oder Arbiter bezeichnete stets die Gränze zwischen den bei- den Hauptarten persönlicher Klagen. Als aber, mit der gesammten älteren Gerichtsverfassung (dem ordo judicio- rum), diese Verschiedenheit der Urtheiler verschwand, da hatte eigentlich das Wesen jenes Klagensystems aufgehört. Die Hinneigung zu der freyeren Art der Klagen mußte jetzt immer stärker hervor treten, und es blieben nur noch vereinzelte, rein praktische, Unterschiede übrig, die sich un- ter dem Einfluß des älteren Prozesses gebildet hatten, und die nunmehr nur deshalb fortbestanden, weil Niemand auf den Gedanken kam, sie aufzuheben.
Bis dahin ist der Gegensatz der strengen und freyen Klagen lediglich auf die persönlichen Civilklagen, welche aus Rechtsgeschäften entspringen, angewendet worden, in- dem diese in der That den Mittelpunkt des alten Actionen- systems bilden (§ 218. 219). Allein jener Gegensatz hat an sich eine allgemeinere Natur, und es muß daher auch bey den übrigen Klassen der Klagen nachgewiesen werden, wie sie sich zu demselben verhalten.
Die civilen Delictsklagen wurden ohne Zweifel, eben so wie die Condictionen, jedesmal von einem Judex ent- schieden und als strenge Klagen behandelt. Denn wenn ein alter Volksschluß eine Geldstrafe auf ein Delict setzte, so würde diese Bestimmung, ohne Verfolgung vor einem Richter, gar keinen Sinn gehabt haben (d).
(d) Beylage XIII. Num. VIII.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
oder Arbiter bezeichnete ſtets die Gränze zwiſchen den bei- den Hauptarten perſönlicher Klagen. Als aber, mit der geſammten älteren Gerichtsverfaſſung (dem ordo judicio- rum), dieſe Verſchiedenheit der Urtheiler verſchwand, da hatte eigentlich das Weſen jenes Klagenſyſtems aufgehört. Die Hinneigung zu der freyeren Art der Klagen mußte jetzt immer ſtärker hervor treten, und es blieben nur noch vereinzelte, rein praktiſche, Unterſchiede übrig, die ſich un- ter dem Einfluß des älteren Prozeſſes gebildet hatten, und die nunmehr nur deshalb fortbeſtanden, weil Niemand auf den Gedanken kam, ſie aufzuheben.
Bis dahin iſt der Gegenſatz der ſtrengen und freyen Klagen lediglich auf die perſönlichen Civilklagen, welche aus Rechtsgeſchäften entſpringen, angewendet worden, in- dem dieſe in der That den Mittelpunkt des alten Actionen- ſyſtems bilden (§ 218. 219). Allein jener Gegenſatz hat an ſich eine allgemeinere Natur, und es muß daher auch bey den übrigen Klaſſen der Klagen nachgewieſen werden, wie ſie ſich zu demſelben verhalten.
Die civilen Delictsklagen wurden ohne Zweifel, eben ſo wie die Condictionen, jedesmal von einem Judex ent- ſchieden und als ſtrenge Klagen behandelt. Denn wenn ein alter Volksſchluß eine Geldſtrafe auf ein Delict ſetzte, ſo würde dieſe Beſtimmung, ohne Verfolgung vor einem Richter, gar keinen Sinn gehabt haben (d).
(d) Beylage XIII. Num. VIII.
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
oder Arbiter bezeichnete ſtets die Gränze zwiſchen den bei-
den Hauptarten perſönlicher Klagen. Als aber, mit der
geſammten älteren Gerichtsverfaſſung (dem ordo judicio-
rum), dieſe Verſchiedenheit der Urtheiler verſchwand, da
hatte eigentlich das Weſen jenes Klagenſyſtems aufgehört.
Die Hinneigung zu der freyeren Art der Klagen mußte
jetzt immer ſtärker hervor treten, und es blieben nur noch
vereinzelte, rein praktiſche, Unterſchiede übrig, die ſich un-
ter dem Einfluß des älteren Prozeſſes gebildet hatten,
und die nunmehr nur deshalb fortbeſtanden, weil Niemand
auf den Gedanken kam, ſie aufzuheben.
Bis dahin iſt der Gegenſatz der ſtrengen und freyen
Klagen lediglich auf die perſönlichen Civilklagen, welche
aus Rechtsgeſchäften entſpringen, angewendet worden, in-
dem dieſe in der That den Mittelpunkt des alten Actionen-
ſyſtems bilden (§ 218. 219). Allein jener Gegenſatz hat
an ſich eine allgemeinere Natur, und es muß daher auch
bey den übrigen Klaſſen der Klagen nachgewieſen werden,
wie ſie ſich zu demſelben verhalten.
Die civilen Delictsklagen wurden ohne Zweifel, eben
ſo wie die Condictionen, jedesmal von einem Judex ent-
ſchieden und als ſtrenge Klagen behandelt. Denn wenn
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(d) Beylage XIII. Num. VIII.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/132>, abgerufen am 22.12.2024.
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