Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
Römischen Klagverjährung zum Grunde liegt; doch wage
ich nicht, etwas Bestimmtes darüber zu behaupten.

Das Preußische Landrecht hat ganz die Grundsätze an-
genommen, die ich hier in dem Römischen Recht nachzu-
weisen gesucht habe, nur noch in größerer Allgemeinheit.
Jeder Zeitraum soll, wenn durch seinen Ablauf ein Recht
erworben wird, mit dem Anfang des letzten Tages been-
digt werden (q), wenn dadurch ein Recht verloren wird,
mit dem Ende des Tages (r). Eine Berechnung ad mo-
menta
kommt daneben gar nicht vor; die Handlungsfähig-
keit des Minderjährigen fängt insbesondere mit dem An-
bruch des Geburtstages an (s), so daß diese Veränderung
als reiner Erwerb eines Rechts behandelt wird.

Das Französische Gesetzbuch hat die Regel, welche im
Römischen Recht für den Verlust durch Versäumniß gilt,
allgemein gemacht, so daß jeder juristische Zeitraum ge-
endigt wird mit dem Ablauf des letzten Tages, also mit
der nachfolgenden Mitternacht (t). Daher werden hier alle
Zeiträume in der That bald mehr bald weniger verlän-

(q) A. L. R. I. 3 § 46.
(r) A. L. R. I. 3 § 47, I. 9
§ 547. 549.
(s) A. L. R. I. 5 § 18.
(t) Code civil art. 2260. 2261.
"La prescription se compte
par jours, et non par heures.
-- Elle est acquise lorsque le
dernier jour du terme est ac-
compli." -- Dernier jour
könnte
an sich zweydeutig scheinen; in
Verbindung mit dem vorherge-
henden Artikel kann es nur der
Kalendertag seyn. -- Diese Be-
stimmungen sind die dispositions
generales
für die Zeit der Ver-
jährung, so daß sie die Usucapion
und Klagverjährung zugleich um-
fassen. Es ist wohl unbedenklich,
sie auch auf den Ablauf aller an-
deren juristischen Zeiträume an-
zuwenden, da die Absicht der Sim-
plification zum Grunde liegt.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
Römiſchen Klagverjährung zum Grunde liegt; doch wage
ich nicht, etwas Beſtimmtes darüber zu behaupten.

Das Preußiſche Landrecht hat ganz die Grundſätze an-
genommen, die ich hier in dem Römiſchen Recht nachzu-
weiſen geſucht habe, nur noch in größerer Allgemeinheit.
Jeder Zeitraum ſoll, wenn durch ſeinen Ablauf ein Recht
erworben wird, mit dem Anfang des letzten Tages been-
digt werden (q), wenn dadurch ein Recht verloren wird,
mit dem Ende des Tages (r). Eine Berechnung ad mo-
menta
kommt daneben gar nicht vor; die Handlungsfähig-
keit des Minderjährigen fängt insbeſondere mit dem An-
bruch des Geburtstages an (s), ſo daß dieſe Veränderung
als reiner Erwerb eines Rechts behandelt wird.

Das Franzöſiſche Geſetzbuch hat die Regel, welche im
Römiſchen Recht für den Verluſt durch Verſäumniß gilt,
allgemein gemacht, ſo daß jeder juriſtiſche Zeitraum ge-
endigt wird mit dem Ablauf des letzten Tages, alſo mit
der nachfolgenden Mitternacht (t). Daher werden hier alle
Zeiträume in der That bald mehr bald weniger verlän-

