Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
des Berechtigten. Denn der Gebrauch der Exception kann
stets nur durch den Entschluß des Gegners zur Klage
herbeygeführt werden, ist also vorher gar nicht möglich.
Der wahre Sinn jener scheinbaren Concurrenz liegt nur
darin, daß neben meinem wirklich vorhandenen Klagrecht,
welches jeden Augenblick nach Willkühr gebraucht werden
kann, zugleich alle factische Bedingungen für eine Klage
des Gegners, und für meine Exception, wenn diese Klage
angestellt werden sollte, vorhanden sind (a). Es ist also
ein großer Unterschied zwischen einem solchen Fall, und
der Concurrenz der Klagen (§ 231 fg.); bey dieser hatte
der Berechtigte wirklich die Wahl zwischen zwey gleichar-
tigen Thätigkeiten; hier hat er nur die Wahl zwischen
Thätigkeit und unthätigem Abwarten. -- Zweytens ist
auch die angebliche Identität des Zwecks nur ungefähr
wahr, nämlich nur wenn man auf den letzten äußeren Er-
folg sieht, nicht auf die wahre juristische Wirkung. Denn
diese besteht (wenn ich den Prozeß gewinne) bey der Klage
in Verurtheilung des Gegners, bey der Exception in mei-

(a) Wenn mir durch Drohung
eine Veräußerung abgezwungen
wird, und ich die Sache zufällig
wieder in Besitz bekomme, so ist
der gegenwärtig beschriebene Fall
vorhanden, da alle Bedingungen
vorhanden sind für eine Vindica-
tion des Gegners (welcher wirk-
lich Eigenthümer ist) und meine
Vertheidigung durch metus ex-
ceptio.
Wenn dagegen der Geg-
ner im Besitz ist, so habe ich eine
Klage aber keine Exception, da
der Gegner jetzt nicht die Möglich-
keit einer Klage gegen mich hat.
Es muß also erst eine neue That-
sache eintreten (Verlust des Be-
sitzes an mich), damit der Gegner
eine Klage erlange, und ich (für
den Fall ihrer Anstellung) eine
Exception. Daher gehört dieser
letzte Fall zur dritten Klasse.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
des Berechtigten. Denn der Gebrauch der Exception kann
ſtets nur durch den Entſchluß des Gegners zur Klage
herbeygeführt werden, iſt alſo vorher gar nicht möglich.
Der wahre Sinn jener ſcheinbaren Concurrenz liegt nur
darin, daß neben meinem wirklich vorhandenen Klagrecht,
welches jeden Augenblick nach Willkühr gebraucht werden
kann, zugleich alle factiſche Bedingungen für eine Klage
des Gegners, und für meine Exception, wenn dieſe Klage
angeſtellt werden ſollte, vorhanden ſind (a). Es iſt alſo
ein großer Unterſchied zwiſchen einem ſolchen Fall, und
der Concurrenz der Klagen (§ 231 fg.); bey dieſer hatte
der Berechtigte wirklich die Wahl zwiſchen zwey gleichar-
tigen Thätigkeiten; hier hat er nur die Wahl zwiſchen
Thätigkeit und unthätigem Abwarten. — Zweytens iſt
auch die angebliche Identität des Zwecks nur ungefähr
wahr, nämlich nur wenn man auf den letzten äußeren Er-
folg ſieht, nicht auf die wahre juriſtiſche Wirkung. Denn
dieſe beſteht (wenn ich den Prozeß gewinne) bey der Klage
in Verurtheilung des Gegners, bey der Exception in mei-

(a) Wenn mir durch Drohung
eine Veräußerung abgezwungen
wird, und ich die Sache zufällig
wieder in Beſitz bekomme, ſo iſt
der gegenwärtig beſchriebene Fall
vorhanden, da alle Bedingungen
vorhanden ſind für eine Vindica-
tion des Gegners (welcher wirk-
lich Eigenthümer iſt) und meine
Vertheidigung durch metus ex-
ceptio.
Wenn dagegen der Geg-
ner im Beſitz iſt, ſo habe ich eine
Klage aber keine Exception, da
der Gegner jetzt nicht die Möglich-
keit einer Klage gegen mich hat.
