Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 152. Schenkung. Begriff. 4. Absicht.
obliegt, oder das Kind selbst, wenn dasselbe vaterlos und
vermögend ist. Geschieht Dieses aber blos aus menschli-
chem Antheil an dem Kinde, insbesondere von Seiten ei-
nes Verwandten, so gilt es nicht als Schenkung. Das
hat die Folge, daß keine Insinuation nöthig ist, daß die
Handlung auch von dem mütterlichen Großvater gültig
geschehen kann (i), und daß keine Rückforderung wegen
Undankbarkeit, sey es des Vaters oder des Kindes, Statt
findet (k). Ob nun diese oder eine andere Absicht zum
Grunde lag, ist eine factische Frage. Es lassen sich näm-
lich hier drey verschiedene Absichten denken. Erstlich der
eben beschriebene rein menschliche Antheil (pietas). Zwey-
tens negotiorum gestio, woraus gegen den, welchem die
Ausgaben der Erziehung oblagen, gegenwärtig aber er-
spart wurden, eine Klage entspringt. Drittens Schen-
kung, woraus zwar keine Klage, wohl aber die Anwend-
barkeit der positiven Schenkungsregeln entsteht. Die Stel-
len des Römischen Rechts, welche diesen ganzen Fall er-
wähnen, berühren nur den Zweifel zwischen den zwey er-
sten Absichten (pietas und negotiorum gestio) (l), und ver-

(i) Nämlich der mütterliche
Großvater, in dessen Gewalt die
Mutter steht, kann nicht dem Va-
ter des Kindes schenken, weil es
so gut wäre, als hätte die Frau
dem Manne geschenkt. L. 3 § 6
L. 32 § 16 de don. int. vir.
(24. 1.).
(k) Dieses scheint sonderbar, da
die Erziehung doch immer eine
große Wohlthat ist. Allein wenn
der freywillige Erzieher bey sei-
ner löblichen Handlung nicht an
einen geschenkten Geldeswerth
dachte, so kann er auch nicht hin-
terher einen solchen zum Gegen-
stand einer Strafforderung ma-
chen wollen.
(l) L. 34, L. 27 § 1 de neg.
gestis
(3. 5.), L. 15. 11. 13 C.
eod.
(2. 19.).

§. 152. Schenkung. Begriff. 4. Abſicht.
obliegt, oder das Kind ſelbſt, wenn daſſelbe vaterlos und
vermögend iſt. Geſchieht Dieſes aber blos aus menſchli-
chem Antheil an dem Kinde, insbeſondere von Seiten ei-
nes Verwandten, ſo gilt es nicht als Schenkung. Das
hat die Folge, daß keine Inſinuation nöthig iſt, daß die
Handlung auch von dem mütterlichen Großvater gültig
geſchehen kann (i), und daß keine Rückforderung wegen
Undankbarkeit, ſey es des Vaters oder des Kindes, Statt
findet (k). Ob nun dieſe oder eine andere Abſicht zum
Grunde lag, iſt eine factiſche Frage. Es laſſen ſich näm-
lich hier drey verſchiedene Abſichten denken. Erſtlich der
eben beſchriebene rein menſchliche Antheil (pietas). Zwey-
tens negotiorum gestio, woraus gegen den, welchem die
Ausgaben der Erziehung oblagen, gegenwärtig aber er-
ſpart wurden, eine Klage entſpringt. Drittens Schen-
kung, woraus zwar keine Klage, wohl aber die Anwend-
barkeit der poſitiven Schenkungsregeln entſteht. Die Stel-
len des Römiſchen Rechts, welche dieſen ganzen Fall er-
wähnen, berühren nur den Zweifel zwiſchen den zwey er-
ſten Abſichten (pietas und negotiorum gestio) (l), und ver-

