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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 176. Schenkung. Neuere Gesetzgebungen.
vom Österreichischen (§ 1246). Das Französische dagegen
schließt sich ganz an das Römische Recht an, indem es
für jede in der Ehe vorgenommene Schenkung einen will-
kührlichen Widerruf zuläßt (art. 1096). Daß es an die
Stelle der Römischen Nichtigkeit ein bloßes Widerrufs-
recht setzt, ist nicht von großer praktischer Erheblichkeit;
wichtiger ist die Frage, ob diese Schenkung durch den
Tod des Gebers unwiderruflich wird. Ausdrücklich sagt
darüber das Gesetz Nichts; die Praxis aber nimmt an,
daß in dieser Hinsicht völlig die Regel des Römischen
Rechts gelte (b).

II. Die verschiedensten Maasregeln finden sich bey
den für die Gültigkeit der Schenkung vorgeschriebenen For-
men, in welchen überall eine gewisse Einschränkung liegt,
dadurch veranlaßt, daß allerdings von der Schenkung mehr
als von den meisten übrigen Verträgen Misbrauch zu be-
fürchten ist. Hierin nun ist die Vorschrift des neuesten
Römischen Rechts besonders mangelhaft; es fordert die
gerichtliche Insinuation nur bey einer sehr bedeutenden
Summe, und zwar ohne Rücksicht ob das Vermögen des
Gebers groß oder klein ist: unter jener Summe aber läßt
es die Schenkungen nicht blos ganz frey von positiven
Formen, sondern giebt sogar noch größere Freyheit als
bey den meisten anderen Verträgen, indem es die Stipu-
lation als Form des klagbaren Versprechens erläßt. Von
diesen Mängeln sind die neueren Gesetzgebungen frey.


(b) Toullier droit civil T. 5 § 918.
IV. 19

§. 176. Schenkung. Neuere Geſetzgebungen.
vom Öſterreichiſchen (§ 1246). Das Franzöſiſche dagegen
ſchließt ſich ganz an das Römiſche Recht an, indem es
für jede in der Ehe vorgenommene Schenkung einen will-
kührlichen Widerruf zuläßt (art. 1096). Daß es an die
Stelle der Römiſchen Nichtigkeit ein bloßes Widerrufs-
recht ſetzt, iſt nicht von großer praktiſcher Erheblichkeit;
wichtiger iſt die Frage, ob dieſe Schenkung durch den
Tod des Gebers unwiderruflich wird. Ausdrücklich ſagt
darüber das Geſetz Nichts; die Praxis aber nimmt an,
daß in dieſer Hinſicht völlig die Regel des Römiſchen
Rechts gelte (b).

II. Die verſchiedenſten Maasregeln finden ſich bey
den für die Gültigkeit der Schenkung vorgeſchriebenen For-
men, in welchen überall eine gewiſſe Einſchränkung liegt,
dadurch veranlaßt, daß allerdings von der Schenkung mehr
als von den meiſten übrigen Verträgen Misbrauch zu be-
fürchten iſt. Hierin nun iſt die Vorſchrift des neueſten
Römiſchen Rechts beſonders mangelhaft; es fordert die
gerichtliche Inſinuation nur bey einer ſehr bedeutenden
Summe, und zwar ohne Rückſicht ob das Vermögen des
Gebers groß oder klein iſt: unter jener Summe aber läßt
es die Schenkungen nicht blos ganz frey von poſitiven
Formen, ſondern giebt ſogar noch größere Freyheit als
bey den meiſten anderen Verträgen, indem es die Stipu-
lation als Form des klagbaren Verſprechens erläßt. Von
dieſen Mängeln ſind die neueren Geſetzgebungen frey.


(b) Toullier droit civil T. 5 § 918.
IV. 19
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[289/0303] §. 176. Schenkung. Neuere Geſetzgebungen. vom Öſterreichiſchen (§ 1246). Das Franzöſiſche dagegen ſchließt ſich ganz an das Römiſche Recht an, indem es für jede in der Ehe vorgenommene Schenkung einen will- kührlichen Widerruf zuläßt (art. 1096). Daß es an die Stelle der Römiſchen Nichtigkeit ein bloßes Widerrufs- recht ſetzt, iſt nicht von großer praktiſcher Erheblichkeit; wichtiger iſt die Frage, ob dieſe Schenkung durch den Tod des Gebers unwiderruflich wird. Ausdrücklich ſagt darüber das Geſetz Nichts; die Praxis aber nimmt an, daß in dieſer Hinſicht völlig die Regel des Römiſchen Rechts gelte (b). II. Die verſchiedenſten Maasregeln finden ſich bey den für die Gültigkeit der Schenkung vorgeſchriebenen For- men, in welchen überall eine gewiſſe Einſchränkung liegt, dadurch veranlaßt, daß allerdings von der Schenkung mehr als von den meiſten übrigen Verträgen Misbrauch zu be- fürchten iſt. Hierin nun iſt die Vorſchrift des neueſten Römiſchen Rechts beſonders mangelhaft; es fordert die gerichtliche Inſinuation nur bey einer ſehr bedeutenden Summe, und zwar ohne Rückſicht ob das Vermögen des Gebers groß oder klein iſt: unter jener Summe aber läßt es die Schenkungen nicht blos ganz frey von poſitiven Formen, ſondern giebt ſogar noch größere Freyheit als bey den meiſten anderen Verträgen, indem es die Stipu- lation als Form des klagbaren Verſprechens erläßt. Von dieſen Mängeln ſind die neueren Geſetzgebungen frey. (b) Toullier droit civil T. 5 § 918. IV. 19

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/303>, abgerufen am 15.08.2024.