muß ich zuerst wieder geltend machen die große Unwahr- scheinlichkeit, daß die ganze Frage sollte anders behandelt worden seyn bey den Testamenten als bey der Usucapion, der Manumission, und dem anniculus(i). Das Gewicht dieses Grundes wird verstärkt durch den Umstand, daß Ulpian hier augenscheinlich von demselben Gegensatz der Überschreitung und der bloßen Vollendung ausgeht, der auch in mehreren der vorher erklärten Stellen zum Grunde lag, und der also hier völlig gleiche Resultate, nicht, wie manche Gegner wollen, verschiedene, erwarten läßt. Für noch entscheidender aber halte ich endlich folgenden Um- stand. Derselbe Ulpian bedient sich in drey Stellen fol- gender Ausdrücke:
hora sexta noctis pridie Kal. Jan. (Usucapion.) post (horam) sextam noctis pridie Kal. (Manumission.) pridie Kal. .. post sextam horam noctis (Testament.)
Ist es nun wohl denkbar, daß derselbe Schriftsteller so ganz ähnlich lautende Ausdrücke, blos mit veränderter Wortfolge, gebraucht haben sollte, um ganz verschiedene Begriffe zu bezeichnen, hier wo die Verwechslung so nahe lag, daß ihm die Gefahr derselben unmöglich entgehen konnte, und wo er also dringende Veranlassung hatte, den Gegensatz, wenn ein solcher in seinem Gedanken lag, so scharf als möglich hervor zu heben?
(i) Diese Zusammenstellung kann also nur gegen Diejenigen als Be- weis gelten, welche (wie Erb) selbst schon bey der Usucapion dieselbe Rechnung vertheidigen, oder etwa durch die oben bey der Usucapion für diese Rechnung aufgestellten Grün- de überzeugt werden möchten.
muß ich zuerſt wieder geltend machen die große Unwahr- ſcheinlichkeit, daß die ganze Frage ſollte anders behandelt worden ſeyn bey den Teſtamenten als bey der Uſucapion, der Manumiſſion, und dem anniculus(i). Das Gewicht dieſes Grundes wird verſtärkt durch den Umſtand, daß Ulpian hier augenſcheinlich von demſelben Gegenſatz der Überſchreitung und der bloßen Vollendung ausgeht, der auch in mehreren der vorher erklärten Stellen zum Grunde lag, und der alſo hier völlig gleiche Reſultate, nicht, wie manche Gegner wollen, verſchiedene, erwarten läßt. Für noch entſcheidender aber halte ich endlich folgenden Um- ſtand. Derſelbe Ulpian bedient ſich in drey Stellen fol- gender Ausdrücke:
hora sexta noctis pridie Kal. Jan. (Uſucapion.) post (horam) sextam noctis pridie Kal. (Manumiſſion.) pridie Kal. .. post sextam horam noctis (Teſtament.)
Iſt es nun wohl denkbar, daß derſelbe Schriftſteller ſo ganz ähnlich lautende Ausdrücke, blos mit veränderter Wortfolge, gebraucht haben ſollte, um ganz verſchiedene Begriffe zu bezeichnen, hier wo die Verwechslung ſo nahe lag, daß ihm die Gefahr derſelben unmöglich entgehen konnte, und wo er alſo dringende Veranlaſſung hatte, den Gegenſatz, wenn ein ſolcher in ſeinem Gedanken lag, ſo ſcharf als möglich hervor zu heben?
(i) Dieſe Zuſammenſtellung kann alſo nur gegen Diejenigen als Be- weis gelten, welche (wie Erb) ſelbſt ſchon bey der Uſucapion dieſelbe Rechnung vertheidigen, oder etwa durch die oben bey der Uſucapion für dieſe Rechnung aufgeſtellten Grün- de überzeugt werden möchten.
IV. 25
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§. 184. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortſetzung.)
muß ich zuerſt wieder geltend machen die große Unwahr-
ſcheinlichkeit, daß die ganze Frage ſollte anders behandelt
worden ſeyn bey den Teſtamenten als bey der Uſucapion,
der Manumiſſion, und dem anniculus (i). Das Gewicht
dieſes Grundes wird verſtärkt durch den Umſtand, daß
Ulpian hier augenſcheinlich von demſelben Gegenſatz der
Überſchreitung und der bloßen Vollendung ausgeht, der
auch in mehreren der vorher erklärten Stellen zum Grunde
lag, und der alſo hier völlig gleiche Reſultate, nicht, wie
manche Gegner wollen, verſchiedene, erwarten läßt. Für
noch entſcheidender aber halte ich endlich folgenden Um-
ſtand. Derſelbe Ulpian bedient ſich in drey Stellen fol-
gender Ausdrücke:
hora sexta noctis pridie Kal. Jan. (Uſucapion.)
post (horam) sextam noctis pridie Kal. (Manumiſſion.)
pridie Kal. .. post sextam horam noctis (Teſtament.)
Iſt es nun wohl denkbar, daß derſelbe Schriftſteller
ſo ganz ähnlich lautende Ausdrücke, blos mit veränderter
Wortfolge, gebraucht haben ſollte, um ganz verſchiedene
Begriffe zu bezeichnen, hier wo die Verwechslung ſo nahe
lag, daß ihm die Gefahr derſelben unmöglich entgehen
konnte, und wo er alſo dringende Veranlaſſung hatte, den
Gegenſatz, wenn ein ſolcher in ſeinem Gedanken lag, ſo
ſcharf als möglich hervor zu heben?
(i) Dieſe Zuſammenſtellung kann
alſo nur gegen Diejenigen als Be-
weis gelten, welche (wie Erb) ſelbſt
ſchon bey der Uſucapion dieſelbe
Rechnung vertheidigen, oder etwa
durch die oben bey der Uſucapion für
dieſe Rechnung aufgeſtellten Grün-
de überzeugt werden möchten.
IV. 25
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/399>, abgerufen am 16.07.2024.
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