Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite
Beylage IX.

Dieses Princip soll nunmehr durch eine Reihe von
Fällen durchgeführt werden. Ich will dabey zunächst das
Verbot der Schenkung unter Ehegatten berücksichtigen, um
der Untersuchung mehr Anschaulichkeit zu geben; die An-
wendung auf die Insinuation und den Widerruf wird
dann leicht hinzugefügt werden können.

II.

Ich stelle einen Fall voran, der sich unter den übrigen
Unterlassungen durch die Einfachheit seiner Natur, so wie
durch die unzweifelhafte Entscheidung, die wir darüber in
unsren Rechtsquellen finden, auszeichnet. Wenn der Ehe-
mann an einer Sache seiner Frau eine Servitut hat, und
diese absichtlich durch Nichtgebrauch untergehen läßt,
so wird die Frau um den ganzen Werth der Servitut
reicher, und es geschieht dieses lediglich in Folge jener
Unterlassung, da unstreitig eine einzige Ausübung der Ser-
vitut, kurz vor dem Ablauf des gesetzlichen Zeitraums, die-
sen Verlust von des Mannes Vermögen abgewendet hätte.
Wäre nun die angegebene Unterlassung gleich einem Rechts-
geschäft zu behandeln, so müßte sie nichtig seyn, das heißt
der Verlust der Servitut müßte unterbleiben, die Servi-
tut müßte fortdauern. So ist es jedoch nicht, vielmehr
wird die Servitut in der That verloren, ganz wie unter
fremden Personen; da aber die Frau bereichert ist, und
da die Ursache dieser Bereicherung entschieden und aus-
schließend in der Liberalität des Mannes liegt, so hat die-

Beylage IX.

Dieſes Princip ſoll nunmehr durch eine Reihe von
Fällen durchgeführt werden. Ich will dabey zunächſt das
Verbot der Schenkung unter Ehegatten berückſichtigen, um
der Unterſuchung mehr Anſchaulichkeit zu geben; die An-
wendung auf die Inſinuation und den Widerruf wird
dann leicht hinzugefügt werden können.

II.

