gleichartigen Schutzes theilhaftig werden müssen. Denn der abstracte Grund, weshalb hier dem Darlehen ein Schutz höherer Art als anderen Verträgen gewährt wurde, lag in dem Umstand, daß ohne diesen Schutz mein Ver- mögen zum Vortheil eines Andern ohne Rechtsgrund ver- mindert seyn würde; consequenterweise werden wir also auch in anderen Fällen, worin nur dieses abstracte Ver- hältniß wahrgenommen wird, denselben Schutz zu gestat- ten haben. So geschieht es in der That, wenn mein Eigenthum den andern bereichert, nicht in Folge meines ihm gewährten Vertrauens, wohl aber in Folge einer irri- gen Handlung (condictio indebiti), oder in Folge eigen- mächtiger Handlung des Bereicherten, oder auch eines bloßen Zufalls. Vermittelst dieser natürlichen Entwicklung sind mit der Klage aus dem Darlehen auf gleiche Linie gestellt worden die condictio indebiti, sine causa, furtiva u. s. w. (a).
Eine zweyte, schon etwas künstlichere, Erweiterung jenes Schutzes liegt auf folgendem Wege. Wenn zwischen mir und einem Andern ein Rechtsverhältniß der Art be- steht, welche an sich nur durch Treue und Glauben ge- schützt zu seyn pflegt, wir einigen uns aber dahin, daß dafür unter uns ein strenger richterlicher Schutz gelten soll, gleichartig dem, welcher durch das anvertraute Eigen- genthum von selbst entsteht, so kann es nur zur Förderung und Belebung des Verkehrs gereichen, daß eine solche Einigung
(a) Beylage XIV. Num. IV -- VIII.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
gleichartigen Schutzes theilhaftig werden müſſen. Denn der abſtracte Grund, weshalb hier dem Darlehen ein Schutz höherer Art als anderen Verträgen gewährt wurde, lag in dem Umſtand, daß ohne dieſen Schutz mein Ver- mögen zum Vortheil eines Andern ohne Rechtsgrund ver- mindert ſeyn würde; conſequenterweiſe werden wir alſo auch in anderen Fällen, worin nur dieſes abſtracte Ver- hältniß wahrgenommen wird, denſelben Schutz zu geſtat- ten haben. So geſchieht es in der That, wenn mein Eigenthum den andern bereichert, nicht in Folge meines ihm gewährten Vertrauens, wohl aber in Folge einer irri- gen Handlung (condictio indebiti), oder in Folge eigen- mächtiger Handlung des Bereicherten, oder auch eines bloßen Zufalls. Vermittelſt dieſer natürlichen Entwicklung ſind mit der Klage aus dem Darlehen auf gleiche Linie geſtellt worden die condictio indebiti, sine causa, furtiva u. ſ. w. (a).