Es muß alſo erſt eine neue That-
ſache eintreten (Verluſt des Be-
ſitzes an mich), damit der Gegner
eine Klage erlange, und ich (für
den Fall ihrer Anſtellung) eine
Exception. Daher gehört dieſer
letzte Fall zur dritten Klaſſe.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0434" n="420"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
des Berechtigten. Denn der Gebrauch der Exception kann<lb/>
&#x017F;tets nur durch den Ent&#x017F;chluß des Gegners zur Klage<lb/>
herbeygeführt werden, i&#x017F;t al&#x017F;o vorher gar nicht möglich.<lb/>
Der wahre Sinn jener &#x017F;cheinbaren Concurrenz liegt nur<lb/>
darin, daß neben meinem wirklich vorhandenen Klagrecht,<lb/>
welches jeden Augenblick nach Willkühr gebraucht werden<lb/>
kann, zugleich alle facti&#x017F;che Bedingungen für eine Klage<lb/>
des Gegners, und für meine Exception, <hi rendition="#g">wenn</hi> die&#x017F;e Klage<lb/>
ange&#x017F;tellt werden &#x017F;ollte, vorhanden &#x017F;ind <note place="foot" n="(a)">Wenn mir durch Drohung<lb/>
eine Veräußerung abgezwungen<lb/>
wird, und ich die Sache zufällig<lb/>
wieder in Be&#x017F;itz bekomme, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
der gegenwärtig be&#x017F;chriebene Fall<lb/>
vorhanden, da alle Bedingungen<lb/>
vorhanden &#x017F;ind für eine Vindica-<lb/>
tion des Gegners (welcher wirk-<lb/>
lich Eigenthümer i&#x017F;t) und meine<lb/>
Vertheidigung durch <hi rendition="#aq">metus ex-<lb/>
ceptio.</hi> Wenn dagegen der Geg-<lb/>
ner im Be&#x017F;itz i&#x017F;t, &#x017F;o habe ich eine<lb/>
Klage aber keine Exception, da<lb/>
der Gegner jetzt nicht die Möglich-<lb/>
keit einer Klage gegen mich hat.<lb/>
Es muß al&#x017F;o er&#x017F;t eine neue That-<lb/>
&#x017F;ache eintreten (Verlu&#x017F;t des Be-<lb/>
&#x017F;itzes an mich), damit der Gegner<lb/>
eine Klage erlange, und ich (für<lb/>
den Fall ihrer An&#x017F;tellung) eine<lb/>
Exception. Daher gehört die&#x017F;er<lb/>
letzte Fall zur dritten Kla&#x017F;&#x017F;e.</note>. Es i&#x017F;t al&#x017F;o<lb/>
ein großer Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen einem &#x017F;olchen Fall, und<lb/>
der Concurrenz der Klagen (§ 231 fg.); bey die&#x017F;er hatte<lb/>
der Berechtigte wirklich die Wahl zwi&#x017F;chen zwey gleichar-<lb/>
tigen Thätigkeiten; hier hat er nur die Wahl zwi&#x017F;chen<lb/>
Thätigkeit und unthätigem Abwarten. &#x2014; Zweytens i&#x017F;t<lb/>
auch die angebliche Identität des Zwecks nur <hi rendition="#g">ungefähr</hi><lb/>
wahr, nämlich nur wenn man auf den letzten äußeren Er-<lb/>
folg &#x017F;ieht, nicht auf die wahre juri&#x017F;ti&#x017F;che Wirkung. Denn<lb/>
die&#x017F;e be&#x017F;teht (wenn ich den Prozeß gewinne) bey der Klage<lb/>
in Verurtheilung des Gegners, bey der Exception in mei-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[420/0434] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. des Berechtigten. Denn der Gebrauch der Exception kann ſtets nur durch den Entſchluß des Gegners zur Klage herbeygeführt werden, iſt alſo vorher gar nicht möglich. Der wahre Sinn jener ſcheinbaren Concurrenz liegt nur darin, daß neben meinem wirklich vorhandenen Klagrecht, welches jeden Augenblick nach Willkühr gebraucht werden kann, zugleich alle factiſche Bedingungen für eine Klage des Gegners, und für meine Exception, wenn dieſe Klage angeſtellt werden ſollte, vorhanden ſind (a). Es iſt alſo ein großer Unterſchied zwiſchen einem ſolchen Fall, und der Concurrenz der Klagen (§ 231 fg.); bey dieſer hatte der Berechtigte wirklich die Wahl zwiſchen zwey gleichar- tigen Thätigkeiten; hier hat er nur die Wahl zwiſchen Thätigkeit und unthätigem Abwarten. — Zweytens iſt auch die angebliche Identität des Zwecks nur ungefähr wahr, nämlich nur wenn man auf den letzten äußeren Er- folg ſieht, nicht auf die wahre juriſtiſche Wirkung. Denn dieſe beſteht (wenn ich den Prozeß gewinne) bey der Klage in Verurtheilung des Gegners, bey der Exception in mei- (a) Wenn mir durch Drohung eine Veräußerung abgezwungen wird, und ich die Sache zufällig wieder in Beſitz bekomme, ſo iſt der gegenwärtig beſchriebene Fall vorhanden, da alle Bedingungen vorhanden ſind für eine Vindica- tion des Gegners (welcher wirk- lich Eigenthümer iſt) und meine Vertheidigung durch metus ex- ceptio. Wenn dagegen der Geg- ner im Beſitz iſt, ſo habe ich eine Klage aber keine Exception, da der Gegner jetzt nicht die Möglich- keit einer Klage gegen mich hat. Es muß alſo erſt eine neue That- ſache eintreten (Verluſt des Be- ſitzes an mich), damit der Gegner eine Klage erlange, und ich (für den Fall ihrer Anſtellung) eine Exception. Daher gehört dieſer letzte Fall zur dritten Klaſſe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/434
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/434>, abgerufen am 23.12.2024.