Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 231. Concurrenz der Klagen.

Wenn umgekehrt ein Thier gestohlen, und nachher von
dem Diebe getödtet wird, so haben die Klagen aus diesen
beiden Delicten völlig verschiedene Entstehungsgründe (c);
soweit sie aber auf Entschädigung gehen, wird dennoch
eine durch die andere absorbirt (d).

II. Eben so ist es für jenen Zweck gleichgültig, ob die
neben einander bestehenden Klagen gleichnamige oder un-
gleichnamige sind.

In dem schon angeführten Fall der Beleidigung einer
Ehefrau heißt die Klage des Mannes und die der Frau
actio injuriarum, dennoch sind beide von einander ganz
unabhängig.

Umgekehrt hat der Bestohlene gegen den Dieb sowohl

"Si ex eodem facto plura cri-
mina nascuntur,
et de uno
crimine in accusationem fuerit
deductus, de altero non pro-
hibetur ab alio deferri."
Der
Sinn dieser letzten Stelle tritt be-
sonders klar hervor durch den Ge-
gensatz der L. 14 de accus.
(48. 2.). "Senatus censuit, ne
quis ob idem crimen pluribus
legibus
reus fieret."
Hier ist
die Rede von Einer materiellen
Handlung, die auch nur eine ein-
zige juristische Beziehung hat, wo-
für aber zu verschiedenen Zeiten
verschiedene Strafgesetze erlassen
worden sind; hier wird dem neue-
sten Strafgesetz die sehr natürliche
Absicht zugeschrieben, eine neue
Strafe an der Stelle der früheren
einzuführen, nicht als Zusatz zu
derselben.
(c) Auf diesen Fall, worin selbst
ganz verschiedene materielle That-
sachen zum Grunde liegen, gehen
die Ausdrücke folgender Stellen.
L. 76 § 1 in f. de furtis (47. 2).
".. quia ex diversis factis te-
nentur." L. 32 § 1 ad L. Aqu.
(9. 2.). ".. duo enim sunt de-
licta." L.
48 eod. ".. quia al-
terius et alterius facti
hae res
sunt."
(d) L. 2 § 3 de priv. delictis
(47. 1.). Nach der condictio
furtiva
soll die a. L. Aquiliae
nur noch fortdauern wegen ihrer
möglichen höheren Schätzung; wor-
aus also folgt: 1) daß sie auf den
einfachen Werth nicht mehr ange-
stellt werden kann, 2) daß umge-
kehrt, wenn die a. L. Aquiliae zu-
erst angestellt wird, die Condiction
ganz wegfällt.
§. 231. Concurrenz der Klagen.

Wenn umgekehrt ein Thier geſtohlen, und nachher von
dem Diebe getödtet wird, ſo haben die Klagen aus dieſen
beiden Delicten völlig verſchiedene Entſtehungsgründe (c);
ſoweit ſie aber auf Entſchädigung gehen, wird dennoch
eine durch die andere abſorbirt (d).

II. Eben ſo iſt es für jenen Zweck gleichgültig, ob die
neben einander beſtehenden Klagen gleichnamige oder un-
gleichnamige ſind.

In dem ſchon angeführten Fall der Beleidigung einer
Ehefrau heißt die Klage des Mannes und die der Frau
actio injuriarum, dennoch ſind beide von einander ganz
unabhängig.

