil-
larform zu halten, wodurch ja eben Legate regelmäßig
ihre Gültigkeit erhalten? Hätte etwa Juſtinian bey die-
ſer Gelegenheit alles Dasjenige wiederholen ſollen, was
an anderen Orten ſeiner Rechtsbücher über die Form der
Codicille ausgeſprochen iſt? Es kommt hinzu, daß kurz
zuvor der Kaiſer für die großen Schenkungen unter Ehe-
gatten beſtimmt hatte, ſie könnten nicht durch den Tod
allein beſtätigt werden, ſondern nur entweder durch In-
ſinuation, oder durch suprema voluntas (d); dieſes letzte
aber heißt: entweder durch Teſtament, oder durch Codicill.
Was er nun hier als suprema voluntas, alternativ neben
der Inſinuation, ausdrückt, bezeichnet er in jenem Geſetz
durch die Fünf Zeugen; beide Beſtimmungen ſind in Wor-
ten verſchieden, in der Sache übereinſtimmend, und er-
läutern ſich wechſelſeitig. — Betrachtet man aus dieſen
Gründen die Fünf Zeugen lediglich als die kurze Verwei-
(c) L. 8 § 3 C. de codicillis
(6. 36.).
(d) L. 25 C. de don. int. vir.
(5. 16.).
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |