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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
worfen werden, weil die oben angeführten Stellen, bey
dem Erwerb durch longi temporis possessio, nicht nur
von einem Rechtstitel schweigen, sondern für den Anfang
des Besitzes eine ganz andere Eigenschaft fordern (das nec
vi
u. s. w.), welche offenbar Surrogat des Titels seyn
soll, da es widersinnig seyn würde, beide Bedingungen
zugleich, neben einander, aufzustellen.

c) Scheinbarer ist folgende Meynung, die sich mehr
als alle andere in Gerichten geltend gemacht hat. 10 oder
20 Jahre sollen hinreichen bey einer continua servitus
(z. B. tigni immittendi), unvordenkliche Zeit soll nöthig seyn
bey einer discontinua (z. B. via) (u). -- Die höchst wich-
tigen Folgen dieser Meynung leuchten sogleich ein, wenn
man erwägt, daß gerade die bedeutendsten Prädialservitu-
ten, wie Weiderecht und Holzungsrecht, discontinuae sind,
so daß die Anwendung der unvordenklichen Zeit weit häu-
figer und wichtiger seyn würde, als die der 10 und 20 Jahre.
Prüft man nun diese Meynung nach den Quellenzeugnissen,

hat Thibaut diese Meynung auf-
gegeben. Pandekten § 1017 der
8ten Ausg. Vgl. auch Braun
Zusätze zu Thibaut S. 896 zu
§ 1054.
(u) Glossa quaesisti in L. 2
C. de serv.
(3. 34), und forte
tot
in L. 10 si serv.
(8. 5), wo
die continua servitus unter dem
Namen der perpetua causa vor-
kommt. Neben dieser Meynung
aber wird in beiden Glossen noch
eine andere vorgetragen, von wel-
cher noch unten die Rede seyn
soll. -- Neuere Schriftsteller für
diese Meynung werden in großer
Zahl angeführt von Glück B. 9
S. 148. -- Freylich kommt es nun
noch auf den Begriff der serv.
discontinua
an, der natürlich sehr
verschieden angegeben wird, da
die Sache dem Römischen Recht
ganz fremd ist. Pfeiffer S. 115
schließt jenen Begriff in sehr enge
Gränzen ein.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
worfen werden, weil die oben angeführten Stellen, bey
dem Erwerb durch longi temporis possessio, nicht nur
von einem Rechtstitel ſchweigen, ſondern für den Anfang
des Beſitzes eine ganz andere Eigenſchaft fordern (das nec
vi
u. ſ. w.), welche offenbar Surrogat des Titels ſeyn
ſoll, da es widerſinnig ſeyn würde, beide Bedingungen
zugleich, neben einander, aufzuſtellen.

c) Scheinbarer iſt folgende Meynung, die ſich mehr
als alle andere in Gerichten geltend gemacht hat. 10 oder
20 Jahre ſollen hinreichen bey einer continua servitus
(z. B. tigni immittendi), unvordenkliche Zeit ſoll nöthig ſeyn
bey einer discontinua (z. B. via) (u). — Die höchſt wich-
tigen Folgen dieſer Meynung leuchten ſogleich ein, wenn
man erwägt, daß gerade die bedeutendſten Prädialſervitu-
ten, wie Weiderecht und Holzungsrecht, discontinuae ſind,
ſo daß die Anwendung der unvordenklichen Zeit weit häu-
figer und wichtiger ſeyn würde, als die der 10 und 20 Jahre.
Prüft man nun dieſe Meynung nach den Quellenzeugniſſen,

hat Thibaut dieſe Meynung auf-
gegeben. Pandekten § 1017 der
8ten Ausg. Vgl. auch Braun
Zuſätze zu Thibaut S. 896 zu
§ 1054.
(u) Glossa quaesisti in L. 2
C. de serv.
(3. 34), und forte
tot
in L. 10 si serv.
(8. 5), wo
die continua servitus unter dem
Namen der perpetua causa vor-
kommt. Neben dieſer Meynung
aber wird in beiden Gloſſen noch
eine andere vorgetragen, von wel-
cher noch unten die Rede ſeyn
ſoll. — Neuere Schriftſteller für
dieſe Meynung werden in großer
Zahl angeführt von Glück B. 9
S. 148. — Freylich kommt es nun
noch auf den Begriff der serv.
discontinua
an, der natürlich ſehr
verſchieden angegeben wird, da
die Sache dem Römiſchen Recht
ganz fremd iſt. Pfeiffer S. 115
ſchließt jenen Begriff in ſehr enge
Gränzen ein.
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[498/0512] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. worfen werden, weil die oben angeführten Stellen, bey dem Erwerb durch longi temporis possessio, nicht nur von einem Rechtstitel ſchweigen, ſondern für den Anfang des Beſitzes eine ganz andere Eigenſchaft fordern (das nec vi u. ſ. w.), welche offenbar Surrogat des Titels ſeyn ſoll, da es widerſinnig ſeyn würde, beide Bedingungen zugleich, neben einander, aufzuſtellen. c) Scheinbarer iſt folgende Meynung, die ſich mehr als alle andere in Gerichten geltend gemacht hat. 10 oder 20 Jahre ſollen hinreichen bey einer continua servitus (z. B. tigni immittendi), unvordenkliche Zeit ſoll nöthig ſeyn bey einer discontinua (z. B. via) (u). — Die höchſt wich- tigen Folgen dieſer Meynung leuchten ſogleich ein, wenn man erwägt, daß gerade die bedeutendſten Prädialſervitu- ten, wie Weiderecht und Holzungsrecht, discontinuae ſind, ſo daß die Anwendung der unvordenklichen Zeit weit häu- figer und wichtiger ſeyn würde, als die der 10 und 20 Jahre. Prüft man nun dieſe Meynung nach den Quellenzeugniſſen, (t) (u) Glossa quaesisti in L. 2 C. de serv. (3. 34), und forte tot in L. 10 si serv. (8. 5), wo die continua servitus unter dem Namen der perpetua causa vor- kommt. Neben dieſer Meynung aber wird in beiden Gloſſen noch eine andere vorgetragen, von wel- cher noch unten die Rede ſeyn ſoll. — Neuere Schriftſteller für dieſe Meynung werden in großer Zahl angeführt von Glück B. 9 S. 148. — Freylich kommt es nun noch auf den Begriff der serv. discontinua an, der natürlich ſehr verſchieden angegeben wird, da die Sache dem Römiſchen Recht ganz fremd iſt. Pfeiffer S. 115 ſchließt jenen Begriff in ſehr enge Gränzen ein. (t) hat Thibaut dieſe Meynung auf- gegeben. Pandekten § 1017 der 8ten Ausg. Vgl. auch Braun Zuſätze zu Thibaut S. 896 zu § 1054.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/512>, abgerufen am 16.07.2024.