Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
Was nun noch zu bemerken übrig bleibt, ist von ge- ringerer Bedeutung. Die Worte: plus arbitror, und: ut Marciano videtur, haben Viele zu der Annahme verleitet, es müsse entweder Streit unter den alten Juristen gewe- sen seyn, oder Ulpian müsse durch neue Erfindung eine Änderung in diese Berechnung gebracht haben. Offenbar finden sie es unwahrscheinlich, wenn nur eine und dieselbe Civilcomputation (so wie ich es annehme) in allen ange- führten Stellen enthalten wäre, daß davon Ulpian so zwei- felnd rede, und eine ältere Autorität für seine Meynung anzuführen nöthig finde. Sie finden es also unbegreiflich, daß Ulpian viel Umstände machen sollte mit einem Rechts- begriff, der ja in allen unsren Compendien steht, und je- dem Zuhörer in den Pandekten, vielen schon in den In- stitutionen, vorgetragen wird. Sie vergessen dabey, daß die Römer auf andere Weise als wir zu ihrer Rechts- kenntniß zu kommen pflegten, und daß sich namentlich bey ihnen niemals eine solche traditionelle Masse von Defini- tionen, Distinctionen, und anderem theoretischen Apparat, wie bey uns, anhäufen und fortpflanzen konnte. Der Fall von dem Testament eines genau Vierzehenjährigen war vielleicht niemals, vielleicht nur höchst selten vorgekommen, und etwa gerade einmal von Marcian zufällig erwähnt worden. Die Lehre von der Civilcomputation stand in dieser abstracten Gestalt, alle verschiedene Fälle umfassend, vielleicht in keinem einzigen juristischen Buch, und es wa- ren nur gelegentlich die einzelnen Anwendungen derselben,
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
Was nun noch zu bemerken übrig bleibt, iſt von ge- ringerer Bedeutung. Die Worte: plus arbitror, und: ut Marciano videtur, haben Viele zu der Annahme verleitet, es müſſe entweder Streit unter den alten Juriſten gewe- ſen ſeyn, oder Ulpian müſſe durch neue Erfindung eine Änderung in dieſe Berechnung gebracht haben. Offenbar finden ſie es unwahrſcheinlich, wenn nur eine und dieſelbe Civilcomputation (ſo wie ich es annehme) in allen ange- führten Stellen enthalten wäre, daß davon Ulpian ſo zwei- felnd rede, und eine ältere Autorität für ſeine Meynung anzuführen nöthig finde. Sie finden es alſo unbegreiflich, daß Ulpian viel Umſtände machen ſollte mit einem Rechts- begriff, der ja in allen unſren Compendien ſteht, und je- dem Zuhörer in den Pandekten, vielen ſchon in den In- ſtitutionen, vorgetragen wird. Sie vergeſſen dabey, daß die Römer auf andere Weiſe als wir zu ihrer Rechts- kenntniß zu kommen pflegten, und daß ſich namentlich bey ihnen niemals eine ſolche traditionelle Maſſe von Defini- tionen, Diſtinctionen, und anderem theoretiſchen Apparat, wie bey uns, anhäufen und fortpflanzen konnte. Der Fall von dem Teſtament eines genau Vierzehenjährigen war vielleicht niemals, vielleicht nur höchſt ſelten vorgekommen, und etwa gerade einmal von Marcian zufällig erwähnt worden. Die Lehre von der Civilcomputation ſtand in dieſer abſtracten Geſtalt, alle verſchiedene Fälle umfaſſend, vielleicht in keinem einzigen juriſtiſchen Buch, und es wa- ren nur gelegentlich die einzelnen Anwendungen derſelben,
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
Was nun noch zu bemerken übrig bleibt, iſt von ge-
ringerer Bedeutung. Die Worte: plus arbitror, und: ut
Marciano videtur, haben Viele zu der Annahme verleitet,
es müſſe entweder Streit unter den alten Juriſten gewe-
ſen ſeyn, oder Ulpian müſſe durch neue Erfindung eine
Änderung in dieſe Berechnung gebracht haben. Offenbar
finden ſie es unwahrſcheinlich, wenn nur eine und dieſelbe
Civilcomputation (ſo wie ich es annehme) in allen ange-
führten Stellen enthalten wäre, daß davon Ulpian ſo zwei-
felnd rede, und eine ältere Autorität für ſeine Meynung
anzuführen nöthig finde. Sie finden es alſo unbegreiflich,
daß Ulpian viel Umſtände machen ſollte mit einem Rechts-
begriff, der ja in allen unſren Compendien ſteht, und je-
dem Zuhörer in den Pandekten, vielen ſchon in den In-
ſtitutionen, vorgetragen wird. Sie vergeſſen dabey, daß
die Römer auf andere Weiſe als wir zu ihrer Rechts-
kenntniß zu kommen pflegten, und daß ſich namentlich bey
ihnen niemals eine ſolche traditionelle Maſſe von Defini-
tionen, Diſtinctionen, und anderem theoretiſchen Apparat,
wie bey uns, anhäufen und fortpflanzen konnte. Der Fall
von dem Teſtament eines genau Vierzehenjährigen war
vielleicht niemals, vielleicht nur höchſt ſelten vorgekommen,
und etwa gerade einmal von Marcian zufällig erwähnt
worden. Die Lehre von der Civilcomputation ſtand in
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vielleicht in keinem einzigen juriſtiſchen Buch, und es wa-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/400>, abgerufen am 22.11.2024.
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