Umgekehrt hat der Beſtohlene gegen den Dieb ſowohl

„Si ex eodem facto plura cri-
mina nascuntur,
et de uno
crimine in accusationem fuerit
deductus, de altero non pro-
hibetur ab alio deferri.”
Der
Sinn dieſer letzten Stelle tritt be-
ſonders klar hervor durch den Ge-
genſatz der L. 14 de accus.
(48. 2.). „Senatus censuit, ne
quis ob idem crimen pluribus
legibus
reus fieret.”
Hier iſt
die Rede von Einer materiellen
Handlung, die auch nur eine ein-
zige juriſtiſche Beziehung hat, wo-
für aber zu verſchiedenen Zeiten
verſchiedene Strafgeſetze erlaſſen
worden ſind; hier wird dem neue-
ſten Strafgeſetz die ſehr natürliche
Abſicht zugeſchrieben, eine neue
Strafe an der Stelle der früheren
einzuführen, nicht als Zuſatz zu
derſelben.
(c) Auf dieſen Fall, worin ſelbſt
ganz verſchiedene materielle That-
ſachen zum Grunde liegen, gehen
die Ausdrücke folgender Stellen.
L. 76 § 1 in f. de furtis (47. 2).
„.. quia ex diversis factis te-
nentur.” L. 32 § 1 ad L. Aqu.
(9. 2.). „.. duo enim sunt de-
licta.” L.
48 eod. „.. quia al-
terius et alterius facti
hae res
sunt.”
(d) L. 2 § 3 de priv. delictis
(47. 1.). Nach der condictio
furtiva
ſoll die a. L. Aquiliae
nur noch fortdauern wegen ihrer
möglichen höheren Schätzung; wor-
aus alſo folgt: 1) daß ſie auf den
einfachen Werth nicht mehr ange-
ſtellt werden kann, 2) daß umge-
kehrt, wenn die a. L. Aquiliae zu-
erſt angeſtellt wird, die Condiction
ganz wegfällt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0221" n="207"/>
            <fw place="top" type="header">§. 231. Concurrenz der Klagen.</fw><lb/>
            <p>Wenn umgekehrt ein Thier ge&#x017F;tohlen, und nachher von<lb/>
dem Diebe getödtet wird, &#x017F;o haben die Klagen aus die&#x017F;en<lb/>
beiden Delicten völlig ver&#x017F;chiedene Ent&#x017F;tehungsgründe <note place="foot" n="(c)">Auf die&#x017F;en Fall, worin &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ganz ver&#x017F;chiedene materielle That-<lb/>
&#x017F;achen zum Grunde liegen, gehen<lb/>
die Ausdrücke folgender Stellen.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 76 § 1 <hi rendition="#i">in f. de furtis</hi> (47. 2).<lb/>
&#x201E;.. quia <hi rendition="#i">ex diversis factis</hi> te-<lb/>
nentur.&#x201D; <hi rendition="#i">L.</hi> 32 § 1 <hi rendition="#i">ad L. Aqu.</hi><lb/>
(9. 2.). <hi rendition="#i">&#x201E;.. duo</hi> enim sunt <hi rendition="#i">de-<lb/>
licta.&#x201D; L.</hi> 48 <hi rendition="#i">eod.</hi> &#x201E;.. quia <hi rendition="#i">al-<lb/>
terius et alterius facti</hi> hae res<lb/>
sunt.&#x201D;</hi></note>;<lb/>
&#x017F;oweit &#x017F;ie aber auf Ent&#x017F;chädigung gehen, wird dennoch<lb/>
eine durch die andere ab&#x017F;orbirt <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 2 § 3 <hi rendition="#i">de priv. delictis</hi></hi><lb/>
(47. 1.). Nach der <hi rendition="#aq">condictio<lb/>
furtiva</hi> &#x017F;oll die <hi rendition="#aq">a. L. Aquiliae</hi><lb/>
nur noch fortdauern wegen ihrer<lb/>
möglichen höheren Schätzung; wor-<lb/>
aus al&#x017F;o folgt: 1) daß &#x017F;ie auf den<lb/>
einfachen Werth nicht mehr ange-<lb/>
&#x017F;tellt werden kann, 2) daß umge-<lb/>
kehrt, wenn die <hi rendition="#aq">a. L. Aquiliae</hi> zu-<lb/>
er&#x017F;t ange&#x017F;tellt wird, die Condiction<lb/>
ganz wegfällt.</note>.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">II.</hi> Eben &#x017F;o i&#x017F;t es für jenen Zweck gleichgültig, ob die<lb/>
neben einander be&#x017F;tehenden Klagen gleichnamige oder un-<lb/>
gleichnamige &#x017F;ind.</p><lb/>
            <p>In dem &#x017F;chon angeführten Fall der Beleidigung einer<lb/>
