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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 149. Schenkung. Begriff. 3. Bereicherung.

Sie kann auch gleichzeitig seyn mit dem Erwerb. Da-
hin gehört der Kauf und der Tausch, wenn mit dem Ver-
trag sogleich die Erfüllung von beiden Seiten verbunden
wird. Dahin gehört aber eben so der schon erwähnte
Empfang einer Zahlung, weil der Empfänger stets (und
ohne Rücksicht auf früheres Hingeben), gegen diesen Er-
werb die Schuldforderung austauscht, die bisher ein Stück
seines Vermögens war. Daher ist die Erfüllung eines
gültigen Schenkungsversprechens durchaus keine Schenkung,
sondern nur eine gewöhnliche Schuldzahlung. Ist also
das Schenkungsversprechen einer großen Summe durch
Insinuation rechtsgültig geworden, so bedarf die Auszah-
lung keiner neuen Insinuation. Ist ein Schenkungsver-
sprechen vertragsweise vor der Ehe gegeben, so ist die
während der Ehe geleistete Zahlung der versprochnen
Summe eine gültige Handlung. -- Hieraus erklärt sich
denn auch noch vollständiger der schon oben (Note a) auf-
gestellte Satz, daß die Zahlung oder Expromission einer
naturalis obligatio keine Schenkung ist. Denn gegen den
Empfang dieser Zahlung wird die bisher bestehende natu-
ralis obligatio
ausgetauscht, die, ungeachtet des ihr man-
gelnden Klagerechts, dennoch ein reelles Vermögensstück
ist, indem der rechtlich gesinnte Schuldner auch ohne rich-
terlichen Zwang sie erfüllen wird, noch abgesehen von den
indirecten Zwangsmitteln, die zufällig durch Compensation
u. s. w. herbeygeführt werden können. Eben so consequent
aber ist es auch, daß die wissentliche Zahlung eines inde-

§. 149. Schenkung. Begriff. 3. Bereicherung.

Sie kann auch gleichzeitig ſeyn mit dem Erwerb. Da-
hin gehört der Kauf und der Tauſch, wenn mit dem Ver-
trag ſogleich die Erfüllung von beiden Seiten verbunden
wird. Dahin gehört aber eben ſo der ſchon erwähnte
Empfang einer Zahlung, weil der Empfänger ſtets (und
ohne Rückſicht auf früheres Hingeben), gegen dieſen Er-
werb die Schuldforderung austauſcht, die bisher ein Stück
ſeines Vermögens war. Daher iſt die Erfüllung eines
gültigen Schenkungsverſprechens durchaus keine Schenkung,
ſondern nur eine gewöhnliche Schuldzahlung. Iſt alſo
das Schenkungsverſprechen einer großen Summe durch
Inſinuation rechtsgültig geworden, ſo bedarf die Auszah-
lung keiner neuen Inſinuation. Iſt ein Schenkungsver-
ſprechen vertragsweiſe vor der Ehe gegeben, ſo iſt die
während der Ehe geleiſtete Zahlung der verſprochnen
Summe eine gültige Handlung. — Hieraus erklärt ſich
denn auch noch vollſtändiger der ſchon oben (Note a) auf-
geſtellte Satz, daß die Zahlung oder Expromiſſion einer
naturalis obligatio keine Schenkung iſt. Denn gegen den
Empfang dieſer Zahlung wird die bisher beſtehende natu-
ralis obligatio
ausgetauſcht, die, ungeachtet des ihr man-
gelnden Klagerechts, dennoch ein reelles Vermögensſtück
iſt, indem der rechtlich geſinnte Schuldner auch ohne rich-
terlichen Zwang ſie erfüllen wird, noch abgeſehen von den
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[57/0071] §. 149. Schenkung. Begriff. 3. Bereicherung. Sie kann auch gleichzeitig ſeyn mit dem Erwerb. Da- hin gehört der Kauf und der Tauſch, wenn mit dem Ver- trag ſogleich die Erfüllung von beiden Seiten verbunden wird. Dahin gehört aber eben ſo der ſchon erwähnte Empfang einer Zahlung, weil der Empfänger ſtets (und ohne Rückſicht auf früheres Hingeben), gegen dieſen Er- werb die Schuldforderung austauſcht, die bisher ein Stück ſeines Vermögens war. Daher iſt die Erfüllung eines gültigen Schenkungsverſprechens durchaus keine Schenkung, ſondern nur eine gewöhnliche Schuldzahlung. Iſt alſo das Schenkungsverſprechen einer großen Summe durch Inſinuation rechtsgültig geworden, ſo bedarf die Auszah- lung keiner neuen Inſinuation. Iſt ein Schenkungsver- ſprechen vertragsweiſe vor der Ehe gegeben, ſo iſt die während der Ehe geleiſtete Zahlung der verſprochnen Summe eine gültige Handlung. — Hieraus erklärt ſich denn auch noch vollſtändiger der ſchon oben (Note a) auf- geſtellte Satz, daß die Zahlung oder Expromiſſion einer naturalis obligatio keine Schenkung iſt. Denn gegen den Empfang dieſer Zahlung wird die bisher beſtehende natu- ralis obligatio ausgetauſcht, die, ungeachtet des ihr man- gelnden Klagerechts, dennoch ein reelles Vermögensſtück iſt, indem der rechtlich geſinnte Schuldner auch ohne rich- terlichen Zwang ſie erfüllen wird, noch abgeſehen von den indirecten Zwangsmitteln, die zufällig durch Compenſation u. ſ. w. herbeygeführt werden können. Eben ſo conſequent aber iſt es auch, daß die wiſſentliche Zahlung eines inde-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/71>, abgerufen am 17.05.2024.