Eine zweyte, ſchon etwas künſtlichere, Erweiterung jenes Schutzes liegt auf folgendem Wege. Wenn zwiſchen mir und einem Andern ein Rechtsverhältniß der Art be- ſteht, welche an ſich nur durch Treue und Glauben ge- ſchützt zu ſeyn pflegt, wir einigen uns aber dahin, daß dafür unter uns ein ſtrenger richterlicher Schutz gelten ſoll, gleichartig dem, welcher durch das anvertraute Eigen- genthum von ſelbſt entſteht, ſo kann es nur zur Förderung und Belebung des Verkehrs gereichen, daß eine ſolche Einigung
(a) Beylage XIV. Num. IV — VIII.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0124"n="110"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hirendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
gleichartigen Schutzes theilhaftig werden müſſen. Denn<lb/>
der abſtracte Grund, weshalb hier dem Darlehen ein<lb/>
Schutz höherer Art als anderen Verträgen gewährt wurde,<lb/>
lag in dem Umſtand, daß ohne dieſen Schutz mein Ver-<lb/>
mögen zum Vortheil eines Andern ohne Rechtsgrund ver-<lb/>
mindert ſeyn würde; conſequenterweiſe werden wir alſo<lb/>
auch in anderen Fällen, worin nur dieſes abſtracte Ver-<lb/>
hältniß wahrgenommen wird, denſelben Schutz zu geſtat-<lb/>
ten haben. So geſchieht es in der That, wenn mein<lb/>
Eigenthum den andern bereichert, nicht in Folge meines<lb/>
ihm gewährten Vertrauens, wohl aber in Folge einer irri-<lb/>
gen Handlung (<hirendition="#aq">condictio indebiti</hi>), oder in Folge eigen-<lb/>
mächtiger Handlung des Bereicherten, oder auch eines<lb/>
bloßen Zufalls. Vermittelſt dieſer natürlichen Entwicklung<lb/>ſind mit der Klage aus dem Darlehen auf gleiche Linie<lb/>
geſtellt worden die <hirendition="#aq">condictio indebiti, sine causa, furtiva</hi><lb/>
u. ſ. w. <noteplace="foot"n="(a)">Beylage <hirendition="#aq">XIV.</hi> Num. <hirendition="#aq">IV — VIII.</hi></note>.</p><lb/><p>Eine zweyte, ſchon etwas künſtlichere, Erweiterung<lb/>
jenes Schutzes liegt auf folgendem Wege. Wenn zwiſchen<lb/>
mir und einem Andern ein Rechtsverhältniß der Art be-<lb/>ſteht, welche an ſich nur durch Treue und Glauben ge-<lb/>ſchützt zu ſeyn pflegt, wir einigen uns aber dahin, daß<lb/>
dafür unter uns ein ſtrenger richterlicher Schutz gelten<lb/>ſoll, gleichartig dem, welcher durch das anvertraute Eigen-<lb/>
genthum von ſelbſt entſteht, ſo kann es nur zur Förderung und<lb/>
Belebung des Verkehrs gereichen, daß eine ſolche Einigung<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[110/0124]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
gleichartigen Schutzes theilhaftig werden müſſen. Denn
der abſtracte Grund, weshalb hier dem Darlehen ein
Schutz höherer Art als anderen Verträgen gewährt wurde,
lag in dem Umſtand, daß ohne dieſen Schutz mein Ver-
mögen zum Vortheil eines Andern ohne Rechtsgrund ver-
mindert ſeyn würde; conſequenterweiſe werden wir alſo
auch in anderen Fällen, worin nur dieſes abſtracte Ver-
hältniß wahrgenommen wird, denſelben Schutz zu geſtat-
ten haben. So geſchieht es in der That, wenn mein
Eigenthum den andern bereichert, nicht in Folge meines
ihm gewährten Vertrauens, wohl aber in Folge einer irri-
gen Handlung (condictio indebiti), oder in Folge eigen-
mächtiger Handlung des Bereicherten, oder auch eines
bloßen Zufalls. Vermittelſt dieſer natürlichen Entwicklung
ſind mit der Klage aus dem Darlehen auf gleiche Linie
geſtellt worden die condictio indebiti, sine causa, furtiva
u. ſ. w. (a).
Eine zweyte, ſchon etwas künſtlichere, Erweiterung
jenes Schutzes liegt auf folgendem Wege. Wenn zwiſchen
mir und einem Andern ein Rechtsverhältniß der Art be-
ſteht, welche an ſich nur durch Treue und Glauben ge-
ſchützt zu ſeyn pflegt, wir einigen uns aber dahin, daß
dafür unter uns ein ſtrenger richterlicher Schutz gelten
ſoll, gleichartig dem, welcher durch das anvertraute Eigen-
genthum von ſelbſt entſteht, ſo kann es nur zur Förderung und
Belebung des Verkehrs gereichen, daß eine ſolche Einigung
(a) Beylage XIV. Num. IV — VIII.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/124>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.