§. 219. Actiones stricti juris (Condictiones), bonae fidei.
Dieselbe entscheidet ein Judex, aus dem allgemeinen Rich- terverzeichniß genommen. Für die übrigen Fälle dagegen gilt eine bonae fidei actio, und darüber wird durch einen von den Parteyen gewählten Arbiter (oder durch Mehrere) entschieden. Der Judex vertritt lediglich die Stelle des Prä- tors, und muß sich daher in den buchstäblichen Gränzen halten, die ihm der Auftrag des Prätors vorschreibt. Der Arbiter hat die unter rechtlichen Menschen herrschende Sitte zu interpretiren, und urtheilt daher mit größerer Freyheit, indem sich der Prätor, ihm gegenüber, auf eine allgemeinere Leitung des Verfahrens beschränkt.
Diese verschiedene Macht des Judex und des Arbiter beruhte daher auf ihrer ganz verschiedenen Stellung zu den Parteyen und zur Obrigkeit, und dabey lag wieder zum Grunde die verschiedene Grundansicht in der Betrach- tung beider Klassen von Rechtsgeschäften. Es würde also irrig seyn, diese Verschiedenheit als eine absichtliche Be- günstigung des Klägers bey der einen oder andern Klasse der Klagen ansehen zu wollen, da jede derselben eigenthüm- liche Vortheile und Nachtheile für den Kläger mit sich führte, welche aber nicht als Zweck der ganzen Einrichtung angesehen werden dürfen (d).
Unter den Condictionen wurden drey Klassen, sowohl durch die Formeln im Prozeß, als durch wichtige prak- tische Regeln, unterschieden. Die erste, besonders ausge- zeichnete, Klasse bildete die certi condictio, auch si cer-
(d) Beylage XIII. Num. II. III. IV.
V. 8
§. 219. Actiones stricti juris (Condictiones), bonae fidei.
Dieſelbe entſcheidet ein Judex, aus dem allgemeinen Rich- terverzeichniß genommen. Für die übrigen Fälle dagegen gilt eine bonae fidei actio, und darüber wird durch einen von den Parteyen gewählten Arbiter (oder durch Mehrere) entſchieden. Der Judex vertritt lediglich die Stelle des Prä- tors, und muß ſich daher in den buchſtäblichen Gränzen halten, die ihm der Auftrag des Prätors vorſchreibt. Der Arbiter hat die unter rechtlichen Menſchen herrſchende Sitte zu interpretiren, und urtheilt daher mit größerer Freyheit, indem ſich der Prätor, ihm gegenüber, auf eine allgemeinere Leitung des Verfahrens beſchränkt.
Dieſe verſchiedene Macht des Judex und des Arbiter beruhte daher auf ihrer ganz verſchiedenen Stellung zu den Parteyen und zur Obrigkeit, und dabey lag wieder zum Grunde die verſchiedene Grundanſicht in der Betrach- tung beider Klaſſen von Rechtsgeſchäften. Es würde alſo irrig ſeyn, dieſe Verſchiedenheit als eine abſichtliche Be- günſtigung des Klägers bey der einen oder andern Klaſſe der Klagen anſehen zu wollen, da jede derſelben eigenthüm- liche Vortheile und Nachtheile für den Kläger mit ſich führte, welche aber nicht als Zweck der ganzen Einrichtung angeſehen werden dürfen (d).
Unter den Condictionen wurden drey Klaſſen, ſowohl durch die Formeln im Prozeß, als durch wichtige prak- tiſche Regeln, unterſchieden. Die erſte, beſonders ausge- zeichnete, Klaſſe bildete die certi condictio, auch si cer-
(d) Beylage XIII. Num. II. III. IV.
V. 8
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§. 219. Actiones stricti juris (Condictiones), bonae fidei.
Dieſelbe entſcheidet ein Judex, aus dem allgemeinen Rich-
terverzeichniß genommen. Für die übrigen Fälle dagegen
gilt eine bonae fidei actio, und darüber wird durch einen
von den Parteyen gewählten Arbiter (oder durch Mehrere)
entſchieden. Der Judex vertritt lediglich die Stelle des Prä-
tors, und muß ſich daher in den buchſtäblichen Gränzen
halten, die ihm der Auftrag des Prätors vorſchreibt. Der
Arbiter hat die unter rechtlichen Menſchen herrſchende
Sitte zu interpretiren, und urtheilt daher mit größerer
Freyheit, indem ſich der Prätor, ihm gegenüber, auf eine
allgemeinere Leitung des Verfahrens beſchränkt.
Dieſe verſchiedene Macht des Judex und des Arbiter
beruhte daher auf ihrer ganz verſchiedenen Stellung zu
den Parteyen und zur Obrigkeit, und dabey lag wieder
zum Grunde die verſchiedene Grundanſicht in der Betrach-
tung beider Klaſſen von Rechtsgeſchäften. Es würde alſo
irrig ſeyn, dieſe Verſchiedenheit als eine abſichtliche Be-
günſtigung des Klägers bey der einen oder andern Klaſſe
der Klagen anſehen zu wollen, da jede derſelben eigenthüm-
liche Vortheile und Nachtheile für den Kläger mit ſich
führte, welche aber nicht als Zweck der ganzen Einrichtung
angeſehen werden dürfen (d).
Unter den Condictionen wurden drey Klaſſen, ſowohl
durch die Formeln im Prozeß, als durch wichtige prak-
tiſche Regeln, unterſchieden. Die erſte, beſonders ausge-
zeichnete, Klaſſe bildete die certi condictio, auch si cer-
(d) Beylage XIII. Num. II. III. IV.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/127>, abgerufen am 22.12.2024.
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