(i) Nämlich der mütterliche
Großvater, in deſſen Gewalt die
Mutter ſteht, kann nicht dem Va-
ter des Kindes ſchenken, weil es
ſo gut wäre, als hätte die Frau
dem Manne geſchenkt. L. 3 § 6
L. 32 § 16 de don. int. vir.
(24. 1.).
(k) Dieſes ſcheint ſonderbar, da
die Erziehung doch immer eine
große Wohlthat iſt. Allein wenn
der freywillige Erzieher bey ſei-
ner löblichen Handlung nicht an
einen geſchenkten Geldeswerth
dachte, ſo kann er auch nicht hin-
terher einen ſolchen zum Gegen-
ſtand einer Strafforderung ma-
chen wollen.
(l) L. 34, L. 27 § 1 de neg.
gestis
(3. 5.), L. 15. 11. 13 C.
eod.
(2. 19.).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0099" n="85"/><fw place="top" type="header">§. 152. Schenkung. Begriff. 4. Ab&#x017F;icht.</fw><lb/>
obliegt, oder das Kind &#x017F;elb&#x017F;t, wenn da&#x017F;&#x017F;elbe vaterlos und<lb/>
vermögend i&#x017F;t. Ge&#x017F;chieht Die&#x017F;es aber blos aus men&#x017F;chli-<lb/>
chem Antheil an dem Kinde, insbe&#x017F;ondere von Seiten ei-<lb/>
nes Verwandten, &#x017F;o gilt es nicht als Schenkung. Das<lb/>
hat die Folge, daß keine In&#x017F;inuation nöthig i&#x017F;t, daß die<lb/>
Handlung auch von dem mütterlichen Großvater gültig<lb/>
ge&#x017F;chehen kann <note place="foot" n="(i)">Nämlich der mütterliche<lb/>
Großvater, in de&#x017F;&#x017F;en Gewalt die<lb/>
Mutter &#x017F;teht, kann nicht dem Va-<lb/>
ter des Kindes &#x017F;chenken, weil es<lb/>
&#x017F;o gut wäre, als hätte die Frau<lb/>
dem Manne ge&#x017F;chenkt. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 3 § 6<lb/><hi rendition="#i">L.</hi> 32 § 16 <hi rendition="#i">de don. int. vir.</hi></hi> (24. 1.).</note>, und daß keine Rückforderung wegen<lb/>
Undankbarkeit, &#x017F;ey es des Vaters oder des Kindes, Statt<lb/>
findet <note place="foot" n="(k)">Die&#x017F;es &#x017F;cheint &#x017F;onderbar, da<lb/>
die Erziehung doch immer eine<lb/>
große Wohlthat i&#x017F;t. Allein wenn<lb/>
der freywillige Erzieher bey &#x017F;ei-<lb/>
ner löblichen Handlung nicht an<lb/>
einen ge&#x017F;chenkten Geldeswerth<lb/>
dachte, &#x017F;o kann er auch nicht hin-<lb/>
terher einen &#x017F;olchen zum Gegen-<lb/>
&#x017F;tand einer Strafforderung ma-<lb/>
chen wollen.</note>. Ob nun die&#x017F;e oder eine andere Ab&#x017F;icht zum<lb/>
Grunde lag, i&#x017F;t eine facti&#x017F;che Frage. Es la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich näm-<lb/>
lich hier drey ver&#x017F;chiedene Ab&#x017F;ichten denken. Er&#x017F;tlich der<lb/>
eben be&#x017F;chriebene rein men&#x017F;chliche Antheil <hi rendition="#aq">(pietas)</hi>. Zwey-<lb/>
tens <hi rendition="#aq">negotiorum gestio,</hi> woraus gegen den, welchem die<lb/>
Ausgaben der Erziehung oblagen, gegenwärtig aber er-<lb/>
&#x017F;part wurden, eine Klage ent&#x017F;pringt. Drittens Schen-<lb/>
kung, woraus zwar keine Klage, wohl aber die Anwend-<lb/>
barkeit der po&#x017F;itiven Schenkungsregeln ent&#x017F;teht. Die Stel-<lb/>
len des Römi&#x017F;chen Rechts, welche die&#x017F;en ganzen Fall er-<lb/>
wähnen, berühren nur den Zweifel zwi&#x017F;chen den zwey er-<lb/>
&#x017F;ten Ab&#x017F;ichten (<hi rendition="#aq">pietas</hi> und <hi rendition="#aq">negotiorum gestio</hi>) <note place="foot" n="(l)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 34, <hi rendition="#i">L.</hi> 27 § 1 <hi rendition="#i">de neg.<lb/>
gestis</hi> (3. 5.), <hi rendition="#i">L.</hi> 15. 11. 13 <hi rendition="#i">C.<lb/>
eod.</hi></hi> (2. 19.).</note>, und ver-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0099] §. 152. Schenkung. Begriff. 4. Abſicht. obliegt, oder das Kind ſelbſt, wenn daſſelbe vaterlos und vermögend iſt. Geſchieht Dieſes aber blos aus menſchli- chem Antheil an dem Kinde, insbeſondere von Seiten ei- nes Verwandten, ſo gilt es nicht als Schenkung. Das hat die Folge, daß keine Inſinuation nöthig iſt, daß die Handlung auch von dem mütterlichen Großvater gültig geſchehen kann (i), und daß keine Rückforderung wegen Undankbarkeit, ſey es des Vaters oder des Kindes, Statt findet (k). Ob nun dieſe oder eine andere Abſicht zum Grunde lag, iſt eine factiſche Frage. Es laſſen ſich näm- lich hier drey verſchiedene Abſichten denken. Erſtlich der eben beſchriebene rein menſchliche Antheil (pietas). Zwey- tens negotiorum gestio, woraus gegen den, welchem die Ausgaben der Erziehung oblagen, gegenwärtig aber er- ſpart wurden, eine Klage entſpringt. Drittens Schen- kung, woraus zwar keine Klage, wohl aber die Anwend- barkeit der poſitiven Schenkungsregeln entſteht. Die Stel- len des Römiſchen Rechts, welche dieſen ganzen Fall er- wähnen, berühren nur den Zweifel zwiſchen den zwey er- ſten Abſichten (pietas und negotiorum gestio) (l), und ver- (i) Nämlich der mütterliche Großvater, in deſſen Gewalt die Mutter ſteht, kann nicht dem Va- ter des Kindes ſchenken, weil es ſo gut wäre, als hätte die Frau dem Manne geſchenkt. L. 3 § 6 L. 32 § 16 de don. int. vir. (24. 1.). (k) Dieſes ſcheint ſonderbar, da die Erziehung doch immer eine große Wohlthat iſt. Allein wenn der freywillige Erzieher bey ſei- ner löblichen Handlung nicht an einen geſchenkten Geldeswerth dachte, ſo kann er auch nicht hin- terher einen ſolchen zum Gegen- ſtand einer Strafforderung ma- chen wollen. (l) L. 34, L. 27 § 1 de neg. gestis (3. 5.), L. 15. 11. 13 C. eod. (2. 19.).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/99
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/99>, abgerufen am 17.05.2024.