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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
Prätor sagt: intra annum actionem (oder bonorum pos-
sessionem) dabo,
so soll das heißen: so lange mein Amts-
jahr dauern wird, welches also viel oder wenig seyn
konnte, je nachdem die Veranlassung der Klage oder der
Anfall der Erbschaft in eine frühe oder späte Zeit jenes
Jahres fiel. Selbst die menses utiles bey den ädilicischen
Klagen sollen so zu verstehen seyn, welches mit einem
zweymonatlichen Wechsel in der Verwaltung der beiden
Ädilen in Verbindung gebracht wird. -- Schon im Allge-
meinen muß es sehr bedenklich erscheinen, für die ganz
gleichartige Zusammenstellung von dies und annus utilis
eine völlig verschiedene Bedeutung anzunehmen, besonders
weil noch daneben die generische Bezeichnung durch tem-
pus utile
und utilitas temporis vorkommt, die offenbar
auf Gleichartigkeit hindeutet; eben so bedenklich, in dem
augenscheinlichen Gegensatz des intra annum und post an-
num,
den ersten Ausdruck in einer ganz anderen Beziehung
als den zweyten zu denken; höchst bedenklich auch schon
die Annahme, daß der Prätor ganz überflüssigerweise er-
klärt haben sollte, er werde nach Beendigung seines Amts
keine Amtshandlungen mehr vornehmen. Sucht man aber
diese Meynung durch Anwendung auf einzelne Fälle klar
zu machen, so erscheint sie vollkommen unhaltbar. War
Jemand im letzten Monat des Amtsjahrs beraubt wor-
den, so hätte derselbe zur Anstellung der actio vi bono-
rum raptorum
nur wenige Wochen übrig gehabt; daher
wäre es sehr räthlich gewesen, nicht anders als im De-

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
Prätor ſagt: intra annum actionem (oder bonorum pos-
sessionem) dabo,
ſo ſoll das heißen: ſo lange mein Amts-
jahr dauern wird, welches alſo viel oder wenig ſeyn
konnte, je nachdem die Veranlaſſung der Klage oder der
Anfall der Erbſchaft in eine frühe oder ſpäte Zeit jenes
Jahres fiel. Selbſt die menses utiles bey den ädiliciſchen
Klagen ſollen ſo zu verſtehen ſeyn, welches mit einem
zweymonatlichen Wechſel in der Verwaltung der beiden
Ädilen in Verbindung gebracht wird. — Schon im Allge-
meinen muß es ſehr bedenklich erſcheinen, für die ganz
gleichartige Zuſammenſtellung von dies und annus utilis
eine völlig verſchiedene Bedeutung anzunehmen, beſonders
weil noch daneben die generiſche Bezeichnung durch tem-
pus utile
und utilitas temporis vorkommt, die offenbar
auf Gleichartigkeit hindeutet; eben ſo bedenklich, in dem
augenſcheinlichen Gegenſatz des intra annum und post an-
num,
den erſten Ausdruck in einer ganz anderen Beziehung
als den zweyten zu denken; höchſt bedenklich auch ſchon
die Annahme, daß der Prätor ganz überflüſſigerweiſe er-
klärt haben ſollte, er werde nach Beendigung ſeines Amts
keine Amtshandlungen mehr vornehmen. Sucht man aber
dieſe Meynung durch Anwendung auf einzelne Fälle klar
zu machen, ſo erſcheint ſie vollkommen unhaltbar. War
Jemand im letzten Monat des Amtsjahrs beraubt wor-
den, ſo hätte derſelbe zur Anſtellung der actio vi bono-
rum raptorum
nur wenige Wochen übrig gehabt; daher
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[452/0466] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. Prätor ſagt: intra annum actionem (oder bonorum pos- sessionem) dabo, ſo ſoll das heißen: ſo lange mein Amts- jahr dauern wird, welches alſo viel oder wenig ſeyn konnte, je nachdem die Veranlaſſung der Klage oder der Anfall der Erbſchaft in eine frühe oder ſpäte Zeit jenes Jahres fiel. Selbſt die menses utiles bey den ädiliciſchen Klagen ſollen ſo zu verſtehen ſeyn, welches mit einem zweymonatlichen Wechſel in der Verwaltung der beiden Ädilen in Verbindung gebracht wird. — Schon im Allge- meinen muß es ſehr bedenklich erſcheinen, für die ganz gleichartige Zuſammenſtellung von dies und annus utilis eine völlig verſchiedene Bedeutung anzunehmen, beſonders weil noch daneben die generiſche Bezeichnung durch tem- pus utile und utilitas temporis vorkommt, die offenbar auf Gleichartigkeit hindeutet; eben ſo bedenklich, in dem augenſcheinlichen Gegenſatz des intra annum und post an- num, den erſten Ausdruck in einer ganz anderen Beziehung als den zweyten zu denken; höchſt bedenklich auch ſchon die Annahme, daß der Prätor ganz überflüſſigerweiſe er- klärt haben ſollte, er werde nach Beendigung ſeines Amts keine Amtshandlungen mehr vornehmen. Sucht man aber dieſe Meynung durch Anwendung auf einzelne Fälle klar zu machen, ſo erſcheint ſie vollkommen unhaltbar. War Jemand im letzten Monat des Amtsjahrs beraubt wor- den, ſo hätte derſelbe zur Anſtellung der actio vi bono- rum raptorum nur wenige Wochen übrig gehabt; daher wäre es ſehr räthlich geweſen, nicht anders als im De-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/466>, abgerufen am 14.06.2024.