Ich ſtelle einen Fall voran, der ſich unter den übrigen
Unterlaſſungen durch die Einfachheit ſeiner Natur, ſo wie
durch die unzweifelhafte Entſcheidung, die wir darüber in
unſren Rechtsquellen finden, auszeichnet. Wenn der Ehe-
mann an einer Sache ſeiner Frau eine Servitut hat, und
dieſe abſichtlich durch Nichtgebrauch untergehen läßt,
ſo wird die Frau um den ganzen Werth der Servitut
reicher, und es geſchieht dieſes lediglich in Folge jener
Unterlaſſung, da unſtreitig eine einzige Ausübung der Ser-
vitut, kurz vor dem Ablauf des geſetzlichen Zeitraums, die-
ſen Verluſt von des Mannes Vermögen abgewendet hätte.
Wäre nun die angegebene Unterlaſſung gleich einem Rechts-
geſchäft zu behandeln, ſo müßte ſie nichtig ſeyn, das heißt
der Verluſt der Servitut müßte unterbleiben, die Servi-
tut müßte fortdauern. So iſt es jedoch nicht, vielmehr
wird die Servitut in der That verloren, ganz wie unter
fremden Perſonen; da aber die Frau bereichert iſt, und
da die Urſache dieſer Bereicherung entſchieden und aus-
ſchließend in der Liberalität des Mannes liegt, ſo hat die-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0578" n="564"/>
            <fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">IX.</hi></fw><lb/>
            <p>Die&#x017F;es Princip &#x017F;oll nunmehr durch eine Reihe von<lb/>
Fällen durchgeführt werden. Ich will dabey zunäch&#x017F;t das<lb/>
Verbot der Schenkung unter Ehegatten berück&#x017F;ichtigen, um<lb/>
der Unter&#x017F;uchung mehr An&#x017F;chaulichkeit zu geben; die An-<lb/>
wendung auf die In&#x017F;inuation und den Widerruf wird<lb/>
dann leicht hinzugefügt werden können.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">II.</hi> </hi> </head><lb/>
            <p>Ich &#x017F;telle einen Fall voran, der &#x017F;ich unter den übrigen<lb/>
Unterla&#x017F;&#x017F;ungen durch die Einfachheit &#x017F;einer Natur, &#x017F;o wie<lb/>
durch die unzweifelhafte Ent&#x017F;cheidung, die wir darüber in<lb/>
un&#x017F;ren Rechtsquellen finden, auszeichnet. Wenn der Ehe-<lb/>
mann an einer Sache &#x017F;einer Frau eine Servitut hat, und<lb/>
die&#x017F;e ab&#x017F;ichtlich durch <hi rendition="#g">Nichtgebrauch</hi> untergehen läßt,<lb/>
&#x017F;o wird die Frau um den ganzen Werth der Servitut<lb/>
reicher, und es ge&#x017F;chieht die&#x017F;es lediglich in Folge jener<lb/>
Unterla&#x017F;&#x017F;ung, da un&#x017F;treitig eine einzige Ausübung der Ser-<lb/>
vitut, kurz vor dem Ablauf des ge&#x017F;etzlichen Zeitraums, die-<lb/>
&#x017F;en Verlu&#x017F;t von des Mannes Vermögen abgewendet hätte.<lb/>
Wäre nun die angegebene Unterla&#x017F;&#x017F;ung gleich einem Rechts-<lb/>
ge&#x017F;chäft zu behandeln, &#x017F;o müßte &#x017F;ie nichtig &#x017F;eyn, das heißt<lb/>
der Verlu&#x017F;t der Servitut müßte unterbleiben, die Servi-<lb/>
tut müßte fortdauern. So i&#x017F;t es jedoch nicht, vielmehr<lb/>
wird die Servitut in der That verloren, ganz wie unter<lb/>
fremden Per&#x017F;onen; da aber die Frau bereichert i&#x017F;t, und<lb/>
da die Ur&#x017F;ache die&#x017F;er Bereicherung ent&#x017F;chieden und aus-<lb/>
&#x017F;chließend in der Liberalität des Mannes liegt, &#x017F;o hat die-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[564/0578] Beylage IX. Dieſes Princip ſoll nunmehr durch eine Reihe von Fällen durchgeführt werden. Ich will dabey zunächſt das Verbot der Schenkung unter Ehegatten berückſichtigen, um der Unterſuchung mehr Anſchaulichkeit zu geben; die An- wendung auf die Inſinuation und den Widerruf wird dann leicht hinzugefügt werden können. II. Ich ſtelle einen Fall voran, der ſich unter den übrigen Unterlaſſungen durch die Einfachheit ſeiner Natur, ſo wie durch die unzweifelhafte Entſcheidung, die wir darüber in unſren Rechtsquellen finden, auszeichnet. Wenn der Ehe- mann an einer Sache ſeiner Frau eine Servitut hat, und dieſe abſichtlich durch Nichtgebrauch untergehen läßt, ſo wird die Frau um den ganzen Werth der Servitut reicher, und es geſchieht dieſes lediglich in Folge jener Unterlaſſung, da unſtreitig eine einzige Ausübung der Ser- vitut, kurz vor dem Ablauf des geſetzlichen Zeitraums, die- ſen Verluſt von des Mannes Vermögen abgewendet hätte. Wäre nun die angegebene Unterlaſſung gleich einem Rechts- geſchäft zu behandeln, ſo müßte ſie nichtig ſeyn, das heißt der Verluſt der Servitut müßte unterbleiben, die Servi- tut müßte fortdauern. So iſt es jedoch nicht, vielmehr wird die Servitut in der That verloren, ganz wie unter fremden Perſonen; da aber die Frau bereichert iſt, und da die Urſache dieſer Bereicherung entſchieden und aus- ſchließend in der Liberalität des Mannes liegt, ſo hat die-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/578
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/578>, abgerufen am 24.11.2024.