(q) A. L. R. I. 3 § 46.
(r) A. L. R. I. 3 § 47, I. 9
§ 547. 549.
(s) A. L. R. I. 5 § 18.
(t) Code civil art. 2260. 2261.
„La prescription se compte
par jours, et non par heures.
— Elle est acquise lorsque le
dernier jour du terme est ac-
compli.” — Dernier jour
könnte
an ſich zweydeutig ſcheinen; in
Verbindung mit dem vorherge-
henden Artikel kann es nur der
Kalendertag ſeyn. — Dieſe Be-
ſtimmungen ſind die dispositions
générales
für die Zeit der Ver-
jährung, ſo daß ſie die Uſucapion
und Klagverjährung zugleich um-
faſſen. Es iſt wohl unbedenklich,
ſie auch auf den Ablauf aller an-
deren juriſtiſchen Zeiträume an-
zuwenden, da die Abſicht der Sim-
plification zum Grunde liegt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0434" n="420"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Ent&#x017F;tehung und Untergang.</fw><lb/>
Römi&#x017F;chen Klagverjährung zum Grunde liegt; doch wage<lb/>
ich nicht, etwas Be&#x017F;timmtes darüber zu behaupten.</p><lb/>
            <p>Das Preußi&#x017F;che Landrecht hat ganz die Grund&#x017F;ätze an-<lb/>
genommen, die ich hier in dem Römi&#x017F;chen Recht nachzu-<lb/>
wei&#x017F;en ge&#x017F;ucht habe, nur noch in größerer Allgemeinheit.<lb/>
Jeder Zeitraum &#x017F;oll, wenn durch &#x017F;einen Ablauf ein Recht<lb/>
erworben wird, mit dem Anfang des letzten Tages been-<lb/>
digt werden <note place="foot" n="(q)">A. L. R. <hi rendition="#aq">I.</hi> 3 § 46.</note>, wenn dadurch ein Recht verloren wird,<lb/>
mit dem Ende des Tages <note place="foot" n="(r)">A. L. R. <hi rendition="#aq">I.</hi> 3 § 47, <hi rendition="#aq">I.</hi> 9<lb/>
§ 547. 549.</note>. Eine Berechnung <hi rendition="#aq">ad mo-<lb/>
menta</hi> kommt daneben gar nicht vor; die Handlungsfähig-<lb/>
keit des Minderjährigen fängt insbe&#x017F;ondere mit dem An-<lb/>
bruch des Geburtstages an <note place="foot" n="(s)">A. L. R. <hi rendition="#aq">I.</hi> 5 § 18.</note>, &#x017F;o daß die&#x017F;e Veränderung<lb/>
als reiner Erwerb eines Rechts behandelt wird.</p><lb/>
            <p>Das Franzö&#x017F;i&#x017F;che Ge&#x017F;etzbuch hat die Regel, welche im<lb/>
Römi&#x017F;chen Recht für den Verlu&#x017F;t durch Ver&#x017F;äumniß gilt,<lb/>
allgemein gemacht, &#x017F;o daß jeder juri&#x017F;ti&#x017F;che Zeitraum ge-<lb/>
endigt wird mit dem Ablauf des letzten Tages, al&#x017F;o mit<lb/>
der nachfolgenden Mitternacht <note place="foot" n="(t)"><hi rendition="#aq">Code civil art. 2260. 2261.<lb/>
&#x201E;La prescription se compte<lb/>
par jours, et non par heures.<lb/>
&#x2014; Elle est acquise lorsque le<lb/>
dernier jour du terme est ac-<lb/>
compli.&#x201D; &#x2014; Dernier jour</hi> könnte<lb/>
an &#x017F;ich zweydeutig &#x017F;cheinen; in<lb/>
Verbindung mit dem vorherge-<lb/>
henden Artikel kann es nur der<lb/>
Kalendertag &#x017F;eyn. &#x2014; Die&#x017F;e Be-<lb/>
&#x017F;timmungen &#x017F;ind die <hi rendition="#aq">dispositions<lb/>
générales</hi> für die Zeit der Ver-<lb/>
jährung, &#x017F;o daß &#x017F;ie die U&#x017F;ucapion<lb/>
und Klagverjährung zugleich um-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en. Es i&#x017F;t wohl unbedenklich,<lb/>
&#x017F;ie auch auf den Ablauf aller an-<lb/>
deren juri&#x017F;ti&#x017F;chen Zeiträume an-<lb/>
zuwenden, da die Ab&#x017F;icht der Sim-<lb/>
plification zum Grunde liegt.</note>. Daher werden hier alle<lb/>
Zeiträume in der That bald mehr bald weniger verlän-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[420/0434] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. Römiſchen Klagverjährung zum Grunde liegt; doch wage ich nicht, etwas Beſtimmtes darüber zu behaupten. Das Preußiſche Landrecht hat ganz die Grundſätze an- genommen, die ich hier in dem Römiſchen Recht nachzu- weiſen geſucht habe, nur noch in größerer Allgemeinheit. Jeder Zeitraum ſoll, wenn durch ſeinen Ablauf ein Recht erworben wird, mit dem Anfang des letzten Tages been- digt werden (q), wenn dadurch ein Recht verloren wird, mit dem Ende des Tages (r). Eine Berechnung ad mo- menta kommt daneben gar nicht vor; die Handlungsfähig- keit des Minderjährigen fängt insbeſondere mit dem An- bruch des Geburtstages an (s), ſo daß dieſe Veränderung als reiner Erwerb eines Rechts behandelt wird. Das Franzöſiſche Geſetzbuch hat die Regel, welche im Römiſchen Recht für den Verluſt durch Verſäumniß gilt, allgemein gemacht, ſo daß jeder juriſtiſche Zeitraum ge- endigt wird mit dem Ablauf des letzten Tages, alſo mit der nachfolgenden Mitternacht (t). Daher werden hier alle Zeiträume in der That bald mehr bald weniger verlän- (q) A. L. R. I. 3 § 46. (r) A. L. R. I. 3 § 47, I. 9 § 547. 549. (s) A. L. R. I. 5 § 18. (t) Code civil art. 2260. 2261. „La prescription se compte par jours, et non par heures. — Elle est acquise lorsque le dernier jour du terme est ac- compli.” — Dernier jour könnte an ſich zweydeutig ſcheinen; in Verbindung mit dem vorherge- henden Artikel kann es nur der Kalendertag ſeyn. — Dieſe Be- ſtimmungen ſind die dispositions générales für die Zeit der Ver- jährung, ſo daß ſie die Uſucapion und Klagverjährung zugleich um- faſſen. Es iſt wohl unbedenklich, ſie auch auf den Ablauf aller an- deren juriſtiſchen Zeiträume an- zuwenden, da die Abſicht der Sim- plification zum Grunde liegt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/434
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/434>, abgerufen am 22.11.2024.