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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 197. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römisches Recht. (Forts.)
darunter stets die Zuleitung des Wassers, zum Zweck
eigener Benutzung, verstanden, die Ableitung könnte nur
etwa durch abducere bezeichnet werden (so wie die servi-
tus stillicidii avertendi
), und für die Abzugsgräben kom-
men in der That völlig verschiedene Ausdrücke in unsren
Rechtsquellen vor (r).

Folgende Meynungen dagegen kommen darin überein,
daß sie, nach Verschiedenheit der Fälle, bald 10 oder
20 Jahre, bald aber die unvordenkliche Zeit, bey dem Er-
werb der Servituten annehmen, wodurch also die unvor-
denkliche Zeit zu einem wichtigen praktischen Moment für
die Servituten werden würde.

a) 10 oder 20 Jahre sollen nach Einer Meynung hin-
reichen, wenn der Besitz nec vi, nec clam, nec precario an-
gefangen hat; außerdem soll unvordenkliche Zeit nöthigseyn (s).
Diese Meynung ist völlig verwerflich, weil der unvordenk-
liche Besitz ein Besitz von unbekanntem Anfang ist, hier
aber vorausgesetzt wird, daß er mit Gewalt, oder heim-
lich, oder bittweise angefangen habe, welche Voraussetzung
nur bey einem bekannten Anfang denkbar ist.

b) Nach Anderen sollen 10 oder 20 Jahre hinreichen,
wenn ein positiver Rechtstitel, z. B. Kauf, dem Anfang
des Besitzes zum Grunde liegt, außerdem soll unvordenk-
liche Zeit nöthig seyn (t). Auch diese Meynung muß ver-

(r) L. 2 § 1 de aqua pluv.
(39. 3) "fossa vetus .. agrorum
siccandorum causa,"
eben so L. 2
§ 2. 4. 7 L. 1 § 23 eod.
(s) Donellus XI. 11 § 17.
(t) van de Water observ. II.
18. Thibaut Besitz und Ver-
jährung S. 111. 181. Späterhin
IV. 32

§. 197. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römiſches Recht. (Fortſ.)
darunter ſtets die Zuleitung des Waſſers, zum Zweck
eigener Benutzung, verſtanden, die Ableitung könnte nur
etwa durch abducere bezeichnet werden (ſo wie die servi-
tus stillicidii avertendi
), und für die Abzugsgräben kom-
men in der That völlig verſchiedene Ausdrücke in unſren
Rechtsquellen vor (r).

Folgende Meynungen dagegen kommen darin überein,
daß ſie, nach Verſchiedenheit der Fälle, bald 10 oder
20 Jahre, bald aber die unvordenkliche Zeit, bey dem Er-
werb der Servituten annehmen, wodurch alſo die unvor-
denkliche Zeit zu einem wichtigen praktiſchen Moment für
die Servituten werden würde.

a) 10 oder 20 Jahre ſollen nach Einer Meynung hin-
reichen, wenn der Beſitz nec vi, nec clam, nec precario an-
gefangen hat; außerdem ſoll unvordenkliche Zeit nöthigſeyn (s).
Dieſe Meynung iſt völlig verwerflich, weil der unvordenk-
liche Beſitz ein Beſitz von unbekanntem Anfang iſt, hier
aber vorausgeſetzt wird, daß er mit Gewalt, oder heim-
lich, oder bittweiſe angefangen habe, welche Vorausſetzung
nur bey einem bekannten Anfang denkbar iſt.

b) Nach Anderen ſollen 10 oder 20 Jahre hinreichen,
wenn ein poſitiver Rechtstitel, z. B. Kauf, dem Anfang
des Beſitzes zum Grunde liegt, außerdem ſoll unvordenk-
liche Zeit nöthig ſeyn (t). Auch dieſe Meynung muß ver-

(r) L. 2 § 1 de aqua pluv.
(39. 3) „fossa vetus .. agrorum
siccandorum causa,”
eben ſo L. 2
§ 2. 4. 7 L. 1 § 23 eod.
(s) Donellus XI. 11 § 17.
(t) van de Water observ. II.
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[497/0511] §. 197. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römiſches Recht. (Fortſ.) darunter ſtets die Zuleitung des Waſſers, zum Zweck eigener Benutzung, verſtanden, die Ableitung könnte nur etwa durch abducere bezeichnet werden (ſo wie die servi- tus stillicidii avertendi), und für die Abzugsgräben kom- men in der That völlig verſchiedene Ausdrücke in unſren Rechtsquellen vor (r). Folgende Meynungen dagegen kommen darin überein, daß ſie, nach Verſchiedenheit der Fälle, bald 10 oder 20 Jahre, bald aber die unvordenkliche Zeit, bey dem Er- werb der Servituten annehmen, wodurch alſo die unvor- denkliche Zeit zu einem wichtigen praktiſchen Moment für die Servituten werden würde. a) 10 oder 20 Jahre ſollen nach Einer Meynung hin- reichen, wenn der Beſitz nec vi, nec clam, nec precario an- gefangen hat; außerdem ſoll unvordenkliche Zeit nöthigſeyn (s). Dieſe Meynung iſt völlig verwerflich, weil der unvordenk- liche Beſitz ein Beſitz von unbekanntem Anfang iſt, hier aber vorausgeſetzt wird, daß er mit Gewalt, oder heim- lich, oder bittweiſe angefangen habe, welche Vorausſetzung nur bey einem bekannten Anfang denkbar iſt. b) Nach Anderen ſollen 10 oder 20 Jahre hinreichen, wenn ein poſitiver Rechtstitel, z. B. Kauf, dem Anfang des Beſitzes zum Grunde liegt, außerdem ſoll unvordenk- liche Zeit nöthig ſeyn (t). Auch dieſe Meynung muß ver- (r) L. 2 § 1 de aqua pluv. (39. 3) „fossa vetus .. agrorum siccandorum causa,” eben ſo L. 2 § 2. 4. 7 L. 1 § 23 eod. (s) Donellus XI. 11 § 17. (t) van de Water observ. II. 18. Thibaut Beſitz und Ver- jährung S. 111. 181. Späterhin IV. 32

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/511>, abgerufen am 22.11.2024.