§. 219. Actiones stricti juris (Condictiones), bonae fidei.
Wirksamkeit erhalte. Es wird dann nur darauf ankom- men, solche Formen anzuwenden, wodurch das Daseyn und der Ernst jener Einigung außer Zweifel gesetzt werde. Die natürlichste Einrichtung einer solchen Form wird dar- auf gerichtet seyn, daß die innere Verwandschaft mit den oben dargestellten Fällen, insbesondere mit dem Darlehen, sichtbar hervortrete. Hierauf beruht die mit dem Darle- hen völlig gleichartige Wirkung der expensilatio und sti- pulatio, so wie der alten nexi obligatio(b).
Nun aber ist es nöthig, diejenigen Rechtsgeschäfte, von welchen oben gesagt wurde, daß sie nur durch Treue und Glauben geschützt werden, noch genauer in's Auge zu fas- sen. Lediglich dabey stehen zu bleiben, wird durch die Rücksicht auf solche Personen bedenklich, welche geneigt seyn möchten, sich der schützenden Sitte völlig zu entziehen. Möchten Diese auch für die Zukunft durch das verscherzte Zutrauen vielleicht größeren Nachtheil erleiden, so würden sie doch im einzelnen Fall einen augenblicklichen, sehr un- verdienten, Gewinn ziehen können, und auch schon darin würde eine Störung der Rechtsordnung, wenngleich von minderer Art, liegen. Dadurch aber treten diese Fälle in eine gewisse Verwandtschaft mit den oben dargestellten, durch streng richterlichen Schutz zu sichernden Fällen, ohne jedoch völlig gleichartig mit ihnen zu werden.
Die Römer haben diese Verwandtschaft, und die noch daneben bestehende Verschiedenheit, in folgender Weise an-
(b) Beylage XIV. Num. IX. X.
§. 219. Actiones stricti juris (Condictiones), bonae fidei.
Wirkſamkeit erhalte. Es wird dann nur darauf ankom- men, ſolche Formen anzuwenden, wodurch das Daſeyn und der Ernſt jener Einigung außer Zweifel geſetzt werde. Die natürlichſte Einrichtung einer ſolchen Form wird dar- auf gerichtet ſeyn, daß die innere Verwandſchaft mit den oben dargeſtellten Faͤllen, insbeſondere mit dem Darlehen, ſichtbar hervortrete. Hierauf beruht die mit dem Darle- hen völlig gleichartige Wirkung der expensilatio und sti- pulatio, ſo wie der alten nexi obligatio(b).
Nun aber iſt es nöthig, diejenigen Rechtsgeſchäfte, von welchen oben geſagt wurde, daß ſie nur durch Treue und Glauben geſchützt werden, noch genauer in’s Auge zu faſ- ſen. Lediglich dabey ſtehen zu bleiben, wird durch die Rückſicht auf ſolche Perſonen bedenklich, welche geneigt ſeyn möchten, ſich der ſchützenden Sitte völlig zu entziehen. Möchten Dieſe auch für die Zukunft durch das verſcherzte Zutrauen vielleicht größeren Nachtheil erleiden, ſo würden ſie doch im einzelnen Fall einen augenblicklichen, ſehr un- verdienten, Gewinn ziehen können, und auch ſchon darin würde eine Störung der Rechtsordnung, wenngleich von minderer Art, liegen. Dadurch aber treten dieſe Fälle in eine gewiſſe Verwandtſchaft mit den oben dargeſtellten, durch ſtreng richterlichen Schutz zu ſichernden Fällen, ohne jedoch völlig gleichartig mit ihnen zu werden.
Die Römer haben dieſe Verwandtſchaft, und die noch daneben beſtehende Verſchiedenheit, in folgender Weiſe an-
(b) Beylage XIV. Num. IX. X.
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§. 219. Actiones stricti juris (Condictiones), bonae fidei.
Wirkſamkeit erhalte. Es wird dann nur darauf ankom-
men, ſolche Formen anzuwenden, wodurch das Daſeyn
und der Ernſt jener Einigung außer Zweifel geſetzt werde.
Die natürlichſte Einrichtung einer ſolchen Form wird dar-
auf gerichtet ſeyn, daß die innere Verwandſchaft mit den
oben dargeſtellten Faͤllen, insbeſondere mit dem Darlehen,
ſichtbar hervortrete. Hierauf beruht die mit dem Darle-
hen völlig gleichartige Wirkung der expensilatio und sti-
pulatio, ſo wie der alten nexi obligatio (b).
Nun aber iſt es nöthig, diejenigen Rechtsgeſchäfte, von
welchen oben geſagt wurde, daß ſie nur durch Treue und
Glauben geſchützt werden, noch genauer in’s Auge zu faſ-
ſen. Lediglich dabey ſtehen zu bleiben, wird durch die
Rückſicht auf ſolche Perſonen bedenklich, welche geneigt
ſeyn möchten, ſich der ſchützenden Sitte völlig zu entziehen.
Möchten Dieſe auch für die Zukunft durch das verſcherzte
Zutrauen vielleicht größeren Nachtheil erleiden, ſo würden
ſie doch im einzelnen Fall einen augenblicklichen, ſehr un-
verdienten, Gewinn ziehen können, und auch ſchon darin
würde eine Störung der Rechtsordnung, wenngleich von
minderer Art, liegen. Dadurch aber treten dieſe Fälle
in eine gewiſſe Verwandtſchaft mit den oben dargeſtellten,
durch ſtreng richterlichen Schutz zu ſichernden Fällen, ohne
jedoch völlig gleichartig mit ihnen zu werden.
Die Römer haben dieſe Verwandtſchaft, und die noch
daneben beſtehende Verſchiedenheit, in folgender Weiſe an-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/125>, abgerufen am 22.12.2024.
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