Unwissenheit der Frau, unmöglich ist (a). Allein es ist in der Lehre von der Schenkung gezeigt worden, daß dazu auch einseitige Handlungen des Gebers tauglich sind (§ 160), so daß also dieser Grund nicht als entscheidend gelten kann.
Will man in dem angegebenen Fall eine verbotene Schenkung annehmen, so läßt sich das in einem zwiefachen Sinn denken: erstlich direct, so daß nun überhaupt keine Usucapion einträte; zweytens indirect, indem zwar die Usu- capion ihre gewöhnliche Wirkung äußerte, hinterher aber der Mann den verlornen Werth der Sache durch eine Condiction zurück fordern könnte.
Das erste aber ist völlig unmöglich. Denn das Ver- bot der Schenkung kann in keinem Fall eine größere Wir- kung hervorbringen, als wenn das Gegentheil der als Schenkung angesehenen Thatsache Statt gefunden hätte; so z. B., bey einer Schenkung durch Mancipation, wird Alles so behandelt, als ob gar nicht mancipirt worden wäre. In unsrem Fall also könnte aus der verbotenen Unterlassung des Mannes höchstens Dasselbe folgen, was folgen würde, wenn er Nichts unterlassen, sondern gehan- delt hätte. Worin konnte nun dieses Handeln bestehen? Dejection ist verboten, also mußte der Mann gegen seine Frau vindiciren. Allein die Vindication hindert den Ab- lauf der früher angefangenen Usucapion niemals, sondern giebt nur dem Kläger das Recht, wenn der Richter die
(a) Diesen Grund, den ich jetzt aufgebe, hatte ich in der Zeit- schrift a. a. O., S. 276, geltend gemacht.
Beylage IX.
Unwiſſenheit der Frau, unmöglich iſt (a). Allein es iſt in der Lehre von der Schenkung gezeigt worden, daß dazu auch einſeitige Handlungen des Gebers tauglich ſind (§ 160), ſo daß alſo dieſer Grund nicht als entſcheidend gelten kann.
Will man in dem angegebenen Fall eine verbotene Schenkung annehmen, ſo läßt ſich das in einem zwiefachen Sinn denken: erſtlich direct, ſo daß nun überhaupt keine Uſucapion einträte; zweytens indirect, indem zwar die Uſu- capion ihre gewöhnliche Wirkung äußerte, hinterher aber der Mann den verlornen Werth der Sache durch eine Condiction zurück fordern könnte.
Das erſte aber iſt völlig unmöglich. Denn das Ver- bot der Schenkung kann in keinem Fall eine größere Wir- kung hervorbringen, als wenn das Gegentheil der als Schenkung angeſehenen Thatſache Statt gefunden hätte; ſo z. B., bey einer Schenkung durch Mancipation, wird Alles ſo behandelt, als ob gar nicht mancipirt worden wäre. In unſrem Fall alſo könnte aus der verbotenen Unterlaſſung des Mannes höchſtens Daſſelbe folgen, was folgen würde, wenn er Nichts unterlaſſen, ſondern gehan- delt hätte. Worin konnte nun dieſes Handeln beſtehen? Dejection iſt verboten, alſo mußte der Mann gegen ſeine Frau vindiciren. Allein die Vindication hindert den Ab- lauf der früher angefangenen Uſucapion niemals, ſondern giebt nur dem Kläger das Recht, wenn der Richter die
(a) Dieſen Grund, den ich jetzt aufgebe, hatte ich in der Zeit- ſchrift a. a. O., S. 276, geltend gemacht.
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Beylage IX.
Unwiſſenheit der Frau, unmöglich iſt (a). Allein es iſt in
der Lehre von der Schenkung gezeigt worden, daß dazu
auch einſeitige Handlungen des Gebers tauglich ſind (§ 160),
ſo daß alſo dieſer Grund nicht als entſcheidend gelten kann.
Will man in dem angegebenen Fall eine verbotene
Schenkung annehmen, ſo läßt ſich das in einem zwiefachen
Sinn denken: erſtlich direct, ſo daß nun überhaupt keine
Uſucapion einträte; zweytens indirect, indem zwar die Uſu-
capion ihre gewöhnliche Wirkung äußerte, hinterher aber
der Mann den verlornen Werth der Sache durch eine
Condiction zurück fordern könnte.
Das erſte aber iſt völlig unmöglich. Denn das Ver-
bot der Schenkung kann in keinem Fall eine größere Wir-
kung hervorbringen, als wenn das Gegentheil der als
Schenkung angeſehenen Thatſache Statt gefunden hätte;
ſo z. B., bey einer Schenkung durch Mancipation, wird
Alles ſo behandelt, als ob gar nicht mancipirt worden
wäre. In unſrem Fall alſo könnte aus der verbotenen
Unterlaſſung des Mannes höchſtens Daſſelbe folgen, was
folgen würde, wenn er Nichts unterlaſſen, ſondern gehan-
delt hätte. Worin konnte nun dieſes Handeln beſtehen?
Dejection iſt verboten, alſo mußte der Mann gegen ſeine
Frau vindiciren. Allein die Vindication hindert den Ab-
lauf der früher angefangenen Uſucapion niemals, ſondern
giebt nur dem Kläger das Recht, wenn der Richter die
(a) Dieſen Grund, den ich jetzt
aufgebe, hatte ich in der Zeit-
ſchrift a. a. O., S. 276, geltend
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/586>, abgerufen am 24.11.2024.
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