Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 201. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. (Forts.)
in irgend einer früheren unbekannten Zeit ein Rechtsgrund
dieses Zustandes eingetreten sey. Diese Vermuthung kann
nun zuvörderst nicht durch den Beweis entkräftet werden,
daß in irgend einem früheren Zeitpunkt das Gegentheil
jenes Zustandes wirklich einmal Statt gefunden hat (also
durch das bloße contrarium), da der vermuthete Rechts-
grund nach jenem Zeitpunkt eingetreten seyn kann, so daß
dessen Annahme mit jenem geführten Beweise gar nicht im
Widerspruch steht. Ganz entscheidend für diese Behaup-
tung ist die oben angeführte Stelle des Römischen Rechts
(§ 196. e), nach welcher Gemeindewege als öffentliche
gelten, wenn sie nur überhaupt als Wege über Menschen-
gedenken bestanden haben, obgleich man weiß, daß der
Boden derselben in irgend einer älteren Zeit als Feld von
den einzelnen Eigenthümern benutzt wurde (k), folglich da-
mals nicht die Gestalt eines Weges hatte. Leyser führt
zur Bestätigung noch folgendes Beyspiel an; da nach Ta-
citus unsre Vorfahren nur ausdrücklich bewilligte Steuern
bezahlt hätten, so würde, wenn man das bloße contra-
rium
als Widerlegung ansehen wollte, in Deutschland nie-
mals ein Steuerrecht durch unvordenkliche Verjährung
erworben werden können, da durch Tacitus stets das frü-
here contrarium erwiesen sey (l).


(k) L. 3 pr. de locis (43. 7)
".. quae ex agris privatorum
collatis
factae sunt."
Man muß
also wissen, daß der Weg, der es
jetzt ist, und seit Menschengeden-
ken war, früher einmal ager pri-
vatorum,
also kein Weg, gewe-
sen ist.
(l) Leyser 460. 2.

§. 201. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. (Fortſ.)
in irgend einer früheren unbekannten Zeit ein Rechtsgrund
dieſes Zuſtandes eingetreten ſey. Dieſe Vermuthung kann
nun zuvörderſt nicht durch den Beweis entkräftet werden,
daß in irgend einem früheren Zeitpunkt das Gegentheil
jenes Zuſtandes wirklich einmal Statt gefunden hat (alſo
durch das bloße contrarium), da der vermuthete Rechts-
grund nach jenem Zeitpunkt eingetreten ſeyn kann, ſo daß
deſſen Annahme mit jenem geführten Beweiſe gar nicht im
Widerſpruch ſteht. Ganz entſcheidend für dieſe Behaup-
tung iſt die oben angeführte Stelle des Römiſchen Rechts
(§ 196. e), nach welcher Gemeindewege als öffentliche
gelten, wenn ſie nur überhaupt als Wege über Menſchen-
gedenken beſtanden haben, obgleich man weiß, daß der
Boden derſelben in irgend einer älteren Zeit als Feld von
den einzelnen Eigenthümern benutzt wurde (k), folglich da-
mals nicht die Geſtalt eines Weges hatte. Leyſer führt
zur Beſtätigung noch folgendes Beyſpiel an; da nach Ta-
citus unſre Vorfahren nur ausdrücklich bewilligte Steuern
bezahlt hätten, ſo würde, wenn man das bloße contra-
rium
als Widerlegung anſehen wollte, in Deutſchland nie-
mals ein Steuerrecht durch unvordenkliche Verjährung
erworben werden können, da durch Tacitus ſtets das frü-
here contrarium erwieſen ſey (l).