Ehefrau heißt die Klage des Mannes und die der Frau<lb/><hi rendition="#aq">actio injuriarum,</hi> dennoch &#x017F;ind beide von einander ganz<lb/>
unabhängig.</p><lb/>
            <p>Umgekehrt hat der Be&#x017F;tohlene gegen den Dieb &#x017F;owohl<lb/><note xml:id="seg2pn_40_2" prev="#seg2pn_40_1" place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">&#x201E;Si ex eodem facto plura cri-<lb/>
mina nascuntur,</hi> et de uno<lb/>
crimine in accusationem fuerit<lb/>
deductus, de altero non pro-<lb/>
hibetur ab alio deferri.&#x201D;</hi> Der<lb/>
Sinn die&#x017F;er letzten Stelle tritt be-<lb/>
&#x017F;onders klar hervor durch den Ge-<lb/>
gen&#x017F;atz der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 14 <hi rendition="#i">de accus.</hi><lb/>
(48. 2.). &#x201E;Senatus censuit, ne<lb/>
quis <hi rendition="#i">ob idem crimen pluribus<lb/>
legibus</hi> reus fieret.&#x201D;</hi> Hier i&#x017F;t<lb/>
die Rede von Einer materiellen<lb/>
Handlung, die auch nur eine ein-<lb/>
zige juri&#x017F;ti&#x017F;che Beziehung hat, wo-<lb/>
für aber zu ver&#x017F;chiedenen Zeiten<lb/>
ver&#x017F;chiedene Strafge&#x017F;etze erla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
worden &#x017F;ind; hier wird dem neue-<lb/>
&#x017F;ten Strafge&#x017F;etz die &#x017F;ehr natürliche<lb/>
Ab&#x017F;icht zuge&#x017F;chrieben, eine neue<lb/>
Strafe an der Stelle der früheren<lb/>
einzuführen, nicht als Zu&#x017F;atz zu<lb/>
der&#x017F;elben.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0221] §. 231. Concurrenz der Klagen. Wenn umgekehrt ein Thier geſtohlen, und nachher von dem Diebe getödtet wird, ſo haben die Klagen aus dieſen beiden Delicten völlig verſchiedene Entſtehungsgründe (c); ſoweit ſie aber auf Entſchädigung gehen, wird dennoch eine durch die andere abſorbirt (d). II. Eben ſo iſt es für jenen Zweck gleichgültig, ob die neben einander beſtehenden Klagen gleichnamige oder un- gleichnamige ſind. In dem ſchon angeführten Fall der Beleidigung einer Ehefrau heißt die Klage des Mannes und die der Frau actio injuriarum, dennoch ſind beide von einander ganz unabhängig. Umgekehrt hat der Beſtohlene gegen den Dieb ſowohl (b) (c) Auf dieſen Fall, worin ſelbſt ganz verſchiedene materielle That- ſachen zum Grunde liegen, gehen die Ausdrücke folgender Stellen. L. 76 § 1 in f. de furtis (47. 2). „.. quia ex diversis factis te- nentur.” L. 32 § 1 ad L. Aqu. (9. 2.). „.. duo enim sunt de- licta.” L. 48 eod. „.. quia al- terius et alterius facti hae res sunt.” (d) L. 2 § 3 de priv. delictis (47. 1.). Nach der condictio furtiva ſoll die a. L. Aquiliae nur noch fortdauern wegen ihrer möglichen höheren Schätzung; wor- aus alſo folgt: 1) daß ſie auf den einfachen Werth nicht mehr ange- ſtellt werden kann, 2) daß umge- kehrt, wenn die a. L. Aquiliae zu- erſt angeſtellt wird, die Condiction ganz wegfällt. (b) „Si ex eodem facto plura cri- mina nascuntur, et de uno crimine in accusationem fuerit deductus, de altero non pro- hibetur ab alio deferri.” Der Sinn dieſer letzten Stelle tritt be- ſonders klar hervor durch den Ge- genſatz der L. 14 de accus. (48. 2.). „Senatus censuit, ne quis ob idem crimen pluribus legibus reus fieret.” Hier iſt die Rede von Einer materiellen Handlung, die auch nur eine ein- zige juriſtiſche Beziehung hat, wo- für aber zu verſchiedenen Zeiten verſchiedene Strafgeſetze erlaſſen worden ſind; hier wird dem neue- ſten Strafgeſetz die ſehr natürliche Abſicht zugeſchrieben, eine neue Strafe an der Stelle der früheren einzuführen, nicht als Zuſatz zu derſelben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/221
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/221>, abgerufen am 22.12.2024.