(k) L. 3 pr. de locis (43. 7)
„.. quae ex agris privatorum
collatis
factae sunt.”
Man muß
alſo wiſſen, daß der Weg, der es
jetzt iſt, und ſeit Menſchengeden-
ken war, früher einmal ager pri-
vatorum,
alſo kein Weg, gewe-
ſen iſt.
(l) Leyser 460. 2.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0547" n="533"/><fw place="top" type="header">§. 201. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. (Fort&#x017F;.)</fw><lb/>
in irgend einer früheren unbekannten Zeit ein Rechtsgrund<lb/>
die&#x017F;es Zu&#x017F;tandes eingetreten &#x017F;ey. Die&#x017F;e Vermuthung kann<lb/>
nun zuvörder&#x017F;t nicht durch den Beweis entkräftet werden,<lb/>
daß in irgend einem früheren Zeitpunkt das <hi rendition="#g">Gegentheil</hi><lb/>
jenes Zu&#x017F;tandes wirklich einmal Statt gefunden hat (al&#x017F;o<lb/>
durch das bloße <hi rendition="#aq">contrarium</hi>), da der vermuthete Rechts-<lb/>
grund <hi rendition="#g">nach</hi> jenem Zeitpunkt eingetreten &#x017F;eyn kann, &#x017F;o daß<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Annahme mit jenem geführten Bewei&#x017F;e gar nicht im<lb/>
Wider&#x017F;pruch &#x017F;teht. Ganz ent&#x017F;cheidend für die&#x017F;e Behaup-<lb/>
tung i&#x017F;t die oben angeführte Stelle des Römi&#x017F;chen Rechts<lb/>
(§ 196. <hi rendition="#aq">e</hi>), nach welcher Gemeindewege als öffentliche<lb/>
gelten, wenn &#x017F;ie nur überhaupt als Wege über Men&#x017F;chen-<lb/>
gedenken be&#x017F;tanden haben, <hi rendition="#g">obgleich</hi> man weiß, daß der<lb/>
Boden der&#x017F;elben in irgend einer älteren Zeit als Feld von<lb/>
den einzelnen Eigenthümern benutzt wurde <note place="foot" n="(k)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 3 <hi rendition="#i">pr. de locis</hi> (43. 7)<lb/>
&#x201E;.. quae <hi rendition="#i">ex agris privatorum<lb/>
collatis</hi> factae sunt.&#x201D;</hi> Man muß<lb/>
al&#x017F;o wi&#x017F;&#x017F;en, daß der Weg, der es<lb/>
jetzt i&#x017F;t, und &#x017F;eit Men&#x017F;chengeden-<lb/>
ken war, früher einmal <hi rendition="#aq">ager pri-<lb/>
vatorum,</hi> al&#x017F;o kein Weg, gewe-<lb/>
&#x017F;en i&#x017F;t.</note>, folglich da-<lb/>
mals nicht die Ge&#x017F;talt eines Weges hatte. Ley&#x017F;er führt<lb/>
zur Be&#x017F;tätigung noch folgendes Bey&#x017F;piel an; da nach Ta-<lb/>
citus un&#x017F;re Vorfahren nur ausdrücklich bewilligte Steuern<lb/>
bezahlt hätten, &#x017F;o würde, wenn man das bloße <hi rendition="#aq">contra-<lb/>
rium</hi> als Widerlegung an&#x017F;ehen wollte, in Deut&#x017F;chland nie-<lb/>
mals ein Steuerrecht durch unvordenkliche Verjährung<lb/>
erworben werden können, da durch Tacitus &#x017F;tets das frü-<lb/>
here <hi rendition="#aq">contrarium</hi> erwie&#x017F;en &#x017F;ey <note place="foot" n="(l)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Leyser</hi></hi> 460. 2.</note>.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[533/0547] §. 201. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. (Fortſ.) in irgend einer früheren unbekannten Zeit ein Rechtsgrund dieſes Zuſtandes eingetreten ſey. Dieſe Vermuthung kann nun zuvörderſt nicht durch den Beweis entkräftet werden, daß in irgend einem früheren Zeitpunkt das Gegentheil jenes Zuſtandes wirklich einmal Statt gefunden hat (alſo durch das bloße contrarium), da der vermuthete Rechts- grund nach jenem Zeitpunkt eingetreten ſeyn kann, ſo daß deſſen Annahme mit jenem geführten Beweiſe gar nicht im Widerſpruch ſteht. Ganz entſcheidend für dieſe Behaup- tung iſt die oben angeführte Stelle des Römiſchen Rechts (§ 196. e), nach welcher Gemeindewege als öffentliche gelten, wenn ſie nur überhaupt als Wege über Menſchen- gedenken beſtanden haben, obgleich man weiß, daß der Boden derſelben in irgend einer älteren Zeit als Feld von den einzelnen Eigenthümern benutzt wurde (k), folglich da- mals nicht die Geſtalt eines Weges hatte. Leyſer führt zur Beſtätigung noch folgendes Beyſpiel an; da nach Ta- citus unſre Vorfahren nur ausdrücklich bewilligte Steuern bezahlt hätten, ſo würde, wenn man das bloße contra- rium als Widerlegung anſehen wollte, in Deutſchland nie- mals ein Steuerrecht durch unvordenkliche Verjährung erworben werden können, da durch Tacitus ſtets das frü- here contrarium erwieſen ſey (l). (k) L. 3 pr. de locis (43. 7) „.. quae ex agris privatorum collatis factae sunt.” Man muß alſo wiſſen, daß der Weg, der es jetzt iſt, und ſeit Menſchengeden- ken war, früher einmal ager pri- vatorum, alſo kein Weg, gewe- ſen iſt. (l) Leyser 460. 2.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/547
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/547>, abgerufen am 22.11.2024.